Boysetsfire
30 Jahre Spaß mit Freunden und sozial-politischer Aktivismus

Special

Der Einfluss auf die Hardcore-Szene und Paradigmenwechsel

BOYSETSFIRE haben die Hardcore-Szene nachhaltig beeinflusst, nicht nur durch ihre Musik, sondern auch durch ihr Engagement für politische und soziale Themen. In diesem Zusammenhang adressiert die Musik von BOYSETSFIRE auch Themen wie Identität, Selbstakzeptanz und der Kampf gegen gesellschaftliche Normen, somit in all der Härte auch eine tiefere emotionale Ebene. BOYSETSFIRE haben es geschafft eine Brücke zwischen der Hardcore-Szene und einer breiteren Hörerschaft zuschlagen, die sich von ihrer emotionalen Intensität und ihrer klaren politischen Haltung angesprochen fühlte.

Nat, Frontfrau von BOYSETSFIRE, ging im Jahr 2018 einen mutigen Schritt, in dem sie sich öffentlich als transsexuell bekannte. Ihre Geschichte ist ein würdevolles Beispiel für den Wandel innerhalb der Szene – aber auch für die Herausforderungen, die Nat bewältigen musste, als sie sich öffnete und gegen diese Vorurteile antrat.

Eine tolerante Szene – aber nicht ohne Schattenseiten

Für viele gilt die Hardcore-Szene als ein offenes, integratives Umfeld bekannt, das Akzeptanz und Gemeinschaft förderte, gleichzeitig steht die Hardcore-Szene historisch betrachtet aber auch Rohheit, Aggression und oft auch toxische Männlichkeitsbilder. Viele Fans und Musiker verstehen sich jedoch als Teil einer Bewegung, die sich gegen Diskriminierung, Ungerechtigkeit und soziale Missstände stellte. Die Reaktionen auf Nats Coming-out zeigte das Spannungsfeld der Hardcore-Szene und macht deutlich, dass auch in einer so progressiven Szene Vorurteile und Hass existieren können. Während viele Nat für ihren Mut bewunderten und unterstützten, musste sie auch Anfeindungen und scharfe Kritik aus den Reihen einer Subkultur ertragen, die ihr einst als sichere Zuflucht erschien.

Trotzdem entschied sie sich diesem Hass entgegenzustellen und machte deutlich, dass in der Hardcore-Szene kein Platz für Intoleranz ist. Ihre Offenheit und Entschlossenheit führten nicht nur in Teilen zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema Akzeptanz in der Szene, sondern auch zu einer großen Welle der Unterstützung von Fans und Weggefährten, die die Werte von Vielfalt und Gleichberechtigung bekräftigten.

Der folgende Auszug entstammt aus einem Interview, welches bereits im Dezember 2023 mit Nat geführt wurde. Mit freundlicher Genehmigung von Nat dürfen wir hier den Bezug zu BOYSETSFIRE mit nutzen.

Diana: Nat, warum war es für dich an der Zeit eine neue Band zugründen?

Nat: Das ist eine wichtige Frage. Neben BOYSETSFIRE habe ich mit diesem Solo-Zeug angefangen um meine persönlichen Dinge zu verarbeiten, nur ich und meine Gitarre. Ich bin nun aber an einen Punkt gekommen, an dem ich das Gefühl hatte wieder zu einer Band zurückzukehren und mich auch wieder zu politischen und sozialen Dingen zu äußern. Das klingt jetzt seltsam, aber für mich hat sich BOYSETSFIRE nicht als der richtige Ort dafür angefühlt. Das darf auf keinen Fall falsch verstanden werden, BOYSETSFIRE – wir sind eine tolle Band, aber für mich war es an der Zeit, weiterzuziehen. Dazu muss man auch verstehen, dass 30 Jahre eine lange Zeit sind und wir haben als BOYSETSFIRE viel erreicht und dieses Vermächtnis ist etwas das respektiert und gefeiert werden muss. Und trotzdem verändert man sich in 30 Jahren Bandgeschichte. Der treffendste Unterschied zwischen BOYSETSFIRE und THE IRON ROSES ist die Art und Weise wie wir unseren Protest äußern. Gleichzeitig ist es für uns als THE IRON ROSES sehr wichtig einen Ort zu schaffen an dem sich jeder so wie er ist wohl und akzeptiert fühlt. Das ist was Essenzielles, denn wir erleben in unserem Alltag so viele Akte von Hass, Diskriminierung, Homophobie und all dem, aber uns ist es wichtig, dass dafür bei uns kein Platz ist und so kommen wir auch mit der Botschaft, dass all diese Negativität uns unseren Frohsinn nicht nehmen kann. Dafür ist einfach kein Platz mehr, wer das nicht versteht, kann gehen oder besser gesagt, muss gar nicht erst kommen.

Diana: Du beschreibst gerade, dass es auch mit dem Weg deiner Selbstfindung zutun hat. Du hast dich 2018 geoutet – ich persönlich kann nur erahnen, wie lange auch der innere Kampf dazu gedauert haben muss, und vor allem wie anstrengend dieser war.

Nat: Es war eine verdammt lange Reise. Ich erinnere mich an den Anfang von BOYSETSFIRE und wie ich ein paar Mal versucht habe mich zu outen, es war total schwierig – also nicht nur das, ich wusste auch nicht so richtig wer bin ich, denn es gab irgendwie keinen Namen dafür. Und so habe ich versucht genau das herauszufinden. Vieles habe ich versucht zu kompensieren, vielleicht auch zu überkompensieren mit extrem männlichen anmutenden Dingen. Also so Dinge die dunkel und männlich sind, wie der Bart zum Beispiel oder Alkohol und vielleicht habe ich auch versucht wie ein Arschloch zu sein, oder ich war es auch, weil ich innerlich so wütend war. In meinem Soloprojekt habe ich angefangen, das zu verarbeiten und meine Güte, ich habe auch erst vor kurzem eine Therapie angefangen. Und es geht mir gut, es tut mir gut so vieles zu verstehen, und ich muss an diesen schmerzhaften Dingen nicht mehr festhalten, ich kann sie los lassen und mich erfreulicheren zuwenden.

Diana: Letztendlich hast du dich geoutet, was für dich selbst ein wichtiger und notwendiger Schritt war. Auch wenn das vielleicht schwer ist, wie waren die Reaktionen und wie bist du damit umgegangen?

Nat: Also erstmal macht das für mich vieles einfacher und bequemer. Alles was ich mache wird immer mehr „ich“ und ich habe vor allem keine Angst mehr davor mich dem hinzugeben. Ich habe mich mit Josh darüber mal unterhalten, was die Reaktionen angeht. Wir als BOYSETSFIRE sind so groß, wir haben diese riesige Masse an Publikum und wir als Band sind sehr aktiv, sozial wie politisch. Und dann gibt es so Reaktionen, die vergleichbar sind mit den Reaktionen, wenn Fans plötzlich feststellen, dass RAGE AGINST THE MACHINE politische Texte schreiben. Und sie sind total entsetzt, weil sie vermutlich noch nie die Texte der Band gehört haben. Und so fühlte sich das auch für mich an, plötzlich diese Masse an Menschen, die nur an der Band dranhing ohne den tieferen Sinn zu verstehen. Das ist hart, und dafür ist aber auch einfach kein Platz. Wer meint Homophobie, Rassismus und derartiges verbreiten zu müssen, der kann gehen.

THE IRON ROSES setzt sich verstärkt für die LGBTQ+-Community ein und thematisiert sowohl persönliche als auch politische Kämpfe. Nats Coming-out und ihr entschlossener Kampf gegen Hass haben sie zu einer wichtigen Stimme für Offenheit und Vielfalt innerhalb und außerhalb der Hardcore-Szene gemacht. Das Coming-out war der Beginn eines neuen Kapitels für Nat, das nicht nur ihre persönliche Freiheit, sondern auch die Weiterentwicklung einer ganzen Subkultur vorantreibt.

Das gesamte Interview mit Nat und Becky zu THE IRON ROSES könnte ihr über mixcloud nachhören.

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Quelle: Josh boysetsfire, Nat boysetsfire und THE IRON ROSES
18.10.2024

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1 Kommentar zu Boysetsfire - 30 Jahre Spaß mit Freunden und sozial-politischer Aktivismus

  1. Schraluk sagt:

    Schön dieses Interview. Und vh liebe BoySetsFire seit ihrer ersten Platten und die sind wohl mit Abstand die Band, die ich am öftesten in meinem Leben live gesehen habe.
    Und auch wenn ich BSF und ihr politisches Engagement sehr schätze, wäre es auch zur Abwechslung auch mal schön, wenn die unbequemen Fragen gestellt werden. Ich weiss, dass Nat eine Menge Struggles in seinem Leben hatte, über viele sprach er, und das Coming Out muss einer Befreiung gleichgekommen sein. Aber ich finde schon, dass man sich mit Aussagen der Sorte „Rassisten haben im Umfeld von BSF nichts zu suchen“ ein bisschen bedeckter halten sollte, wenn es Zeiten gab, an dem viele Menschen, gerade auch in Deutschland, Nat zur Seite nehmen mussten, um ihr sehr deutlich mitzuteilen, dass ekelhafte reaktionäre Sprache und Symbole vielen Fans mächtig vor die Birne kloppt und, dass das null klargeht. Auch wenn die verständliche Verzweiflung Auslöser von vielem Dünnsinn scheinbar gewesen ist. Ich finde niemand muss sich emotional nackt machen, vor niemandem. Aber wenn man schnell moralische Zeigefinger hebt, dann könnte man in der Analyse bei sich selbst beginnen.

    In diesem Sinne: BSF sind tot, lang lebe BSF❤️