Century Media
Do It Yourself: Die Geschichte eines Labels
Special
Die Plattenfirma ist der Feind. Dieses weitläufig bekannte Stereotyp, hat sich bei vielen (Amateur-) Musikern manifestiert. Dass das Thema weitaus komplexer ist, als dieses Klischee vermuten lässt, dürfte auch auf der Hand liegen. Einen Blick hinter die Kulissen kann man sich nun mit dem Buch “Century Media – Do It Yourself: Die Geschichte eines Labels” verschaffen. Das von dem Historiker Dr. Christian Krumm geschriebene Werk befasst sich – wer hätte es gedacht – mit dem Dortmunder Label CENTURY MEDIA. Dabei heraus gekommen ist ein kurzweiliges Werk über eines der wichtigsten Independent Labels das die Metal-Szene hat.
Auf den ersten Blick ist die enorme Wichtigkeit von CENTURY MEDIA vielleicht nicht sofort ersichtlich. Aber wenn man das Buch liest und noch einmal Revue passieren lässt, welche Bands bei der Firma eigentlich einmal unter Vertrag standen, beziehungsweise stehen, kann man erkennen, dass die Dortmunder schon immer ein feines Näschen für neue, unverbrauchte Acts hatten, die der Szene mit ihrer Musik geholfen haben sich weiter zu entwickeln. Dass es die Firma überhaupt gibt, liegt an der Skepsis gegenüber anderen Plattenfirmen, die Robert Kampf und seine Band DESPAIR damals hatten. Die Angebote haben den Jungs nicht zu gesagt, also gründete Robert CENTURY MEDIA, um die komplette Kontrolle über seine Musik zu behalten. Inspiriert wurde Robert dabei von bereits bestehenden Labels wie Alternative Tentacles des ehemaligen DEAD KENNEDYS-Sängers Jello Biafra. Die ‘Do It Yourself’-Attitüde der amerikanischen Hardcore-/Punk-Szene sagte Robert zu und so wurde CENTURY MEDIA gegründet.
Autor Christian Krumm zeichnet in dem Buch ein sehr sympathisches Bild der Plattenfirma und ihrer Mitarbeiter, die ausführlich zu Wort kommen und durch die vielen Zitate die Geschichte von CENTURY MEDIA quasi lebendig werden lassen. Zudem verzichtet Krumm darauf lediglich irgendwelche Statistiken in Wortform zu bringen, so dass sich das Buch sehr flüssig lesen lässt. Die Geschichte von CENTURY MEDIA ist in mehrere Abschnitte aufgeteilt, die immer wieder von kurzen Bandporträts oder Porträts von langjährigen Freunden, beziehungsweise für die Firma wichtigen Leuten aufgelockert. So wird der Spannungsbogen über die gesamte Distanz gehalten. Man hat nicht das Gefühl ein Fachbuch zu lesen und vom Informationsgehalt erdrückt zu werden.
Auf der anderen Seite wäre ein Unterkapitel über beispielsweise die erfolgreichsten Releases des Labels sicherlich auch interessant zu lesen. Das wäre aber nicht mehr als eine nette Zugabe gewesen. Viel schöner zu lesen ist, wie Robert sich mit Hilfe von Freunden ein Netzwerk aufbaut und bei dem Signing der Bands ein glückliches Händchen beweist. Gleich die erste mit einem Plattenvertrag bedachte Band (neben DESPAIR) schlägt mit ihren zwei Minialben und dem Full-Length-Debüt “Cursed” ein wie eine Bombe: MORGOTH. Die Death-Metal-Szene war zu Beginn generell ein sehr wichtiges Standbein des Labels. Ein hochwertiges dazu, wenn man sich wieder vor Augen führt welche Kaliber damals bei CENTURY MEDIA unter Vertrag standen. Namen wie MORGOTH, UNLEASHED, GRAVE oder ASPHYX zergehen jedem Death-Metal-Fan auf der Zunge. Ein kluger Schachzug von Gründer Robert Kampf war es vor allem aber auch völlig unterschiedliche Bands unter Vertrag zu nehmen, um sich musikalisch nicht festlegen zu müssen. LIAR, POLTERGEIST, LACUNA COIL, RUMBLE MILITIA, SUIDAKRA, GOD FORBID, TURISAS, SHADOWS FALL, MOONSPELL, THE GATHERING, TIAMAT, CRYPTOPSY, ICED EARTH, JAG PANZER, SENTENCED oder STRAPPING YOUNG LAD (um nur einige zu nennen) fischen in völlig unterschiedlichen Gewässern, sind für das Label aber alle auf ihre Weise wichtig.
Christian Krumm (Bild, rechts) schafft es Fakten und Entstehungsprozesse (u.a. die Gründung des US-Büros) mit netten Anekdoten und Kommentaren von Musikern zu verbinden. Es werden dem Leser viele Einblicke in die Arbeit einer Plattenfirma gewährt und der Autor legt durchaus auch Misserfolge von CENTURY MEDIA dar. So wollte Robert Kampf unbedingt die US-Kult-Hardcoreler CRO-MAGS unter Vertrag nehmen, hat sich finanziell sehr weit aus dem Fenster gelehnt, der Band einen langfristigen Vertrag angeboten und viel Geld in die Promotion gesteckt. Die Alben (u.a. “Alpha Omega”) floppten und fügten CENTURY MEDIA nicht unbeträchtlichen finanziellen Schaden zu. Auch nicht jede Band hat die Firma in freundschaftlichem Verhältnis verlassen. UNLEASHED sind so ein Beispiel, aber anstatt dreckige Wäsche zu waschen haben sowohl die Band, als auch das Label auf Stellungnahmen für “Century Media – Do It Yourself: Die Geschichte eines Labels” verzichtet. Das würde auch nicht so ganz zum Rest passen, denn es macht richtig Spaß dieses Buch zu lesen. Sei es, um Informationen über die Anforderungen für Praktikanten zu bekommen, Finnen, die sich mehr über eine Palette Bier als über eine Nummer eins freuen oder um einige romantische Vorstellungen im Bezug auf das Musik Business zu verlieren.
“Century Media – Do It Yourself: Die Geschichte eines Labels” enthält viele Informationen über die Szene Ende der Achtziger, spielt mit recht offenen Karten was die Arbeit eines Labels angeht und ist vor allem eine wunderbare nostalgische Reise – unterstützt von den zahlreichen, teils raren, schwarz-weiß Fotos – durch ein mehr als ansehnliches Backprogramm. Man erwischt sich immer wieder dabei, wie man denkt ‘ach, die Scheibe könnte ich auch mal wieder auflegen’. Genug erstklassiges Material haben CENTURY MEDIA veröffentlicht. Christian Krumm gelingt es dem Leser einen guten Einblick hinter die Kulissen zu gewähren und ein Buch zu veröffentlichen, das sich respektvoll mit dem Unternehmen auseinander setzt. Sollte man gelesen haben.