Boysetsfire
30 Jahre Spaß mit Freunden und sozial-politischer Aktivismus
Special
BOYSETSFIRE, die amerikanische Hardcore-Band aus Newark, Delaware, feiert ihr 30-jähriges Bestehen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1994 haben sie die Hardcore- und Post-Hardcore-Szene mitgestaltet und beeinflusst. Ihre Musik verbindet aggressive Energie mit politischem Bewusstsein, was sie zu einer der wichtigsten Stimmen der Hardcore-Szene gemacht hat. Ein Rückblick auf drei Jahrzehnte Bandgeschichte zeigt nicht nur ihre musikalische Entwicklung, sondern auch den Weg durch Höhen und Tiefen sowie persönliche Weiterentwicklung. Mit Josh (Bassist) und Nat (Sängerin) von BOYSETSFIRE blicken wir auf 30 Jahre BOYSETSFIRE zurück.
Die Anfänge und der Aufstieg
BOYSETSFIRE wurde von Nat Gray, Chad Istvan, und Josh Latshaw gegründet und schnell als Band bekannt, die es schaffte, Hardcore mit tiefgründigen, oft politisch motivierten Texten zu verbinden. Die Band kombinierte Melodic Hardcore mit emotionaler Intensität, was sie von vielen anderen Gruppen der Szene unterschied. Ihr erstes großes Ausrufezeichen setzten sie 1997 mit dem Album „The Day The Sun Went Out“, das ihre Fähigkeit zeigte, melodische Elemente und Hardcore-Passagen auf einzigartige Weise zu verschmelzen.
Ein entscheidender Moment kam 2000 mit dem Album „After The Eulogy“. Es gilt bis heute als Meilenstein in der Post-Hardcore-Szene und brachte der Band internationale Bekanntheit. Songs wie „Rookie“ und „After the Eulogy“ wurden Hymnen der Szene und verankerten BOYSETSFIRE als eine Band, die sowohl emotional tiefgründig als auch energiegeladen ist.
Diana: Was hat euch in den Anfangsjahren angetrieben?
Josh: Anfangs waren wir vor allem davon getrieben, dass wir immer mehr Menschen erreichen wollten und vor allem auch immer neue Songs schreiben wollten. Jedes Set, jede Show die wir spielten fühlte sich größer an als die vorherige. Das motivierte uns weiter zu machen.
Diana: Wie hat sich diese Motivation über die Jahre geändert?
Josh: Oh ja, das hat sich schon geändert. Wir waren anfangs sehr auf Wachstum orientiert, wir wollten touren und raus aus unserer Heimatstadt. Als wir dann nach „After The Eulogy“ zu einem Major-Label gewechselt sind, hat sich das grundlegend geändert. Die Manager und Anwälte sagten uns, dass wir großartig sind und dass es keinen Grund mehr für Wachstum gab. Wir sollten einfach unser Ding machen und Spaß haben. Und tatsächlich wurden wir dadurch viel glücklicher, weil wir es taten, wir beschlossen einfach, glücklich zu sein und Spaß mit unseren Freunden zu haben.
Diana: „After The Eulogy“ ist das Album mit dem ihr euren großen Durchbruch hattet. Mit eurer Musik, und vor allem auch mit „After The Eulogy“ wird gesagt, dass ihr einen großen Einfluss auf die Hardcore-Szene habt. Was denkst du, warum hat dieses Album so einen großen Einfluss?
Josh: Ich habe da auch schon drüber nachgedacht. Das Ding ist, bevor die Platte draußen ist, hast du einfach keine Ahnung, was sie bewirken wird. Wir waren uns zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass wir etwas Besonderes in den Händen hielten, erst später ist uns bewusst geworden das wir quasi Gold gefunden haben. Uns war es gelungen, diesen Shift zu kreieren und diese Balance von härteren Spielarten und melodischen zu finden. Es waren einfach ganz besondere Zeiten. Ich weiß nicht ob wir das heute nochmal so schaffen würden, also mit derselben Platte.
Diana: Du hast gerade gemeint, dass es euch gelungen war diese Balance zwischen Melodie und Härte zu finden. Wie ist es dazu gekommen, dass die Arrangements komplexer wurden und mehr melodische Parts in eure Musik einzogen?
Josh: Es war nicht rein zufällig. Wir hatten uns schon überlegt, dass wir neben den harten Songs auch Songs benötigen in denen melodische Parts integriert werden müssen. Andersherum waren wir uns aber auch einig, dass wir beispielsweise auch Schreiparts in den melodischen Parts haben wollen. Am Ende ist das dann einfach irgendwie passiert. Sagen wir mal, 20 Prozent waren geplant und 80 Prozent sind dann einfach passiert.
BOYSETSFIRE: Sozialer Aktivismus und politische Botschaft
BOYSETSFIRE ist nicht nur eine Band, die für ihre musikalischen Fähigkeiten geschätzt wird, sondern auch für ihre politische Haltung. Die Bandmitglieder sind für ihren sozialen und politischen Aktivismus bekannt und haben stets Themen wie soziale Gerechtigkeit, Antifaschismus und Gleichberechtigung in den Mittelpunkt ihrer Texte gestellt.
Diana: Nach „After The Eulogy“ sind ihr zu einem Majorlabel gewechselt und habt am Album „Tomorrow Come Today“ gearbeitet. Gerade weil „After The Eulogy“ so eine bahnbrechende Platte war, wie seid ihr an das nächste Album ran gegangen?
Josh: Ich erinnere mich, dass das wirklich ein unangenehmer Prozess für uns war. Wir hatten diese herausragende Platte gemacht, was sollte da noch kommen. Es ist die beste Platte die wir je hatten. Das ist in Ordnung, manche Bands schaffen nicht mal eine gute Platte, wir wussten das wir auch andere gute Platten machen können. Aber die Frage war auch was machen wir, sollen wir nochmal so eine Platte machen, weil es die Leute vielleicht erwarten? Emotional hat sich das alles nicht richtig angefühlt und auch die Sitzungen in denen wir gemeinsam an den Songs gearbeitet haben, haben weniger Spaß gemacht und waren auch einfach weniger natürlich.
Diana: Ihr habt damals auch das erste Mal mit anderen Menschen zusammengearbeitet, wie ist es dazu gekommen? Ging das von euch aus?
Josh: Ja, also das Label wollte definitiv das wir mit anderen Menschen zusammenarbeiten. Aber wir lehnten das kategorisch ab. Das waren nicht wir. Plötzlich waren wir in einer Phase, die das Label Vorproduktion nannte. Und wir mussten entscheiden, machen wir das mit? Gehen wir da jetzt rein in diesen Raum und nehmen wir jeden einzelnen Song auseinander und bauen ihn neu zusammen? Ich habe da am Anfang nicht dran geglaubt, denn vorher waren unsere Songs auch gut. Aber ich sag mal so, wir haben eine gute Lernkurve gehabt. Im Großen und Ganzen war „Tomorrow Come Today“ eine schwierige Geburt, bei „After The Eulogy“ ist das einfach so aus uns herausgekommen, „Tomorrow Come Today“ tat schon weh.
Diana: Ich kann mir vorstellen, dass diese Zeit eine schwierige Zeit für euch war. Wurde in dieser Zeit vielleicht die Vision „Spaß mit Freunden haben“ gebrochen?
Josh: Naja wir waren an einem Punkt angekommen in dem wir mehr Meetings, Gespräche und Diskussionen mit dem Management hatten, als das wir gemeinsam abhingen und Musik spielten. Also normalerweise sollte es so halb und halb sein, das war es aber nicht. Du kannst es aber nur schaffen, wenn du Spaß mit deinen Freunden hast. Das ist essenziell.
Diana: Das klingt wirklich hart. Wie seid ihr zum „Spaß mit Freunden“ zurückgekehrt?
Josh: Du, dass ist wirklich eine gute Frage, denn ich weiß nicht wie es passiert ist. Wir haben wirklich großes Glück, dass unsere Freunde immer wieder rauskommen, wenn wir Shows spielen. Und, dass sie loyal sind und an uns glauben und vor allem daran glauben mit uns eine gute Zeit zu haben. Aber es ist eben auch das, wenn wir auf die Bühne gehen, dann wollen wir im Hier und Jetzt sein und gemeinsam mit den Menschen die da sind, eine gute Zeit haben. Und wenn ich auf der Bühne stehe, dann fühle ich mich den Leuten so verbunden. Es ist ein unglaubliches Gefühl, welches ich nicht beschreiben kann.
Diana: Oh ja! Die letzte Show die ich von euch gesehen habe war im Juni 2023 im Leipzig, im Conne Island. Das war unglaublich, ihr seid auf die Bühne gekommen und die Energie im Raum hat sich geändert, ihr habt den Raum sofort eingenommen.
Josh: Ich liebe das Conne Island, ein wunderbarer Ort. Dennoch muss ich sagen, es nicht eine Show wie die andere, wenn du aber diese Magie entfesselst, gibt es nichts Vergleichbares.
Diana: Eure Texte sind oft politisch und gesellschaftskritisch. Wie wichtig ist es euch, dass eure Musik eine Botschaft hat?
Josh: Das war uns schon immer wichtig. Chad, Gray und ich waren 19, als wir BOYSETSFIRE gegründet haben. Und wir wollten eine Band die was aussagt, und mit dieser Band wollten wir auf Tour gehen, raus aus unserer Heimatstadt. Politik ist uns sehr wichtig, es ist das einzige für uns, über das wir singen können. Wir wollen unseren Fans nicht sagen, was sie denken sollen, aber wir möchten, dass sie denken.
Diana: Gab es in den vergangen 30 Jahren politische Ereignisse die eure Musik beeinflusst haben?
Josh: Für mich persönlich sind es eher historische Bewegungen. Die Politik in den USA ist für mich ein enttäuschendes Durcheinander. Aber die älteren Arbeitsbewegungen in den USA hatten einen großen Einfluss auf mich. Im Grunde geht es darum, die Arbeiterklasse dazu zu bringen, ihren Wert zu erkennen.
Tiefpunkte und Herausforderungen in 30 Jahren BOYSETSFIRE
Doch BOYSETSFIRE hat auch schwierige Zeiten durchlebt. 2007 gab die Band überraschend ihre Auflösung bekannt, was in der Hardcore-Szene für Bestürzung sorgte. Nach mehr als einem Jahrzehnt auf Tour und dem intensiven kreativen Prozess hatten die Mitglieder das Gefühl, dass sie eine Pause brauchten.
Doch das Ende war nicht endgültig. 2010 kamen BOYSETSFIRE zurück, stärker als zuvor, mit einem neuen Enthusiasmus für ihre Musik und ihre Fans. Sie veröffentlichten 2013 „While A Nation Sleeps“ und 2015 das selbstbetitelte Album „BOYSETSFIRE“.
Diana: Wenn wir auf 30 Jahre Bandgeschichte zurückschauen, lief mit Sicherheit nicht immer alles super. 2007 habt ihr euch offiziell getrennt, seid aber 2010 gemeinsam als Band wieder zurückgekommen? Was waren deiner Meinung nach die großen Herausforderungen dieser Jahre und wie kam es zur Reunion?
Josh: Wir scherzen tatsächlich darüber, wenn wir jemals wieder an diesen Punkt kommen, werden wir nicht sagen, dass ist das Ende und wir kommen nie wieder, denn ich kann dir nicht sagen ob ich jemals mit BOYSETSFIRE fertig sein werde. Diese Jahre in denen wir als Band getrennte Wege gegangen sind waren mit die schwersten für mich. Diese Band ist einfach meine Identität, mein zu Hause und irgendwie auch wie Therapie für mich. Unsere erste Show nach unserer Trennung war so eine T-Mobile Show und PANCI! AT THE DISCO haben damals für uns eröffnet. Und das hat sich richtig angefühlt und wir haben das dann einfach gemacht. Wir haben dann damals auch entschieden, dass wir nicht mehr mit unserem Manager zusammenarbeiten, sondern wir wollten mit befreundeten Labels zusammenarbeiten, mit denen wir reden können. Und so ist es dann dazu gekommen, dass wir mit End Hits Records unsere eigenen Sachen veröffentlichen.
Diana: Als Band hattet ihr in all den Jahren auch zweifelsohne Konflikte. Wie seid ihr Bandintern mit Konflikten umgegangen und wie habt ihr sie vor allem überwunden?
Josh: Absolut! Wir haben Grundregeln. Es gilt immer erstmal einen Vorschlag zu machen, bevor man auf seine Meinung beharrt. Wir sind da sehr demokratisch, auch wenn viele so ein Vorgehen vielleicht nicht mögen, aber es ist sehr wichtig und sehr schwierig. Immerhin ist so eine Band wie eine Ehe mit sechs Leuten. Und freundlich miteinander sein ist auch sehr wichtig.
Der Einfluss auf die Hardcore-Szene und Paradigmenwechsel
BOYSETSFIRE haben die Hardcore-Szene nachhaltig beeinflusst, nicht nur durch ihre Musik, sondern auch durch ihr Engagement für politische und soziale Themen. In diesem Zusammenhang adressiert die Musik von BOYSETSFIRE auch Themen wie Identität, Selbstakzeptanz und der Kampf gegen gesellschaftliche Normen, somit in all der Härte auch eine tiefere emotionale Ebene. BOYSETSFIRE haben es geschafft eine Brücke zwischen der Hardcore-Szene und einer breiteren Hörerschaft zuschlagen, die sich von ihrer emotionalen Intensität und ihrer klaren politischen Haltung angesprochen fühlte.
Nat, Frontfrau von BOYSETSFIRE, ging im Jahr 2018 einen mutigen Schritt, in dem sie sich öffentlich als transsexuell bekannte. Ihre Geschichte ist ein würdevolles Beispiel für den Wandel innerhalb der Szene – aber auch für die Herausforderungen, die Nat bewältigen musste, als sie sich öffnete und gegen diese Vorurteile antrat.
Eine tolerante Szene – aber nicht ohne Schattenseiten
Für viele gilt die Hardcore-Szene als ein offenes, integratives Umfeld bekannt, das Akzeptanz und Gemeinschaft förderte, gleichzeitig steht die Hardcore-Szene historisch betrachtet aber auch Rohheit, Aggression und oft auch toxische Männlichkeitsbilder. Viele Fans und Musiker verstehen sich jedoch als Teil einer Bewegung, die sich gegen Diskriminierung, Ungerechtigkeit und soziale Missstände stellte. Die Reaktionen auf Nats Coming-out zeigte das Spannungsfeld der Hardcore-Szene und macht deutlich, dass auch in einer so progressiven Szene Vorurteile und Hass existieren können. Während viele Nat für ihren Mut bewunderten und unterstützten, musste sie auch Anfeindungen und scharfe Kritik aus den Reihen einer Subkultur ertragen, die ihr einst als sichere Zuflucht erschien.
Trotzdem entschied sie sich diesem Hass entgegenzustellen und machte deutlich, dass in der Hardcore-Szene kein Platz für Intoleranz ist. Ihre Offenheit und Entschlossenheit führten nicht nur in Teilen zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema Akzeptanz in der Szene, sondern auch zu einer großen Welle der Unterstützung von Fans und Weggefährten, die die Werte von Vielfalt und Gleichberechtigung bekräftigten.
Der folgende Auszug entstammt aus einem Interview, welches bereits im Dezember 2023 mit Nat geführt wurde. Mit freundlicher Genehmigung von Nat dürfen wir hier den Bezug zu BOYSETSFIRE mit nutzen.
Diana: Nat, warum war es für dich an der Zeit eine neue Band zugründen?
Nat: Das ist eine wichtige Frage. Neben BOYSETSFIRE habe ich mit diesem Solo-Zeug angefangen um meine persönlichen Dinge zu verarbeiten, nur ich und meine Gitarre. Ich bin nun aber an einen Punkt gekommen, an dem ich das Gefühl hatte wieder zu einer Band zurückzukehren und mich auch wieder zu politischen und sozialen Dingen zu äußern. Das klingt jetzt seltsam, aber für mich hat sich BOYSETSFIRE nicht als der richtige Ort dafür angefühlt. Das darf auf keinen Fall falsch verstanden werden, BOYSETSFIRE – wir sind eine tolle Band, aber für mich war es an der Zeit, weiterzuziehen. Dazu muss man auch verstehen, dass 30 Jahre eine lange Zeit sind und wir haben als BOYSETSFIRE viel erreicht und dieses Vermächtnis ist etwas das respektiert und gefeiert werden muss. Und trotzdem verändert man sich in 30 Jahren Bandgeschichte. Der treffendste Unterschied zwischen BOYSETSFIRE und THE IRON ROSES ist die Art und Weise wie wir unseren Protest äußern. Gleichzeitig ist es für uns als THE IRON ROSES sehr wichtig einen Ort zu schaffen an dem sich jeder so wie er ist wohl und akzeptiert fühlt. Das ist was Essenzielles, denn wir erleben in unserem Alltag so viele Akte von Hass, Diskriminierung, Homophobie und all dem, aber uns ist es wichtig, dass dafür bei uns kein Platz ist und so kommen wir auch mit der Botschaft, dass all diese Negativität uns unseren Frohsinn nicht nehmen kann. Dafür ist einfach kein Platz mehr, wer das nicht versteht, kann gehen oder besser gesagt, muss gar nicht erst kommen.
Diana: Du beschreibst gerade, dass es auch mit dem Weg deiner Selbstfindung zutun hat. Du hast dich 2018 geoutet – ich persönlich kann nur erahnen, wie lange auch der innere Kampf dazu gedauert haben muss, und vor allem wie anstrengend dieser war.
Nat: Es war eine verdammt lange Reise. Ich erinnere mich an den Anfang von BOYSETSFIRE und wie ich ein paar Mal versucht habe mich zu outen, es war total schwierig – also nicht nur das, ich wusste auch nicht so richtig wer bin ich, denn es gab irgendwie keinen Namen dafür. Und so habe ich versucht genau das herauszufinden. Vieles habe ich versucht zu kompensieren, vielleicht auch zu überkompensieren mit extrem männlichen anmutenden Dingen. Also so Dinge die dunkel und männlich sind, wie der Bart zum Beispiel oder Alkohol und vielleicht habe ich auch versucht wie ein Arschloch zu sein, oder ich war es auch, weil ich innerlich so wütend war. In meinem Soloprojekt habe ich angefangen, das zu verarbeiten und meine Güte, ich habe auch erst vor kurzem eine Therapie angefangen. Und es geht mir gut, es tut mir gut so vieles zu verstehen, und ich muss an diesen schmerzhaften Dingen nicht mehr festhalten, ich kann sie los lassen und mich erfreulicheren zuwenden.
Diana: Letztendlich hast du dich geoutet, was für dich selbst ein wichtiger und notwendiger Schritt war. Auch wenn das vielleicht schwer ist, wie waren die Reaktionen und wie bist du damit umgegangen?
Nat: Also erstmal macht das für mich vieles einfacher und bequemer. Alles was ich mache wird immer mehr „ich“ und ich habe vor allem keine Angst mehr davor mich dem hinzugeben. Ich habe mich mit Josh darüber mal unterhalten, was die Reaktionen angeht. Wir als BOYSETSFIRE sind so groß, wir haben diese riesige Masse an Publikum und wir als Band sind sehr aktiv, sozial wie politisch. Und dann gibt es so Reaktionen, die vergleichbar sind mit den Reaktionen, wenn Fans plötzlich feststellen, dass RAGE AGINST THE MACHINE politische Texte schreiben. Und sie sind total entsetzt, weil sie vermutlich noch nie die Texte der Band gehört haben. Und so fühlte sich das auch für mich an, plötzlich diese Masse an Menschen, die nur an der Band dranhing ohne den tieferen Sinn zu verstehen. Das ist hart, und dafür ist aber auch einfach kein Platz. Wer meint Homophobie, Rassismus und derartiges verbreiten zu müssen, der kann gehen.
THE IRON ROSES setzt sich verstärkt für die LGBTQ+-Community ein und thematisiert sowohl persönliche als auch politische Kämpfe. Nats Coming-out und ihr entschlossener Kampf gegen Hass haben sie zu einer wichtigen Stimme für Offenheit und Vielfalt innerhalb und außerhalb der Hardcore-Szene gemacht. Das Coming-out war der Beginn eines neuen Kapitels für Nat, das nicht nur ihre persönliche Freiheit, sondern auch die Weiterentwicklung einer ganzen Subkultur vorantreibt.
Das gesamte Interview mit Nat und Becky zu THE IRON ROSES könnte ihr über mixcloud nachhören.
BOYSETSFIRE – neuer Song für krebskranken Freund
BOYSETSFIRE setzten sich immer wieder für soziale und persönliche Anliegen ein. 2015 gab es eine Spit-EP mit KMPFSPORT zu Gunsten von Sea Shepard und vor kurzem ist eine Spit-EP mit All Else Fails veröffentlich wurden, mit welcher sie ihren krebskranken Freund Gene unterstützen möchten.
Diana: Ihr habt am 1. Oktober ganz spontan einen neuen Song herausgebracht und dafür geworben ihn am Freitag auf Bandcamp zu kaufen. Ich glaube, der Song behandelt ein Herzensprojekt von euch. Magst du kurz erzählen wie es zu diesem Song kam?
Josh: Ja, also was du meinst ist, es geht um unseren sehr guten Freund Gene. Er ist seit 20 Jahren mit uns auf Tour, er ist ein wichtiger Teil unserer BOYSETSFIRE Familie. Und ich bekam einen Anruf von Rakus, er ist unser Bassist in den USA, und er hat mir erzählt das Gene Krebs hat, Stadium vier. Unser Gesundheitssystem in den USA ist wirklich nicht gut, er ist krank und wer krank ist kann nicht arbeiten. Er braucht also Unterstützung, vor allem auch finanzielle. Und da haben wir und unsere Freunde von All Else Failed gedacht, dass wir ihn mit einem digitalen Split Album unterstützen können. Album ist vielleicht etwas groß gesagt, wir sind mit dem Song First Person Crusader vertreten und All Else Failed mit dem Song Opposition. Und alle Einnahmen gehen an Gene und seine Frau, das ist das, was wir für die beiden tun können. Zudem gibt es auch eine GoFundMe Kampange, über welche die beiden unterstützt werden können.
Diana: Ich finde das eine wundervolle Idee! Aber warum nur über Bandcamp und warum sollte man den am Freitag kaufen?
Josh: Jeden Freitag auf Bandcamp ist es so, dass Bandcamp keine Prozente bekommt, sondern die Einnahmen komplett an die Band gehen. Daher, wenn ihr Musik kauft, kauft sie freitags auf Bandcamp!
BOYSETSFIRE blicken auf eine eindrucksvolle Karriere zurück. Ihre Fähigkeit, sowohl musikalisch als auch politisch Stellung zu beziehen, hat sie zu einer der bedeutendsten Bands der Hardcore-Szene gemacht. Es bleibt abzuwarten, welche neuen Kapitel sie in den kommenden Jahren schreiben werden.
Zum Schluss wollte ich von Josh allerdings noch wissen, was er jüngeren Bands raten würde, auch wenn, die Herausforderungen 1994 zu heute unterschiedlich sein mögen, dennoch gibt es auch viele Ähnlichkeiten.
Josh: Ich würde jungen Bands raten, vor allem Spaß zu haben und zu lernen, gemeinsam Musik zu schreiben und gemeinsam live zu spielen. So wird man meiner Meinung nach wirklich gut. Nun, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie Bands, die in diesen Tagen anfangen Musik zu machen, es schaffen sollen, denn es dreht sich alles um Social-Media-Präsenz, Branding und Marketing, Content und all das Zeug, davon verstehe ich überhaupt nichts, da bin ich vielleicht auch zu alt dafür. Aber gemeinsam Musik machen, gemeinsam die Bühne erobern, zusammen Spaß haben und das gemeinsam würdigen.
Diana: Josh, ich bin am Ende meiner Fragen. Möchtest du noch was los werden?
Josh: Ich möchte mich wirklich bei allen bedanken, die uns zugehört haben, eine Platte gekauft haben, ein T-Shirt gekauft haben, zu einer Show gekommen sind, sich die Augen ausgeweint haben, Blickkontakt hergestellt haben, wild getanzt haben. Das bedeutet uns mehr als ihr erahnen könnt. Dankeschön!