Crematory
Die Fans werden entscheiden, ob Crematory noch eine Daseinsberechtigung haben, aber die Fangemeinde hat uns gezeigt, dass sie uns nie vergessen haben.

Special

Mit Crematory hatte sich vor einiger Zeit wohl eine der umstrittensten aber auch gleichzeitig erfolgreichsten Bands in Deutschland offiziell und mit Nachdruck von ihren Fans verabschiedet. Aber wie sagt man so schön: „Unverhofft kommt oft“. So richtig hatte die Truppe um „Sangesschwergewicht“ Felix wohl kaum mehr einer auf der Rechnung. Umso überraschender war es dann, als mit „Revolution“ ein neues Studioalbum angekündigt wurde, welches am 03.05.2004 zur allgemeinen Prüfung freigegeben wird. Nuclear Blast, das aktuelle Label der Band hatte geladen, sich in den heiligen Hallen der NB-Zentrale einen ersten Höreindruck zu verschaffen. Im so genannten „Fun Room“ versammelte sich zunächst eine beachtliche Anzahl von Schreiberlingen, um bei einem gepflegten Kaffeekränzchen einen sichtlich aufgebrachten Felix zu bestaunen, der mit einer Flasche Wasser bewaffnet, die unzähligen Flipperautomaten bediente. Nach einer kurzen Zwischenaudienz von Label Boss Markus Staiger, wurde anschließend dessen Büro in Beschlag genommen, um aus einer ziemlich bassverliebten Anlage, Zeuge der von Crematory angekündigten „Revolution“ zu werden. Ein Blick in die Runde machte ziemlich schnell deutlich, dass die Mehrheit der Anwesenden äußerst gespannt der Dinge harrten, die gleich folgen sollten. Und los geht’s:

Crematory

Resurection

Ein Intro, voller Bombast und der typisch dunklen Grundstimmung. Das Keyboard legt einen mystischen Teppich, der richtig schön klischeebeladen daher kommt. Leider ist das Intro ne ganze Spur zu lange ausgefallen, auch wenn es für die Wiedergeburt der Band stehen soll.

Wake Up

Synthesizer tragen einen förmlich in den nächsten Song, der dann eine recht überraschende Wendung nimmt und mit astreinem Thrash-Riffing aufwarten kann. Die etwas überrascht wirkenden Journalisten beruhigen sich allerdings schnell wieder, als die erste Flut abebbt und wieder die klassischen Crematory Stilelemente durchbrechen. Sprich Felix‘ raue und markante Stimme in einem netten Refrain.

Greed

Ist die erste Single-Auskopplung. „Greed“ ist einer der eingängigsten Songs auf „Revolution“ und wartet, wie eigentlich das ganze Album, mit allerlei elektronischen Spielereien auf. Klasse kommt der Wechsel zwischen cleanem Refrain und den rauchigen Zwischenparts. Der Song lebt vom Refrain und baut immer wieder auf diesen auf. Das Video zu besagtem Song, welches uns ebenfalls präsentiert wurde, dürfte mittlerweile bei den einschlägigen Musiksendern zu sehen sein.

Reign Of Fear

Erneut läutet das Keyboard eine weitere Runde im Kapitel Revolution ein, zu dem sich nach und nach das dominierende Drumming und die typischen Crematory Gitarren gesellen. Ziemlich überraschend wird die Hörerschaft allerdings von spontan einsetzten Elektro-Beats getroffen, die fortan die Herrschaft über Song übernehmen und zu einem Club-Dance Hit werden lassen könnte. Gewagt gewagt!!!

Open Your Eyes

Wer glaubt die EBM-Einlage auf „Reign Of Fear“ wäre ein Experiment gewesen, wird gleich eines Besseren belehrt und findet sich in stampfenden Beats, untermalt von Synthesizermelodien wieder, die die Gitarren nahezu vollständig verdrängen. Wohl mit „Reign Of Fear“ ein potenzieller Kandidat für einen zukünftigen Club-Hit.

Tick Tack

Ganz in alter Tradition ist mit „Tick Tack“ erneut ein deutschsprachiger Titel auf Revolution enthalten. Die keyboardlastigen Intros der Songs scheinen sich über die gesamte Spieldauer des Albums zu erstrecken. Das gesangliche Wechselspiel findet auch dieses Mal zwischen treibendem Drumming und ziemlich heftig bratenden Gitarren statt. „Tick Tack“ verbindet erneut die klassischen Crematory Trademarks mit dem, was die Band wohl zum Markenzeichen ihrer Auferstehung erkoren haben: Synthiespielereien in allen Formen.

Angel Of Fate

Ist ein im midtempo gehaltener Song, der vom Markus‘ Drumming dominiert wird. Der Refrain wiederholt sich recht oft, was den Song nicht gerade abwechslungsreich wirken lässt und wohl auch deshalb etwas untergeht im Rahmen der restlichen überdurschnittlichen Songs. Gegen Ende wird man allerdings noch durch eine Soloeinlage an der Saitenfraktion entlohnt.

Solitary Psycho

Beginnt sehr rasant und verzichtet auf die bisher obligatorischen Tastenergüsse. Das Schlagzeug bahnt sich unaufhaltsam mit einem tonnenschweren Doublebass- Sound den Weg. Im weiteren Verlauf schwenkt der Song allerdings in eine getragene, fast meditative Stimmung um, durchzogen von dezent gesetzten, elektrophilen Soundspielereien.

Revolution

Auf Revolution beweisen Crematory, dass sie ihr Handwerk verstehen und einige Zeit an diesem Song gefeilt haben. Man zelebriert hier einen packenden Mix aus typischen Gothic Einflüssen in Form von anmutigen Melodiebögen, die den Song durchzucken und im Einklang mit den schwermütigen aber dennoch brutalen Gitarren stehen. Im Mitteteil gibt es ein gekonnt dargebotenes Vokalduell zu hören. Zusammen mit der Single „Greed“, der wohl ausgereifteste und in sich gechlossenste Song.

Human Blood

Gegen Ende der Scheibe scheint die Wormser Kapelle nochmal alles aus sich herauszuholen und knüppelt mächtig nach vorne. Die Gitarren klingen zwar äußerst steril und modern, pflügen sich aber treffsicher durch den Song. Auch Markus beschreitet auf diesem Song etwas andere Wege und haucht seinem Drumming mehr Leben ein. Dadurch wirkt der Song transparenter und vor allem lebendiger. Der Song erinnert trotz der deutlichen elektronischen Anleihen etwas an das alte Material.

Red Sky

Na hoppla, nach dem beinahe back to the roots Kracher „Human Blood“ wird es wieder tanzbar. Red Sky intoniert zwar mit einem netten Gitarrenriff, schlägt aber schnell in ein EBM, Drum’n’Base Rhythmusgewitter um. Der Mittelteil ist dagegen von atmosphärischen Synthieklängen geprägt, akzentuiert von cleanen und eingängigen Vocalparts. Die Anhänger, die eine Scheibe im alten Stil erwarten haben, werden spätestens bei „Red Sky“ sehr auf die Probe gestellt.

Farewell Letter

Wie der Titel schon vermuten lässt, zeigen sich Crematory von der stark emotionalen Seite. Ein wenig Keyboard hier, Streichereinlagen da und ein nachhaltiger Refrain prägen diese Ballade. „Farewell Letter“ ist ein angenehm homogener Song, der das Album würdig schließt und einen Großteil der Schreiber mit einem wohligen Kribbeln zurücklässt.

Als kleines Zuckerstückchen wurde uns noch die beiden bereits fertig abgedrehten Videos zur Singleauskopplung „Greed“, sowie „Revolution“ vorgeführt. Beide Videos sind höchst professionell geworden und vermitteln eine klasse Atmosphäre. Die Idee des Videos zum Hit „Greed“ ist zwar nicht sonderlich neu und wurde von Bands wie „Soundgarden“ und „H-Blockx“ bereits aufgegriffen, funktioniert aber auch bei Crematory. Vor allem das Video zu „Greed“ sollte einen Blick wert sein, zumal es im Moment, wie bereits erwähnt die MTVIVA Hartwurstsendeplätze füllt.

„Revolution“ lässt Crematory in vielen verschiedenen Facetten erscheinen und repräsentiert nachhaltig die neu gewonnene Liebe zu elektronischen Beats. Crematory wagen dabei Einiges. Ich bin mir allerdings sicher, dass das Konzept aufgehen wird, da die Zeit reif ist für dieses Album. Wie Felix mir gegenüber auf die Frage, ob die Musikwelt ein neues Crematory Album brauche, unmissverständlich klarmachte, werde dies die Fangemeinde entscheiden und das Interesse, welches nie wirklich abgeebbt war, wäre ein eindeutiger Beweis, dass Crematory nie aus den Köpfen der Fans verschwunden waren.

Im Anschluss an dieses überraschende Hörprobe ging es dann in den Nachbarort. Der Nebenraum einer gemütlichen Dorfkneipe wurde dabei kurzerhand mit Crematory Postern, Totenköpfen, einer festlichen Tafel und Kerzen zum Rittersaal umfunktioniert. Nach einigen dubiosen Getränkemischungen eines NB-Mitarbeiters und einer ausgedehnten Interviewsession mit der Band, gab es lecker Spanferkel. Sichtlich zufrieden mit dem sehr gelungenen Abend (nochmals einen herzlichen Dank an Markus für den reibungslosen Ablauf) rutschten alle etwas näher zusammen und genossen die letzten Stunden.

Galerie mit 14 Bildern: Crematory - Metal Hammer Paradise 2022
21.04.2004

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