Cripper
Die Tourstory zum Baltikum-Abenteuer
Special
Fotos: Dmitry, Jonathan Stenger, Jan Wischkowski
Die Strecke wahnwitzig, die Idee großartig. CRIPPER begeben sich auf Tour ins Baltikum, einer Region, die von hiesigen Bands eher selten besucht wird. Auch weil die Szene vor Ort überschaubar ist. Neben Mercher Björn von Oettingen und Lichttechniker Philipp Pascal Nürnberger, genannt Kalle, haben CRIPPER auch mich für einen Bericht im Van verstaut. Eine Busfahrt ist ja bekanntlich lustig, im Nightliner wären die Stunden bei 1.200 km bis zum ersten Konzert in Kaunas, Litauen vermutlich verflogen wie das erste Bier der Fahrt. Im Van allerdings ist die Herausforderung größer, sodass bereits im Vorfeld feststeht, dass wir eine Übernachtungspause in der Nähe von Warschau einlegen. Glücklicherweise entpuppt sich die Gesellschaft als äußerst redselig, und Björn hat einen Süßigkeitenvorrat am Start, der ihm den Spitznamen Candyman einbringt. Die erste Strecke ist dennoch anspruchsvoll und begleitet von einigen Mautstellen (die gleichzeitig ordentlich Geld verschlingen) sowie spannenden Hand/Fuß-Verständigungen im Motel. Trotz allem klappt es, und die Nachtruhe beginnt, für fünf Stunden, bevor es nach einem überraschend reichhaltigen Frühstück für 3€ direkt wieder los geht.
12.10.2017, Kaunas, Litauen
Im Gegensatz zur ersten Strecke, die über Autobahnen führte, sind wir auf dem Weg nach Litauen auf Landstraßen unterwegs, was die Fahrt noch etwas länger erscheinen lässt. In der Zwischenzeit basteln Gitarrist Christian und Bassist Lommer an der Setlist, die für die Bandkollegen einige Tücken bereit hält. Nicht etwa aufgrund überraschender Songs, sondern aufgrund der Songtitel, die abgewandelt und mit kindlichem Humor umgedichtet werden. Die Lacher haben die beiden auf ihrer Seite, davon zeugen Titel wie: „Jauchehemmer“, „Into The Weiher“ oder „Hi, Ina“. Nach knapp sechs Stunden ist Kaunas erreicht.
Ein interessantes Fleckchen Erde und eine Stadt, die eindeutig im Wandel ist. Von idyllischer Fußgängerzone, grünem Park bis hin zu unzähligen Baustellen und abrissreifen Wohnhäusern sind es meist nur wenige Meter. Leider bleibt uns bis zum Get-in, also der Ankunft und Anmeldung im Club Lemmy nur kurze Zeit, um etwas einheimische Luft zu atmen. Diese kurze Rast wird in einem Pub bei schmackhafter lokaler Braukunst und leckeren Burgern sowie lustigen Gesprächen verbracht. Erste Erkenntnis des Trips: Auf Gitarrist Jonathan ist bei der Bierauswahl Verlass. Während die Wahl der anderen vier Pub-Besucher gut ist, ist das Craft Beer ein absolutes Highlight. Das Vertrauen in Jonathan sollte sich bereits am Abend im Lemmy bestätigen, wo direkt ein lokales Craft Beer für den Aufbau bestellt wird. Äußerst lecker. Der zweite Blick fällt auf die Schnapsauswahl des wie ein gemütlicher und sehr gepflegter Partykeller wirkenden Ladens im zweiten Stock. Hier zeigt sich: Die Litauer sind durchaus kreativ und benennen die hochprozentigen Köstlichkeiten nach Bandnamen. So finden sich neben einem Burzum auch ein Steel Panther auf der Karte. Das muss später am Abend noch getestet werden, und Mercher Björn und ich gönnen uns den Burzum, der amüsanterweise an einen B52-Shot mit Absinth on top stilecht angezündet wird. Lecker.
Aber es soll hier ja auch um Musik gehen, und mittlerweile sind auch DARK SIDE, der lokale Support, angereist. Der sympathische Trupp, der freudestrahlend der Reihe nach Hallo sagt, hatte auch eine kleine Strecke aus Klaip?da, das im Westen des Landes liegt, zurückgelegt. Offenkundig freuen sich die Jungs auf die Show. Während sich das Lemmy langsam füllt, legen DARK SIDE los. Thrash Metal steht auf dem Programm, der leider nicht viel bietet, außer dass die Litauer für mich einen Exotenstatus einnehmen. Zu sehr orientiert sich das Quintett am Gros der Szene, und in Erinnerung bleibt wenig – außer den Sympathiepunkten. Vor der Bühne nicken immerhin ein paar Besucher mit dem Kopf, während sich der Club allmählich weiter füllt und im Backstage langsam die Spannung steigt.
Denn es ist nicht klar, was CRIPPER heute erwartet. Während die Band in heimischen Landen und auch darüber hinaus vor mehreren hundert, auf Festivals gar Tausenden von Menschen spielt, ist dieser Trip ein „Schuss ins Blaue“. Doch Bock hat jeder, das ist bereits beim Warmspielen zu spüren, und im überschaubaren Inneren sieht es bei 50 anwesenden Metalheads auch nicht wirklich leer aus. Bei akzeptablem Sound geht es los: Zwei Dinge sind schnell klar, als der Opener „Pressure“ erklingt. Erstens: Kaum jemand scheint mit dem Material von CRIPPER vertraut zu sein. Und zweitens: Kalle macht einen exzellenten Job. Wie viel das Licht bei einer Show ausmacht, zeigt sich in der Harmonie aus gut abgestimmten Farbwechseln und Effekten sowie der druckvollen, energiegeladenen Performance auf der Bühne.
Entertainment ist für die Anwesenden auf jeden Fall geboten. Auch als Fronterin Britta „Elchkuh“ Görtz bei „Jackhammer“ darum bittet, doch die ersten Reihen zu füllen und selbst von der Bühne geht, um näher beim Publikum zu sein. Das tun ihr anschließend auch Lommer und Christian abwechselnd nach. Spätestens bei „Life Is Deadly“ ist es aber voll, und die Menge taut langsam auf. Bei „Pure“ haben CRIPPER alle überzeugt und aus Kopfnicken wird wildes Headbanging, aus verhaltenem Applaus lauter Jubel. Bei „Mother“ kommt es zu einer weiteren Premiere für die Band. Mara, die aktiv daran gearbeitet hat, CRIPPER ins Baltikum zu holen und obendrein Gesangsschülerin von Britta ist, kommt nach freundlicher Ansage auf die Bühne, um den Song gemeinsam mit ihr zu singen. Das Duo peitscht sich dabei gegenseitig zu Höchstleistungen, growlt im Duett und schreit sich zwischenzeitlich ekstatisch an. Die Wirkung auf die Meute ist nicht zu übersehen und erneut sind etliche Teufelshörner in die Luft gestreckt.
So langsam bekommt auch Björn mehr zu tun und es wandern so einige LPs, CDs und Shirts über die Theke. Scheinbar haben CRIPPER einige neue Fans gewonnen, nachdem auf Nachfrage von der Bühne lediglich sechs der Anwesenden überhaupt bejaht haben, die Band zuvor gekannt zu haben. Mein persönliches Highlight bleibt an diesem Abend, neben der ebenfalls großartig mit Mara vorgetragenen „7““ die Nummer „Running High“. Ohnehin der außergewöhnlichste Song auf der aktuellen „Follow Me: Kill„-Scheibe, der auch live eine mächtig atmosphärische Präsenz entfaltet und in seinem eher wabernden Tempo als willkommenes Kontrastprogramm zum temporeichen Material wirkt. Nach den Zugaben „Hyëna“ und „FAQU“ ist für heute Schluss, und CRIPPER verlassen schweißgebadet die Bühne, nicht ohne vorher auf eben selbiger für ein paar Schnappschüsse mit neugewonnenen Fans zu posieren. Das nennt sich Fannähe. Danach kommt die Abendroutine: Feierabendbier beim Plausch mit den anwesenden Gästen, Abbau und Aufbruch ins Hostel. Für mehr bleibt in Kaunas keine Zeit, denn Schlaf in einem Bett ist in diesen Tagen selten und entsprechend wertvoll. Geplante Abfahrt am nächsten Tag ist 8:30 Uhr, denn bis Tallinn sind es einige Stunden.
13.10.2017, Tallinn, Estland
Pünktlich um 8 Uhr sind alle auf den Beinen und halten nach Frühstück Ausschau. Fündig werden wir in einer Bäckerei schräg gegenüber unseres Hostels. Schnell werden Kaffee, Cappuccino und ein Kakao bestellt sowie die Theke mit belegten Bagels und Brötchen geplündert. Doch bevor es auf die Straßen Richtung Tallinn geht, muss das Equipment aus dem Lemmy geholt werden. Gesagt, getan. Etwas müde wird im Nieselregen angepackt und alles verstaut. Clubbesitzer Nerijus ist gerade in den Regen verschwunden, als Christian auffällt, dass sein Hoodie wohl noch im Club liegt … ein Phänomen, das uns die gesamte Tour begleiten wird. Glücklicherweise erreichen wir den freundlichen Litauer noch und sind endlich abfahrbereit.
Der Trip nach Estland ist erneut begleitet von Flachwitzen, ernsthaften Diskussionen über das gesellschaftliche Klima, die Sinnlosigkeit der menschlichen Existenz und dem Versuch, die Stunden irgendwie rumzubekommen. Zwischendrin werden die schmackhaften Reste von Kalles Hack/Feta/Zucchini-Pfanne, die er wohlweislich noch im heimischen Hannover gebraten hat, brüderlich mit einem Löffel geteilt, und Jonathan erweist sich an einer Tankstelle erneut als Bier-Gourmet und entdeckt in Lettland das nächste leckere Craft-Gebräu. Erneut ist das Erstaunen groß. Während hierzulande selbst im Supermarkt locker drei Euro fällig gewesen wären, liegt der Preis hier bei einem. Aber genug geschwärmt. Am Club Tapper in Tallinn angekommen geht die übliche Routine los. Ausladen, aufbauen, Soundcheck. Björn zeigt sich ebenfalls als Gärstensaft-Kenner und begeistert mich für einheimisches Saku. Beim Kauf an der Bar zeigt sich: Estland ist deutlich teurer als die restlichen Baltikum-Staaten, vier Euro kostet der flüssige Leckerbissen. Selbiges zeigt ein Ausflug in den Supermarkt, wo die Bierpreise ungefähr deutsches Niveau haben und meist sogar knapp darüber liegen. Aber da müssen wir durch. Es ist beschlossene Sache, dass heute gefeiert wird, schließlich ist die Strecke nach Riga am Tag drauf die Kürzeste und Ausschlafen ist angesagt. Als das erste Bier getrunken, der Sound getestet und auch gegessen wurde, steht wieder Musik auf dem Programm.
Heute eröffnen SIGNS OF EXECUTION als lokaler Support. Die Tech-Death/Deathcorer erweisen sich als Entdeckung dieser Tour. Musikalisch anspruchsvoll, dürfen auch mal ein paar PARKWAY DRIVE-Leads durch das brutale Geholze und versierte Gefrickel flirren. Fronterin Meriliis holt ebenfalls einiges aus sich heraus und verleiht den Songs mit ihren finsteren Growls einen atmosphärischen Glanzpunkt, der auch von den oben an der Bühne befestigten Galgen unterstrichen wird. Die Esten sollte man auf dem Schirm behalten.
Die Stage ist heute größer, der Club auch, und so ist es wie schon im Lemmy zunächst etwas licht in den vorderen Reihen. Offenkundig kennen aber mehr Besucher CRIPPER, sodass das Publikum schnell auf Betriebstemperatur ist und schon bei „Jackhammer“ die ersten Haare und Fäuste wirbeln. Auch das Quintett scheint etwas eingespielter zu sein und nutzt gleichzeitig den zusätzlichen Platz auf der Bühne, um die Positionen hin und her zu tauschen und sich in Pose zu werfen. Saitenschwinger Christian dreht gar so auf, dass er plötzlich auf der Bassdrum von Dennis steht. Wie schon in Riga kommt auch heute Gastsängerin Mara bei „Mother“ sowie später im Set bei „7““ mit auf die Bühne und erntet dafür erneut wilden Applaus. Das Treiben ist ansteckend, und so tingeln auch an diesem Abend alle nach der Show glücklich von der Bühne in Richtung Bar.
Die Band nimmt sich außerdem viel Zeit, um mit den Fans zu plauschen und das ein oder andere Bier zu trinken. So erfahren wir, dass es ein paar Finnen gar aus Helsinki extra für die Show per Fähre nach Tallinn verschlagen hat, was die Musikergesichter zum Leuchten bringt. Als dann zu späterer Stunde noch ein begeisterter Besucher seine Kreditkarte zückt, um eine große Runde Bier zu spendieren, sind alle restlos zufrieden. Der Abend wird wie angekündigt lang.
Als „Place to be“ stellt sich ein Fenster im Treppenaufgang zum Backstage heraus. Das nicht nur als Raucherinsel dient, sondern auch zu ernsthaften Diskussionen und tief persönlichen Gesprächen einlädt. So versacken unter anderem Drummer Dennis und ich mehrere Stunden am Fenster, und nahezu jeder aus der Crew kommt auf einen Plausch vorbei. Um sieben sind auch die letzten, namentlich Dennis und Jonathan, im Bett. Die eher ungemütlichen und schmuddeligen Backstageräumlichkeiten laden zwar nicht gerade zur ausgiebigen Rast ein, erfüllen aber ihren Zweck und bieten uns den Unterboden für ein paar erholsame Stunden.
14.10.2017, Riga, Lettland
Gerade haben wir uns in der festen Absicht, gegen 9 bis 10 Uhr wieder aufzustehen, um die Stadt zu erkunden und einen Happen zu essen, die Decke über den Kopf gezogen, da werden wir bereits geweckt. Es ist 12 Uhr. Zum Leidwesen aller ist es jetzt schon äußerst knapp mit dem Frühstück – und es soll noch schlimmer kommen: Es gab vergangene Nacht ein Missverständnis, weshalb die Abfahrt nicht 13:30 Uhr sondern bereits 12:30 Uhr ist … und wir müssen noch einladen. Hektik bricht aus, aber schlussendlich sitzen wir pünktlich, mit knurrendem Magen und leichtem Kater im Van: „Auf geht’s, wir finden schon was zu essen.“ So die allgemeine Meinung. Denkste! Unserem heutigen Glück folgend landen wir zum Tanken an einem Automaten ohne angeschlossenem Laden.
Einziger Stopp auf der Fahrt, die uns erneut durch die wunderschöne Landschaft Estlands führt. Ausgedehnte Birken-Wälder, ein Blick aufs Meer und noch mehr Wald und Wiese lassen uns das Loch im Bauch für einige Stunden vergessen. Apropos vergessen: Christians MANTAR-Shirt dürfte noch im Tapper vor sich hingammeln, er hat es nämlich vergessen. Hinzu gesellt sich die übliche Fahrtroutine: Dumme Sprüche, ein paar Anekdoten und Diskussionen über die letzten Shows. Dabei stellt sich heraus, dass sich nicht alle Bandmitglieder mit „Running High“ auf der Bühne wohl fühlen, weshalb „Damocles“ in die Setlist rutscht. Immerhin sorgt Dennis für etwas Unterhaltung, als er bei laufender Fahrt den Gaskocher für den ersten Kaffee des Tages anwirft. Gegen 17 Uhr ist der Klubs Meln? Piektdiena erreicht. Ein unscheinbares Gebäude, irgendwo versteckt hinter anderen Häusern und kaum als Location zu identifizieren. „Aber endlich Essen“, so die Hoffnung. Pustekuchen! Catering gibt es hier und heute gar nicht, und auch sonst ist die Stimmung gedämpft. Irgendwas stimmt nicht. Keiner grüßt oder redet mit uns. Auf die Frage, ob mit dem Soundcheck begonnen werden kann, kommt ein mürrisches „jaja“. Einen Finger krumm macht dennoch niemand aus der lokalen Crew. Im Backstage herrscht Ratlosigkeit, scheinbar sind auch ein paar weniger freundliche Worte in Landessprache in Richtung von Kalle gefallen. Frust macht sich breit.
Fronterin Britta ist zwar ebenso wenig angetan, sucht das Heil aber in der Offensive und stellt die Mitarbeiter zur Rede. Es kommt heraus, dass es wohl ein Missverständnis bei der Planung gab, sodass die Club-Mitarbeiter erst kurzfristig einbestellt und wenig amüsiert von der zusätzlichen Schicht sind. Trotzdem sind sich alle einig, dass so etwas nicht an der gastierenden Band ausgelassen werden darf, aber Britta bringt es auf den Punkt: „Ist die Stimmung im Club schlecht, überträgt sich das auf uns, und wir liefern keine gute Show ab. Aber diese hat jeder einzelne Besucher, der auch noch Geld dafür bezahlt, verdient!“ Richtig! Und immerhin ist jetzt alles geklärt, und das tägliche Stelldichein läuft an.
Die Zeit nutzen Mara, ihr Ehemann Dmitry und ich, um etwas zu beißen im lokalen Supermarkt zu besorgen. Neben Brot und Aufschnitt empfiehlt das einheimische Pärchen einige regionale Salate in bunten Farben, die ebenfalls im Einkaufswagen landen. Um 19 Uhr sind wir zurück, und es gibt endlich das langersehnte Frühstück – prompt steigt die Stimmung. Im wirklich charmanten Konzertsaal tummeln sich bereits einige Gäste. Apropos charmant: Mit Tarnnetzen an der Decke und einem hölzernen Podest mit Sitzgelegenheiten ist der Klubs Meln? Piektdiena definitiv einen Besuch wert.
Auf der Bühne stehen derweil IRON WINGS, die den Abend eröffnen dürfen. Das Trio aus Riga spielt eine Mischung aus Old-School Heavy und Alternative Metal und ist mit jugendlicher Spielfreude dabei. Der große Wurf ist das nicht und gerade der Gesang offenbart einige Wackler in den klargesungenen Passagen, aber Potential ist erkennbar. STAGNANT PROJECT sind die Nächsten und offerieren Extreme Metal mit einigen Electro-Beats vom Laptop. Die Band wirkt eingespielter und insgesamt tighter als der Opener … nur beim Publikum zündet nichts. Verhalten schauen sich einzelne Besucher das Bühnengeschehen an, und trotz aller Animationsversuche seitens Sänger und Gitarristen Raul Gonzales Umberto Rapidez lässt sich das Publikum nicht umstimmen. Schade, wenngleich die Songs noch sehr chaotisch wirken und die eingestreuten Zappel-Techno-Beats eher anstrengend, ist das Material einigermaßen originell und hätte heute mehr Zuspruch verdient.
Kurz rätseln Björn und ich am Merch-Stand, ob das lettische Publikum eventuell generell reserviert ist; das soll es ja geben. Doch wie sich zeigt, liegen wir damit weit daneben. Nachdem Britta kurz vor der Show noch eine Runde dreht und sowohl die eigene als auch die Club-Crew zur Motivation abklatscht, geht es wieder einmal mit „Pressure“ direkt in die Vollen, und siehe da, es läuft. Immer mehr Menschen wagen sich vor die Bühne, und es wird explosiv. Schon bei „Jackhammer“ wird gebangt, gesprungen und mitgefeiert. Als Mara in ihrer Heimatstadt bei „Mother“ die Bühne erklimmt, brandet großer Jubel auf – Heimspiel für die Gastsängerin, und das kosten alle Beteiligten aus. Selbiges wiederholt sich beim Schlussakt „7““ und es wirkt, als könnte es kaum noch besser werden. Der Applaus ebbt nicht ab und der hauseigene Lichttechniker, einer von besagten Miesmuscheln vom Anfang, ist der Erste, der lautstark „one more song“ skandiert – und die Menge folgt. Sichtlich erleichtert und glücklich ob des Zuspruchs erklimmen CRIPPER erneut die Bretter und entlassen das Publikum und auch uns in Form von „Hyëna“ und „FAQU“ inklusive ausgestreckter Mittelfinger in den wohlverdienten Feierabend. Die obligatorischen Fotos mit den anwesenden Fans, ein paar nette Worte, und schon beginnt der Abbau.
Die letzten Tage stecken spürbar in den Knochen, und so wird das Feierabendbier auf der Fahrt zu Maras und Dmitrys Heim verputzt. Dort angekommen, sehen wir uns mit zwei riesigen Hunden konfrontiert, die es Britta besonders angetan haben. Nach kurzer Kuscheleinheit steht allerdings die Schlafeinteilung auf dem Programm. Während Kalle, Britta und Mara samt Dmitry zu dessen Eltern aufbrechen, richten wir uns für die Nacht vor Ort ein. Lommer bekommt den Küchenfußboden, und der Rest versucht sich, skeptisch von der Katze unserer Gastgeber beäugt, im spartanisch eingerichteten Wohnzimmer einzurichten. Erneut sind es wenige Stunden Schlaf, denn pünktlich um acht gilt es den Van vollzuladen und den abenteuerlich langen Rückweg anzutreten.
Am nächsten Morgen ist niemandem so richtig nach Blödsinn zumute, und so wird sich weit weniger motiviert als zuvor in das vertraute Gefährt gequetscht. Schnell ein paar Brote auf der Rückbank zubereitet, und ab geht es auf die 16-stündige Rückfahrt, die sich noch verlängern soll. Etwas aufgetaut lassen wir gemeinsam die vergangenen vier Tage Revue passieren, tauschen Highlights aus, und die Band ist sich völlig einig: Der Wahnsinn von 3.741 gefahrenen Kilometern in vier Tagen hat sich gelohnt! Nicht finanziell, denn die Gagen bleiben im Vergleich deutlich unter gewohntem Niveau, und auch die Versorgung in den Clubs ist nicht mit hiesigen Standards zu vergleichen, doch die Erlebnisse und die Erfahrung kann CRIPPER niemand nehmen … genauso wenig die zahlreich hinzugewonnenen Fans, die den ganzen Trip jeden Abend honorierten.
Einen Dämpfer hat unser Rückweg aber noch zu bieten. Während wir uns „Deadpool“ auf dem Laptop ansehen, läuft Christian plötzlich bleich an und ist kaum noch ansprechbar. Besorgt halten wir an, glücklicherweise scheint der Schwächeanfall nur kurzzeitig zu sein, denn der Bandspaßvogel ist wenig später schon wieder auf der Höhe. Ein Schelm wer denkt, es könnte an der merkwürdigen Erdbeer/Limette/Minz-Chemiekeule liegen, die wir uns, als Getränk getarnt, gegeben haben. Um Mitternacht setzt mich die Band schließlich zu Hause ab, bevor sie die restlichen drei Stunden nach Hannover in Angriff nimmt. Zum Abschied blicke ich in sehr müde aber glückliche Gesichter und nach der obligatorischen Verabschiedung geht es endlich ins heimische Bett.
Persönliches Nachwort des Autors:
An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal aus vollem Herzen bei CRIPPER und allen weiteren an der Tour beteiligten Personen dafür bedanken, dass sie mich als Journalisten mit auf diese Tour genommen haben. Ich durfte den Touralltag ungeschönt und ohne jegliche Vorbehalte miterleben. Ich habe viele spaßige Momente, aber auch atmosphärische Dämpfer hautnah miterlebt und wurde freundschaftlich empfangen. Auch für die Unterstützung bei meiner Arbeit möchte ich mich bei allen bedanken, die mich ebenso beim Auf- und Abbau sowie sonstigen anfallenden Arbeiten mit einbezogen haben. Das hat großen Spaß gemacht. Darüber hinaus gilt der Dank auch an Mara und Dmitry, die nicht nur eine sehr angenehme Gesellschaft waren, sondern auch viele Einblicke in die Szene geboten haben. Außerdem haben Sie mich mehrfach zum Einkaufen gefahren, sodass wir die Catering-Situation selbständig verbessern konnten. Auch Kalle und Björn, die einen nicht unerheblichen Teil an Arbeit in CRIPPER stecken, ohne auf der Bühne zu stehen, gebühren nur warme Worte für den ganzen gemeinsamen Spaß und die spannenden Gespräche!