Brutality
Der Diskografie-Check

Special

Nun haben wir in so einigen CD-Besprechungen immer wieder BRUTALITY als Referenz genannt, und auf unserer Seite findet man kein einziges Review dieser Florida-Legende. Asche auf unsere Häupter, da herrscht akuter Nachholbedarf. Daher möchten wir uns an dieser Stelle der Diskografie dieser außergewöhnlichen Band widmen.

Unter dem Namen BRUTALITY existiert diese Band mit Unterbrechungen seit 1987. Dabei gelang den Herren vor allem mit den beiden ersten Alben ein fulminanter Einstieg in die Death-Metal-Szene. Diese Mischung aus brachialer Brutalität und filigraner Melodik war zu diesem Zeitpunkt absolut innovativ. Und auch wenn BRUTALITY nach dem letzten Comeback 2012 mit ihrem vierten Album nicht mehr ganz an die Qualität von früher anknüpfen konnten, ist und bleibt die Band ein Vorbild für viele andere Kapellen. Den großen Ruhm haben eigentlich immer andere eingesackt, die Bewunderung der Fans jedoch war und ist BRUTALITY stets gewiss.

Vielleicht sind die Jungs sowas wie die Urväter des melodischen Death Metal, keinesfalls zu verwechseln mit Melodic Death! Aber das muss man den Experten natürlich eigentlich nicht extra sagen. Und die wissen natürlich auch seit den frühen 90er Jahren, dass Florida nicht nur ein Paradies für Rentner ist, sondern auch im Todesblei für jede Menge sonnige Gemüter sorgt.

Screams Of Anguish (1993)

Wie kann man den Einstieg von BRUTALITY in die Welt des Death Metals am besten beschreiben? Einschlag? Bombe? Explosion? Völlig egal, welches Wort davon am besten zutrifft, „These Walls Shall Be Your Grave“ haut einem direkt ein wahnsinniges Tempo und jede Menge melodisches Gefrickel um die Ohren. Und in der Tat kesselt dich die Mucke mit ihren meterhohen dichten Sound-Mauern umgehend ein, Entkommen unmöglich, zum Glück. Die Ideen sprühen nur so wie aus einer Fontäne, allerfeinste tiefe Growls wechseln sich mit kurzen prägnanten Screams ab, das Tempo wird laufende variiert und die Soli sind allesamt nichts Geringeres als Weltklasse. Genau diese Interpretation von unserem geliebten Death Metal hat uns damals bereits mit dem Opener völlig aus den Socken gehauen. Melodisch und brutal, die perfekte Kombination.

Dabei ist es völlig egal, welchen Song man sich herauspickt, „Ceremonial Unearthning“, „Septicemic Plague“, „Crushed“, „Cryptorium“ oder der vielleicht bekannteste „Spawned Illusion“, die Power von BRUTALITY ist einfach nur atemberaubend. Und wer sich in die Einstiegs-Melodie von „Cries Of The Forsaken“ nicht umgehend verliebt, der hat wohl Ohren aus Stein. Abwechslung, Melodik und Härte sind die drei Grundpfeiler des unglaublich eigenständigen Sounds, das schlug damals wirklich ein wie eine Bombe.

Der Einschlag, die Bombe, die Explosion

Verdammt cool sind auch die beiden Intermezzi „Sympathy“ und „Spirit World“. Die sorgen stets für einen harten Bruch im Ablauf und reißen einen völlig aus dem Death-Metal-Rhythmus. Aber sie gehören zu den ersten beiden Scheiben der Amerikaner ganz einfach dazu wie das Death zum Metal.

BRUTALITY haben mit „Screams Of Anguish“ gleich mal einen absoluten Klassiker in dieser Sparte veröffentlicht. Das gab es so vorher nicht, und in dieser unglaublich hohen Qualität auch danach kaum wieder. Die Jungs schenkten dem Todesblei-Kosmos einen verdammt coolen neuen Sektor, quasi Musik zum Träumen für die Harten.

Man hatte das Ganze damals beim ersten Hören vielleicht nicht so ganz verstanden und sicher nicht vollständig erfasst, aber man wollte immer mehr. Ja, BRUTALITY können absolut süchtig machen. Denn dieses Paket begeistert als Ganzes und bewegt sich beängstigend nahe an der Perfektion. Das einzige Problem mit dieser Scheibe war allerdings, dass hiermit die Messlatte gleich mal in schwindelerregender Höhe lag.

Note: 10 Punkte

Label: Nuclear Blast

Release: 28.09.1993

Anzahl Songs: 10

Spieldauer: 45:22

Tracklist:

1. These Walls Shall Be Your Grave

2. Ceremonial Unearthning

3. Sympathy

4. Septicemic Plague

5. Crushed

6. Spirit World

7. Exposed To The Elements

8. Cries Of The Forsaken

9. Cryptorium

10. Spawned Illusion

When The Sky Turns Black (1994)

Eine herausragende Leistung abliefern, ist das eine. Die dann aber zu bestätigen, ist nochmal eine ganz andere Hausnummer. Doch BRUTALITY können mit „When The Sky Turns Black“ fast an die Genialität des Debüts anknüpfen, und das erstaunlicherweise gerade mal ein Jahr später.

So ist man gleich mit dem eröffnenden Titeltrack sofort wieder mittendrin in der ganz eigenen Welt von BRUTALITY. Tonnenschwer, hoch melodisch, mächtig drückend, mega genial. Und die Vocals von Scott Reigel sind erneut ein Genuss. Unterschiede zum Debüt? Gibt es eigentlich nicht, obwohl natürlich der Überraschungseffekt diesmal fehlt, dafür aber die Erwartungshaltung umso höher war. Die Band knüpft einfach nahtlos an das geniale Debüt an, als sei es das natürlichste der Welt. Und die Jungs schütteln sich erneut unglaublich lässig und scheinbar mühelos die genialsten Melodien aus den Ärmeln, als Beispiel sei einfach mal stellvertretend „Race Deffects“ genannt.

Das nächste Ideenfeuerwerk

Erneut wird die Scheibe zweimal von Intermezzi hart unterbrochen. Und das ist auch gut so, dieses Stilmittel hätte man sonst nämlich schwer vermisst. Genau wie diese genialen Schreie zu Beginn von „Screams Of Anguish“, einfach herrlich. Und dann drückt dich die Walze wieder in die Furche, gnadenlos, einfach nur leiden und genießen. Manchmal scheint jedes Instrument einen anderen Song zu spielen, aber unterm Strich steht einfach nur geniale Mucke, ziemlich irre.

„Artistic Butchery“ hingegen ist einerseits so ein Beispiel dafür, dass diese Scheibe ist etwas düsterer und minimal weniger verspielt als das Debüt ist. Andererseits zieht dann „Shrine Of The Master“ nochmals alle Register, hier wird nochmals gefiedelt und soliert bis die Finger bluten. Und das BLACK SABBATH Cover „Electric Funeral“ fügt sich absolut nahtlos in dieses Album ein.

Soll man also trotzdem meckern? Ok, vielleicht ganz dezent hinter vorgehaltener Hand. Denn entweder fehlt im Vergleich zum Debüt diesmal der allerletzte Schuss Genialität, oder aber man hat sich einfach zu rasch an die enorme Klasse der Band gewöhnt. Schließlich reden wir auch hier von einer absolut beeindruckenden Scheibe. BRUTALITY sprühen also hier vielleicht nicht ganz so über wie auf „Screams Of Anguish“, stecken aber immer noch fast sämtliche Konkurrenz locker in die Tasche.

Der Blick in die Vergangenheit verklärt ja oft die Realität, das kennt jeder. Aber diese Band war ganz einfach bahnbrechend. Doch ein solcher Doppelschlag zu Beginn der Karriere ist kaum zu toppen. Und darunter würden in der Folge auch BRUTALITY zu leiden haben, das nennt man dann wohl den Fluch der guten Tat.

Note: 9 Punkte

Label: Nuclear Blast

Release: 15.11.1994

Anzahl Songs: 10

Spieldauer: 42:00

Tracklist:

1. When The Sky Turns Black

2. Race Deffects

3. Awakening

4. Electric Funeral (BLACK SABBATH Cover)

5. Foul Lair

6. Screams Of Anguish

7. Esoteric

8. Artistic Butchery

9. Violent Generation

10. Shrine Of The Master

In Mourning (1996)

Das berühmte und viel zitierte dritte Album, hier trennt sich ja oft die Spreu vom Weizen. In welche Richtung würde „In Mourning“ BRUTALITY führen? Der Opener „Obsessed“ gibt darauf noch keine endgültige Antwort. Man ist sofort wieder mittendrin in der brutalen Welt und findet erneut umgehend alle altbekannten und lieb gewonnenen Zutaten.

Es hat sich eigentlich kaum etwas verändert im Vergleich zu den ersten beiden Scheiben. Aber das Material ist vielleicht nicht mehr ganz so zwingend und irrwitzig genial. Das reicht zwar immer noch locker aus, um einem Großteil der Mitstreiter die Rücklichter zu zeigen. Aber natürlich muss man BRUTALITY vor allem an den eigenen Glanztaten messen, und da fällt diese Scheibe eben doch ganz leicht ab. Von „Pulver verschossen“ kann zwar nicht mal im Ansatz die Rede sein. Dennoch schleichen sich für die Verhältnisse dieser Combo eben doch ein paar ganz dezente Längen ein.

Das Haar in der Suppe

Die Aussage gilt aber ausdrücklich nicht für Kracher wie „Destroyed By Society“, „Died With Open Eyes“, „Subjects To Torture“ und vor allem den Volltreffer „Calculated Bloodshed“. Hier wird das gleiche Feuerwerk wie zuvor abgebrannt. BRUTALITY hatten einfach ihren Weg gefunden und gingen genau den stur geradeaus. Jeder Song hat einerseits eine gewisse Urgewalt und ist andererseits trotzdem filigran. Diese zwei Seiten von BRUTALITY muss man ganz einfach lieben.

Es werden zwar nicht mehr ganz so viele Ideen wie gerade auf dem Debüt verbraten, aber immer noch verdammt viele. Und BRUTALITY waren nie die Band der markanten Hits, die findet man auch hier nicht, das stört aber keineswegs bei diesem hohen Niveau. Diese ganz eigenen BRUTALITY-Soli sitzen weiterhin nahezu hervorragend, wenn auch vielleicht nicht mehr ganz mit diesem tödlichen Irrwitz.

Was einem jedoch sofort beim ersten Durchlauf auffällt, diesmal gibt es keine Intermezzi, aus welchem Grund auch immer. Das ist eigentlich sehr schade, schließlich waren die fast schon so etwas wie ein Markenzeichen der Band geworden.

Bei aller ganz dezenten Kritik muss man aber auch ganz klar feststellen, das wir es hier immer noch mit einem bockstarken Album zu tun haben. Es hat ganz einfach nur das „Pech“, sich mit zwei bärenstarken Vorgängern messen zu müssen.

Nach „In Mourning“ verloren die Jungs ihren Vertrag bei Nuclear Blast und tauchten erstmal für fünf Jahre ab. Dann versuchte man ein Comeback, bei dem allerdings nur ein Demo heraus sprang. Schließlich lösten sich BRUTALITY 2005 erneut auf, nachdem Gitarrist Larry Sapp kurz vor den Aufnahmen zum geplanten vierten Album verstarb. Aber das sollte es zum Glück noch nicht gewesen sein.

Note: 8 Punkte

Label: Nuclear Blast

Release: 02.08.1996

Anzahl Songs: 9

Spieldauer: 47:23

Tracklist:

1. Obsessed

2. The Past

3. Destroyed By Society

4. Waiting To Be Devoured

5. Died With Open Eyes

6. In Mourning

7. Subjects To Torture

8. Calculated Bloodshed

9. Extinction

Sea Of Ignorance (2016)

Im Jahre 2012 schließlich wagten BRUTALITY die erneute Reunion und veröffentlichten schließlich stolze 20 Jahre nach „In Mourning“ wieder ein Album. Während die jüngeren Fans diese Band sicher eher weniger kannten, hatten wir Alten schon irgendwie auf „Sea Of Ignorance“ gewartet. Schließlich war es in den 20 Jahren Veröffentlichungspause keiner Band gelungen, diesen Sound gleichwertig zu kopieren, das spricht für die mittlerweile älteren Herren.

Und auch nach all den Jahren der Entbehrung weiß man hier nach zwei Sekunden „Sea Of Ignorance“ sofort, welche Kapelle zum Tanz aufspielt. Erneut findet man immer wieder diese herrlich melodischen Harmonien und verdammt starke Soli. BRUTALITY haben definitiv fast nichts verlernt. Hervor heben muss man auf jeden Fall das düster startende „48 to 52“, den flotten Kracher „Fatal Cure“, „Tribute“ mit seinem fast schon träumerischen Einstieg oder aber das melodisch treibende „End Of Days“.

Der Neustart als Mutmacher

BATHORY covern hingegen ist generell ein gewagtes Unterfangen, vor allem für eine Death Metal Band. Und so liefert man zwar eine recht solide Version von „Shores In Flames“ ab, der jedoch Dramatik und Erhabenheit des Originals logischerweise ziemlich abgehen.

Unterm Strich steht letztlich ein gelungenes Comeback mit lediglich kleinen Makeln. So ist der Sound diesmal leider etwas dumpf und kraftlos, zudem findet man bei nüchterner Betrachtung schon ein paar Längen und ungewohnt eher unspektakuläre Passagen. Dennoch freute man sich vor vier Jahren als Fan einfach wahnsinnig, dass die Band wieder am Start war, und da sieht man ja auch über so manchen leichten Mangel gerne hinweg.

Trotzdem liegt das Niveau von „Sea Of Ignorance“ leider nicht mehr ganz auf dem Mitte der 90er Jahre. Das ist kein Vorwurf, denn das damals war fast schon übermenschlich, so etwas kannst du nicht einfach so wieder aus der Schublade zaubern.

BRUTALITY hätten vielleicht richtig groß (zumindest für Death-Metal-Verhältnisse) werden können, wenn es diese Veröffentlichungs-Pausen nicht gegeben und Nuclear Blast länger auf die Band gesetzt hätte. Hoffen wir einfach mal, dass uns diese Band noch viel zu sagen hat und bald mal wieder mit neuem Material um die Ecke kommt. Denn auch das kann es eigentlich noch nicht gewesen sein…

Note: 7 Punkte

Label: Repulsive Echo Records

Release: 22.01.2016

Anzahl Songs: 8

Spieldauer: 39:41

Tracklist:

1. Sea Of Ignorance

2. 48 to 52

3. Fatal Cure

4. Tribute

5. Perpetual Resolution

6. Barbarically Beheaded

7. Shores In Flames (BATHORY Cover)

8. End Of Days

01.04.2020
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