Cathedral
Ein Abschied in Würde
Special
Doch kurz vor dem definitiven Versperren der Tore lud Gaz Jennings noch zu einer Telefon-Audienz, die wir uns selbstverständlich nicht entgehen lassen durften:
Seid ihr euch immer noch ganz sicher, dass es mit CATHEDRAL jetzt tatsächlich und für immer aus und vorbei sein soll?
Ja, absolut! Zum einen, weil wir diese Entscheidung nicht irgendwo aus einer schlechten Laune heraus getroffen haben, sondern weil es im Prinzip ein langwieriger Prozess gewesen ist und wir wirklich lange und intensiv darüber nachgedacht haben, ob und wann, aber auch in welcher Art und Weise wir uns zurückziehen. Ich kann die Frage aber sehr gut verstehen, denn wir wären nicht die erste Band, die sich auflöst und verabschiedet, doch noch ehe man wirklich verschwunden ist, gibt man zunächst eine Abschieds-Tournee bekannt, die dann im geschäftstechnisch besten Fall unmittelbar in eine „Reunion-Tournee“ übergeht, weil man irgendeinen früheren Mitstreiter als „Special Guest“ bei dem einen oder anderen Gig begrüßt. Genau so etwas wollten wir vermeiden und von daher wäre es alles, aber nicht konsequent, und erst recht nicht ehrlich – weder uns und schon gar nicht unseren Fans gegenüber – wenn wir uns nicht wirklich und definitiv verabschieden würden.
Ach‘, nun komm schon Gary – Stell dir nur mal vor, ich bin seit heute im „Nebenberuf“ Veranstalter eines der größten Sommer-Open-Air-Festivals und im Stande gaaaanz tief in die Tasche zu greifen, um CATHEDRAL noch in diesem Jahr als „Special Guest“ auf die Bühne zu zerren. Nun Gaz, wie sieht‘s aus?
Haha, nicht übel! Allerdings bist du noch nicht einmal der erste „Veranstalter“, der uns auf diese Art zu ködern versucht und so gibt es für dich auch nichts anderes zu hören als ein definitives „leider NEIN“, dem ich zwar noch ein höfliches „Sorry, aber zu spät!“ hinzufüge, aber dennoch wollen wir unsere Integrität wie auch Authentizität behalten und werden auch in Zukunft davon absehen, uns auf solche „Deals“ einzulassen. Wenn du aber ernsthaft nach Bands Ausschau halten willst, die sich aufgelöst haben und nur darauf warten, von dir gebucht zu werden, ich hätte da was für dich, haha, und zwar…, nee, ich sag‘ jetzt nix mehr.
Es überrascht mich ehrlich gesagt nicht wirklich, dass ihr eure Entscheidung dermaßen konsequent umsetzt. Für mich markiert ihr damit den ehrenhaften Schlusspunkt unter das Kapitel CATHEDRAL, das meiner Meinung nach immerzu von eurer Hingabe zur Musik und eurer Integrität geprägt war. Denn es ist völlig egal, welches Album man auch betrachtet, ihr seid euch in all den Jahren immerzu selbst treu geblieben, egal wie weit ihr euch stilistisch auch von den Ursprüngen entfernt habt.
Danke, solche Meinungen tun gut und bestätigen mich in Nachhinein einmal mehr in unserer Vorgangsweise. Und wie schon erwähnt, war es ja keine Bauch- oder gar Frustentscheidung oder dergleichen. Zum ersten Mal über das Ende der Band philosophiert und diskutiert hatten wir schon nach unserer 2010er Tournee. Dabei waren jedoch keineswegs Enttäuschung oder Stress im Spiel, die uns auf diese Idee brachten, dahinter steckt viel eher eine Art Reifeprozess. Lee und ich haben uns wirklich lange und intensiv mit diesem Gedanken beschäftigt, was denn wäre, wenn wir als CATHEDRAL nicht mehr existieren würden.
Nach langen Sitzungen und Besprechungen sind wir dann im Endeffekt zur Entscheidung gekommen, dass ein Ende wie wir es vor Augen gehabt haben für alle Beteiligten, also auch all für jene die außer der Band selbst noch in das Unternehmen involviert sind, die ideale Lösung darstellen würde. Und erst recht für unsere Fans, denn wir hatten schon 2011 bekanntgegeben, dass es eben so sein wird, sodass der Enttäuschungsmoment mit Sicherheit eingedämmt werden konnte, zumal wir uns auch ab diesem Moment sicher waren, dass es ohne ein letztes Album einfach nicht gehen kann.
Womit wir bei „The Last Spire“ angekommen wären. Einem, meiner Meinung nach mehr als nur gelungenen Teil, dass jedoch die durch den Abschied aus der Szene bei den Fans entstandenen Wunden mit Sicherheit noch einmal ordentlich aufreißen dürfte. Warum?
Weil man mehr CATHEDRAL als in Form der in den neuen Songs gebotenen Melange, die ganz offenbar als Inspiration alle eure Glanztaten beinhaltet, gar nicht liefern hätte können. Auch diesbezüglich muss ich mich zunächst für deine Worte bedanken, auch wenn ich, ohne angeben zu wollen, mit gutem Gewissen behaupten kann, dass wir uns noch viel länger Zeit gelassen hätten, wenn wir nicht von der Qualität des Ergebnisses überzeugt gewesen wären. Ein „Schnellschuss“ wäre für uns nämlich absolut tabu gewesen und uns somit auch erst gar nicht in den Sinn gekommen. Da hätten wir es wohl eher ganz bleiben lassen.
Sind die Songs denn nun wirklich brandneu, oder wurde eventuell übriggebliebenes Material verwendet?
Wenn Du mit „übriggeblieben“ das „recyclen“ von etwaigen Überschussproduktionen meinst, kann man hier sehr wohl von brandneuem Material sprechen. Allerdings sind die ersten Ideen bzw. Riffs bereits viele Monate, ja bis bis zu drei Jahren alt und daher so neu nun auch wiederum nicht. Das Komplizierteste beim Schreiben der Songs von „The Last Spire“ war für uns jedenfalls, dass wir uns selbst die Vorgabe auferlegt hatten, die Intensität unserer allerersten Veröffentlichungen zumindest annähernd erreichen zu können. Mich bitte jetzt nicht falsch zu verstehen, ich stehe sehr wohl hinter allen unseren Alben, doch dermaßen intensiv wie zu Beginn der Karriere klang die Band nie mehr.
Da deckt sich mein Eindruck dann also nahezu vollständig mit eurer Intention, oder?
Und deshalb habe ich mich auch bedankt, weil ich das auch so verstanden hatte, haha. Konstruieren mussten wir dafür aber dennoch nichts, viel eher kamen wir allesamt irgendwann wieder in den früheren Flow und es ging uns vieles wie von selbst von der Hand. Der Weg dorthin war aber hart und steinig. Dennoch ist es uns gelungen, uns kurz vor der Fertigstellung so zu fühlen, als würden wir unser erst zweites Album aufnehmen. Dass wir jetzt immer noch – oder eigentlich wieder – jede Menge unfertiges Material angesammelt haben ist quasi nebenbei passiert.
Dann könnte es ja immerhin – vielleicht zum fiktiven 25. Bandgeburtstag – eine Art Nachschlag geben? Eventuell in Form eines Pakets, auf dem auch noch Live-Mitschnitte und sonstige Gimmicks zu sehen und hören sind. Idee?
Tja, diesbezüglich hegen wir wirklich noch einen Plan, wenn auch bisher das Thema Veröffentlichungstermin noch nicht einmal diskutiert wurde. Kurzum, was auch immer noch von uns zu haben sein wird, es gibt dafür noch keinen bestimmten Zeitpunkt. Gerade durch die Tatsache, dass bislang nur eine einzige DVD von CATHEDRAL in Umlauf ist, besteht sehr wohl Nachholbedarf, darüber sind wir uns im Klaren. Auch über die Form selbst müssen wir uns noch unterhalten, allerdings sind wir in der glücklichen Lage, weder auf ein Label noch auf irgendjemand sonst angewiesen zu sein. Soll heißen, wenn wir uns einig sind und selbst mit dem Stoff zufrieden, gibt es eine Nachlieferung, sonst nicht. Am Material selbst wird es aber definitiv nicht liegen, denn wenn ich überlege, was alleine bei mir zu Hause an Beständen von Mitschnitten diversester Live-Shows archiviert ist, braucht man sich keinerlei Gedanken diesbezüglich zu machen. Ich aber schon, denn das muss man auch erst einmal sichten und schneiden – uaarggh.
Wie lange es auch immer dauern mag, eure Fans werden dieses posthume Geschenk mit Sicherheit mit offenen Armen entgegennehmen. Apropos Posthum: Wenn du die Geschichte von CATHEDRAL Revue passieren lässt, gibt es da Entscheidungen, die ihr nachträglich bereut? Oder gibt es gar reumütige Gedanken an diverse Situationen, in denen einfach die falschen Entscheidungen getroffen wurden, die euch einen heutzutage größeren Bekanntheits-Status vermiest haben?
Das ist verdammt schwer zu beantworten. Zum einen, weil wir nun eben allesamt um 23 Jahre älter geworden sind und wir – so hoffen wir zumindest, hähä – in dieser Zeit an Reife dazugewonnen haben. Unter dieser Voraussetzung gibt es dann logischerweise jede Menge Aspekte, die wir heute völlig anders sehen. Klarerweise gäbe es dadurch viele Entscheidungen, die wir mit der nötigen Reife anders getroffen hätten. Beispielsweise unseren zeitweiligen Umgang mit Businesspartnern, der mitunter eine Katastrophe war. Zu jammern gibt es meiner Meinung nach aber dennoch nichts. Im Gegenteil, wir sind mit allem was wir mit CATHEDRAL erreichen konnten durchaus zufrieden. Nicht zuletzt deshalb, weil wir uns in keiner Phase der Existenz verbiegen haben lassen und genau deshalb können wir auch nach dieser langen Zeit mit erhobenem Haupt zurückblicken und stolz auf unsere Tätigkeit sein.
Aber ich hab‘ noch etwas zu sagen: Danke, liebe Fans, dass ihr uns über solange Zeit die Treue gehalten habt und uns immer unterstützt habt! Ich meine, wie viele Bands gibt es überhaupt, die so lange im Geschäft sind? Außerhalb der Rock/Metal-Szene wohl nur ganz wenige, um auch einmal diesen Punkt zu präzisieren! Und das liegt exakt daran, dass WIR – also die gesamte Rock-und Metal-Szene – die treuesten Fans überhaupt haben. Danke im Namen von CATHEDRAL! Habt Spaß mit unserem letzten Album „The Last Spire“ und genießt das Leben!
Das tun wir Gaz, das tun wir – auch wenn uns ab sofort ein kleines Teilchen davon fehlen wird….nächstes Taschentuch bitte….
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