Cathedral
"The Garden Of Unearthly Delights" Listening Session
Special
Nach CANDLEMASS vor ein paar Monaten stellte mit CATHEDRAL Mitte Juli eine weitere Doom Legende ihr neues Werk in den heiligen Hallen der Donzdorfer Nuclear Blast Zentrale vor. Kein Geringerer als Lee Dorrian persönlich war angereist, um dem Ereignis beizuwohnen, als „The Garden Of Unearthly Delights“ erstmals den neugierigen Journalisten vorgestellt wurde. Als Zaungast war Peter Tägtgren mit von der Partie, der zur Zeit in Deutschland weilt, um mächtig Promo für das neue HYPOCRISY Album zu machen. Das und die Tatsache, dass er durch seine zu später Stunde „etwas angeheiterte Stimmung“ Lee gnadenlos die Show stahl, soll hier allerdings nur eine Randnotiz bleiben. Denn der eigentliche Star des Tages war eindeutig das neue Machwerk der Briten, das wir auf der besten Anlage im Haus im Büro von Labelchef Staiger um die Ohren gehauen bekamen. Doch lest selber, was mir beim ersten Hördurchlauf durchs Hirn ging…
Dearth AD 2005
Ein typisches, noisiges, etwa einminütiges Intro, zu dem man keine Worte verlieren muss.
The Tree Of Life & Death
Was nach dem überflüssigen Intro aus den Boxen dröhnt, zaubert einem sofort ein breites Grinsen aufs Gesicht. Der Opener ist ein flotter Groove-Stoner Song, der mit seinem auffälligen ENTOMBED-Vibe stark in Richtung Death N Roll tendiert. Erdiger, schwerer Rock, wie man ihn besonders im Sommer liebt! Zur Mitte des Songs wird das Tempo etwas gedrosselt und ein doomiger Part macht sich breit, der mit verschoben-hypnotisierendem Sprechgesang ein wenig 70ies Feeling versprüht. Danach besinnt sich der Song wieder auf seinen Anfang. Wenn die Scheibe so weitergeht, muss ich mir keine Gedanken mehr machen!
North Berwick Witch Trials
Und das tut sie auch erst einmal! Ein kauziger Richter eröffnet mit einem gesprochenen Todesurteil Song Nummer zwei, der den Hörer sofort mit einem extrem catchy Riff auf seine Seite zieht! Auch dieser Track gefällt durch sein flottes Tempo und die schmutzige, aber dennoch frische Gitarre, die absolut hitverdächtige Rocksongriffs vom Stapel lässt. Dazu bringt der Bass mit extrem coolen Slides viel Würze in den Song.
Upon Azrael’s Wings
Auch wenn einem die Grundstimmung bisher neuere ENTOMBED vor das innere Auge gerufen hat, wird diese Parallele jetzt besonders durch Lee Dorrian deutlich, dessen Schreie sehr an L.G. erinnern. „Upon Azrael’s Wings“ hätte auch „Inferno“ gut zu Gesicht gestanden. Aber CATHEDRAL sind nicht ENTOMBED und bauen in die Mitte des Songs ein psychedelisches Break ein, das mit relaxtem, bluesigem Drumming und Bassspiel eine feucht-schwüle Atmosphäre erzeugt, die den Hörer für kurze Zeit nach New Orleans zu versetzen scheint, nur um ihn kurz darauf wieder in die Realität zurückzuholen, die aus staubtrockenen Stoner-Riffs besteht!
Corpsecycle
Höre ich hier UGLY KID JOE heraus? Irgendwie schon… besonders im Chorus mit den leicht verfremdeten Vocals und der eingängigen Melodie wirkt der Song wie ein guter alter Bekannter! Auf jeden Fall passt auch er sehr zum Sommer…
Fields Of Zagara
Ernster geht es im schönen Instrumental „Fields Of Zagara“ zu, das ausschließlich von Akustikgitarre und Streichern getragen wird. Im Hintergrund vernimmt man wüstes Schlachtengetümmel, was dem etwa zweiminütigen Song einige Dramatik verleiht.
Oro The Manslayer
Nahtlos geht es mit „Oro…“ weiter, das wieder sehr flott und angriffslustig auf einen zukommt. Mit sieben ein halb Minuten ist er der bisher längste Song, was angesichts von durchschnittlichen Songlängen von knapp sechs Minuten einiges für die gesamte Spielzeit bedeutet. Besonders auffällig ist der lange Instrumentalteil, der ab etwa der Hälfte des Songs einsetzt und mit einigen Soli aufwartet. Dabei findet kein Stimmungsbruch statt, der Song geht genauso zügig weiter wie er begonnen hat, und wirkt so wie ein frischer, ungezwungener Jam.
Beneath A Funeral Sun
… ist ein ziemlich durchgeknallter Patchwork-Song, der mit schier unvereinbaren Stimmungen jongliert und trotzdem alles in einem stimmigen Gefüge unterbringt. Während der Chorus von einem Kinderchor unterstützt wird und mich irgendwie an einen Tim Burton Soundtrack erinnert, groovt die Strophe im schmutzigen Stonergewand dahin. Dazu gibt es fröhliche, regelrecht swingende Parts und ein schickes 70ies-Zitat mit BLACK SABBATH-Touch. Geil!
The Garden
80% der Tracklist ist rum, aber erst die Hälfte der Spielzeit ist verstrichen. Auf was deutet das hin? Richtig: jetzt kommt das Herzstück. „The Garden“ ist ein 27-minütiges monumentales Meisterwerk von gigantischem Ausmaß! Nach dem ersten Hören ist bereits klar: diese unglaubliche Vielfalt und Komplexität ist mit Worten nicht beschreibbar. Um dennoch den vergeblichen Versuch zu wagen, hier ein paar Worte. Ein atmosphärisches, doomiges Intro wird von elfengleichem weiblichem Gesang abgelöst, der begleitet von Akustikgitarre und Trommelwirbel in den Song einführt. Geradezu rücksichtslos wird die Elfe dann aber an der nächsten Kreuzung vom tonnenschweren CATHEDRAL Kieslaster plattgewalzt. Was schaut sie auch nicht nach links oder rechts! Im Laufe des Songs rappelt sie sich aber wieder auf und verwickelt Lee in gesungene Zwiegespräche, die oftmals musicalartige Züge annehmen. Der Song ist die perfekte Vertonung des bunten Covers und wirkt wie ein Spaziergang durch den besungenen Garten der nicht-irdischen Freuden. Was einem dort optisch geboten werden muss, wird durch die musikalische und stilistische Vielfalt dieser akustischen Achterbahnfahrt sehr plastisch erfahrbar! Reinrassige Doomparts, abgespacte 70ies Zitate mit psychedelischen Soundcollagen, die allerdings nie nervig werden oder nur dem Selbstzweck dienen, Folk-Elemente und eingängige Rocksongstrukturen sind die Gewächse, die diesen Garten so farbenfroh machen. Zu entdecken gibt es unzählige Details und Feinheiten. Diesen Epos muss man unbedingt gehört haben. Einzigartig!!
Proga-Europa
Nach dem knapp halbstündigen Schwergewicht bleibt mit „Proga-Europa“ ein etwa einminütiger Hidden Track, der als flott rockender Abzählreim den Abschluss für dieses geniale Album bildet.
„The Garden Of Unearthly Delights“ öffnet am 26. September seine Pforten und empfängt seine Besucher.
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Stile | Doom Metal |
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