Burning Rain
Glühende Saiten im brennenden Regen
Special
Auch wenn es etwas mehr als zehn Jahre gedauert, hat ehe uns das von Doug Aldrich angeführte Unternehmen BURNING RAIN mit seinem dritten Album „Epic Obsession“ die Ehre erweist, sollte sich die Verwunderung über die Dauer dieser schöpferischen Pause in Grenzen halten. Der gute Doug hat ja bekanntlich seit nunmehr fast ebenso vielen Jahren gemeinsam mit David Coverdale die musikalischen Belange bei WHITESNAKE über und dürfte dadurch wohl kaum von Unterbeschäftigung geplagt sein.
Etwaige Fragen nach Langeweile oder mangelnder Inspiration sollten sich von daher also selbst erklären. Dennoch wirkt der Zeitpunkt der Veröffentlichung zunächst ein wenig erstaunlich, zumal BURNING RAIN beim selben Label unter Vertrag stehen und sich dieses aktuell mit Live-Alben von WHITESNAKE als nicht gerade geizig erweist. Der Klientel dürfte das aber nicht nur egal sein, sie sollte – ganz im Gegenteil – darüber jubilieren, denn die Handschrift des Gitarristen, der durch sein Engagement bei Ronnie James DIO zu Beginn des Millenniums seinen Bekanntheitsstatus binnen kurzer Zeit immens vergrößern konnte, prägt selbstredend auch dieses Album und macht es zu einem Gourmet-Menü für Verehrer von glühenden Saiten.
Durch die Tatsache, dass Doug immer noch mit Sänger Keith St. John (der des Weiteren übrigens unter anderem die Namen MEDICINE WHEEL, MONTROSE und QUIET RIOT in seiner Biographie stehen hat) zusammenarbeitet, wird die WHITESNAKE-Schlagseite mancher Nummern sogar noch ein wenig intensiviert, zumal man in Keith’s Timbre immer schon eine gewisse Nähe zu David Coverdale eruieren konnte. Nicht minder affin wirken BURNING RAIN auch zu LED ZEPPELIN, was jedoch weniger auf Keith, als auf die Jimmy Page-Schule von Doug zurückzuführen ist. Fast schon programmatisch wirkt da die saubere und solide Darbietung von „Kashmir“ als Bonus-Track.
Dass mir speziell auf Grund dieser Referenzen immer wieder Alex Beyrodt und VOODOO CIRCLE in den Sinn kommen, sollte nicht zuletzt auf Grund des Gitarrensounds fast schon logisch sein, wobei ich allerdings hinzufügen möchte, dass ich deren aktuellen Dreher sogar noch ein Spur näher an den beiden Referenzen zu verorten meine als „Epic Obsession“. Dennoch sei dieses Album – an dem übrigens neben den beiden fix zu BURNING RAIN zählenden Szene-Veteranen Sean McNabb (u.a. DOKKEN und QUIET RIOT) am Bass und Matt Starr (Ace FREHLEY) am Schlagzeug weiters auch noch „Drum-Fremdenlegionär“ Brian Tichy und der frühere BULLET BOYS-Rhythmusgeber Jimmy D’Anda mitgewirkt haben – allen Fans von gefühlvollen, aber dennoch mächtig bratenden Gitarren (glühende Saiten inklusive!), sowie speziell Freunden der erwähnten Bands ans Herz gelegt, die ein weiteres gelungenes Teil voll blues-infiltrierten Hardrock zu sich nehmen können! Scheint generell ein verdammt gutes Jahr dafür zu sein, dieses 2013! Dem nicht genug, sei auch noch darauf hingewiesen, dass es zeitgleich mit dem brandaktuellen Scheibchen auch die Chance auf „Nachhilfe“ in Sachen BURNING RAIN gibt.
Für all jene, die sich bis dato noch nicht mit der Band beschäftigt haben, aber auch für jene, die schon seit längerer Zeit nach den ersten beiden Scheiben des Unternehmens suchen, bekommen aktuell die Chance sich mit dem Backkatalog einzudecken, denn zeitgleich mit „Epic Obsession“ werden auch das selbstbetitelte 1999er Debüt, sowie das im Jahr darauf nachgereichte „Pleasure To Burn“ neu aufgelegt. Die in der Zwischenzeit offenbar nur noch ganz selten bis überhaupt nicht mehr aufzutreibenden Teile wurden selbstredend um Bonus-Tracks aufgefettet und auch neu abgemischt, wodurch der Kaufanreiz wohl nochmal deutlich ansteigen wird, auch wenn die Qualität der Scheiben an sich ausreichen müsste um sich mit dieser Formation intensiv zu beschäftigen. Gegründet wurden BURNING RAIN 1998 von Doug, der sich allerdings bereits davor einen guten Namen als Gitarrist und Songschreiber machen konnte und seit jeher dem melodischen Hardrock mit dezenter Blues-Note, aber auch reichlich Groove frönt, wenn leider nicht immer erfolgsgekrönt.
Nach einem vielversprechenden, aber im Endeffekt bis heute unterschätzten Karrierestart mit LION folgten nach einem kurzen Intermezzo bei HURRICANE mehrere Scheiben mit BAD MOON RISING (unterbrochen von einem Kurzgastspiel bei den HOUSE OF LORDS), bei denen sich Doug erneut mit dem schottischen LION-Fronter Kal Swan zusammentat. Diese Truppe konnte in Japan zwar riesengroß werden, der „Rest der Welt“ jedoch nahm deutlich weniger Notiz davon. Ob diese Tatsache dafür verantwortlich sein könnte, dass man sich 1998 trennte und Doug binnen kurzer Zeit BURNING RAIN an den Start brachte, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Rein musikalisch jedenfalls hätte „Burning Rain“ aber durchaus auch unter dem Banner BAD MOON RISING in Umlauf gebracht werden können. Der markanteste Unterschied liegt logischerweise im Gesang, denn Keith St. John klingt wesentlich erdiger, bluesiger und hardrockiger als der bei TYTAN („Rough Justice“ anyone?) in der NWOBHM groß gewordene Kal.
Zusammen mit Keith, Ian Mayo – einem weiteren BAD MOON RISING-Partner am Bass, der zwischenzeitlich auch mal bei HERICANE ALICE und BANGALORE CHOIR die dicken Saiten zupfte – und Drummer Alex Macarovich lieferte Doug also 1999 das elf Songs umfassende selbstbetitelte Debüt seiner neuen Spielwiese ab, das vielleicht vom optischen Aspekt her nicht zwingend das Interesse auf sich ziehen konnte, dafür mit „inneren Werten“ zu glänzen wusste.
Als herausragend würde ich die beiden ZEP/SNAKE-Groover „Can’t Cure The Fire“ und „Heaven’s Garden“ bezeichnen, aber auch das knackige, hook-verseuchte „Tokyo Rising“ klingt mehr als nur gelungen. Kein Zweifel also, dass sich Doug erhoffte, im Land der aufgehenden Sonne auch mit BURNING RAIN durchstarten zu können, wonach es zu Beginn auch durchaus aussah, weshalb man nur knapp mehr als zwölf Monate später „Pleasure To Burn“ nachgereicht hat.
Darauf zeigte sich Formation sogar noch ein wenig stärker in Sachen Ohrwurmdichte, zudem deutlich kompakter und auch von den Soli her viels(a)eitiger. Das Duo John / Aldrich schien sich gegenseitig mächtig zu inspirieren und zu Höchstleistungen anzuspornen, wodurch auch die Vielfalt des Klangspektrums gewachsen ist und so gibt es neben Brechern wie dem Opener „Fireball“, oder dem mächtigen „Metal Superman“ (das durchaus als Anzeichen für die weitere Zukunft von Doug zu erwähnen ist, hätte die Nummer doch glatt auch auf sämtliche DIO-Scheiben ab „Magica“ gepasst) selbstredend erneut melodiebetonte Hardrock-Kamellen in Band-typischer Ausführung („Love Emotion“, „Stone Cold ’n‘ Crazy“), aber auch Balladen wie „Faithfully Yours“, mit der sich Keith auch als Könner von schmachtender Melodik beweist.
Dennoch war das Unternehmen BURNING RAIN in jener Phase nicht wirklich von Glück gesegnet und so kam es, dass 2001 ein jäher Schlussstrich unter das Kapitel gezogen wurde. Dieses sollte jedoch keineswegs zu Arbeitslosigkeit der Musiker führen, denn Doug wurde wie schon erwähnt von Ronnie James DIO rekrutiert und Keith schloss sich Ronnie MONTROSE an. Gut zu wissen, dass sich die Herrschaften aber offenbar in all den Jahren keineswegs zerstritten haben und wir uns dieser Tage an ihrem brandneuen Dreher „Epic Obsession“ ergötzen dürfen. Welcome Back, BURNING RAIN!