Blind Guardian
Das meint die Redaktion zu "The God Machine"
Special
BLIND GUARDIAN haben sich für „The God Machine“ wahrlich Zeit gelassen. Sieben Jahre zwischen zwei Studioalben sind auch für die bekanntermaßen sehr tüftelfreudigen Krefelder eine ganze Weile, auch wenn die Band in dieser Zeit natürlich keineswegs untätig war. Ein üppig bestücktes Live-Album und das nach Jahren endlich vollendete Orchester-Projekt können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es endlich Zeit für neuen Stoff wurde.
In unserer Review ist das lange erwartete „The God Machine“ mit satten neun von zehn möglichen Punkten nur knapp an der Bestnote vorbeigeschrammt und auch BLIND GUARDIAN-Gitarrist André Olbrich gab sich im Interview überaus euphorisch. Ob diese Euphorie gerechtfertigt ist, haben wir pünktlich zum Release anhand einer kleinen aber feinen Redaktionsumfrage ergründet. Im Sinne der Objektivität haben Sven Lattemann, Jürgen Fenske, Johannes Werner, Oliver Di Iorio, Jannik Kleemann, Tim Otterbeck, Benedikt Brünnig, Patrick Olbrich und Dominik Rothe das neue Album also auf Herz und Nieren geprüft und sich dabei folgenden Fragen gestellt.
Mit welcher Erwartungshaltung bist du an das Album herangegangen?
Wie gefällt dir die stilistische Ausrichtung?
Welcher ist der beste und welcher der schwächste Song auf „The God Machine“?
Wie bewertest du das Album insgesamt?
Wieviele Punkte vergibst du?
Mit welcher Erwartungshaltung bist du an das Album herangegangen?
Nach der Ankündigung den Sound wieder etwas zu entschlacken war die Erwartungshaltung (und auch die Vorfreude) durchaus groß, ein direkter Anschluss an die glorreichen 1990er-Alben war zu erhoffen. Aber: Können die Herren überhaupt noch vom opernhaft-progressiven Sound der letzten Alben runter (und vielleicht ein bisschen „Twilight Orchestra: Legacy Of The Dark Lands“ wieder gut machen)? Hier blieben Zweifel. – Sven Lattemann
BLIND GUARDIAN haben einen sehr eigenen Sound. Diesen Sound erwarte ich auf „The God Machine“. Die typischen Trademarks von BLIND GUARDIAN sind irgendwo zwischen “Beyond The Red Mirror”, “At The Edge Of Time”, “A Twist In The Myth” und “Imagination From The Other Side”. – Jürgen Fenske
Da mir „At The Edge Of Time“ und „Beyond The Red Mirror“ sehr gut gefielen, habe ich erwartet, dass ich auch „The God Machine“ mögen würde. Die stilistische Ausrichtung hat mir Hansi im letzten gemeinsamen Interview bereits verraten und perfekt beschrieben. Dennoch bin ich überrascht, wie heavy die Platte tatsächlich geworden ist. – Johannes Werner
Erwartet habe ich bombastischen, symphonischen, orchestralen Stadion-Metal. Erhofft habe ich mir breitbeinigen, schnellen Power-Metal mit unvergesslichen Melodien. – Oliver Di Iorio
Prinzipiell mag ich jedes Album von BLIND GUARDIAN, aber die „Beyond The Red Mirror“ finde ich bis heute etwas sperrig. Daher habe ich mich gerade nach dem Release von Singles wie „Violent Shadows“ auf ein paar straighte Songs gefreut, die mich mehr abholen. – Jannik Kleemann
Da ich (vielleicht mit Ausnahme der älteren Werke) wenig mit BLIND GUARDIAN anfangen kann, bin ich dementsprechend auch mit wenig Erwartung an das Album herangetreten. Spätestens seit der „A Twist In The Myth“ komme ich nicht an ihrer stilistischen Auslegung des Power Metals heran. Dennoch wollte ich mal sehen, wie sich BLIND GUARDIAN im Jahre 2022 geben. – Tim Otterbeck
Bei jeder neuen BLIND GUARDIAN-Scheibe kann man sich auf die typischen Trademarks verlassen, aber man sollte auch immer das Unerwartbare erwarten. Hansi und seine Mannen überraschen regelmäßig mit neuen Elementen. Daher hatte ich die Hoffnung, dass BLIND GUARDIAN auf „The God Machine“ einige Oldschool-Passagen einbauen, ohne dabei sich selbst zu kopieren. – Benedikt Brünnig
Die letzte Platte der Barden, die ich ernsthaft gehört habe war „A Twist In The Myth“ aus dem Jahr 2006. Damals hatten mich BLIND GUARDIAN in ihrer Entwicklung ein wenig verloren, daher war ich gespannt, was 16 weitere Jahre aus den Krefeldern gemacht haben. – Patrick Olbrich
Nachdem BLIND GUARDIAN mich mit dem Bombast auf „Beyond The Red Mirror“ verloren hatten und das Orchesteralbum bei mir ebenfalls nicht zündete, war ich bezüglich einer neuen Platte skeptisch. Doch als sie beim Wacken World Wide 2020 mit „Violent Shadows“ einen überraschend schnörkellosen neuen Song präsentierten, hatten sie mich wieder gepackt. Daher bin ich optimistisch an „The God Machine“ herangegangen. – Dominik Rothe
Wie gefällt dir die stilistische Ausrichtung?
Als großer Fan der „Imaginations From The Other Side“ und der „Nightfall In Middle-Earth“ trifft das Album genau den richtigen Ton. Die Songs sind geradeheraus, nicht zu überladen oder gar verkopft und dennoch episch. – Sven Lattemann
Mir gefällt die stilistische Ausrichtung sehr gut. „The God Machine“ bildet eine Klammer zwischen den 90ern und den neuen Werken ab “A Twist In The Myth”. Die Anknüpfung an die 90er-Werke ist BLIND GUARDIAN sehr gut gelungen und die Herren drücken bei dem ein oder anderen Track mächtig auf das Tempo. – Jürgen Fenske
Ich denke, es ergibt nach dem TWILIGHT-ORCHESTRA-Projekt und der letzten sehr orchestralen, aber auch sehr harten Scheibe absolut Sinn, dass die Konturen geschärft und die Songs entschlackt wurden. Gitarren und Drums knallen wie auf den besten Neunziger-Alben; wobei sich die Melodieführung erfrischenderweise eher an den letzten Outputs orientiert. Sehr, sehr gut! – Johannes Werner
Für mich ist „The God Machine“ die perfekte Metapher für Begriffe wie „Wall Of Sound“ oder „Überproduktion“. BLIND GUARDIAN waren nie schmutzig, die Entwicklung der Band ist für mich dennoch besorgniserregend glattgebügelt. – Oliver Di Iorio
Mir gefällt, dass auf dem Album auch wieder ein paar schnelle Brecher vorhanden sind, die an die glorreichen 90er Jahre erinnern, ohne diese zu kopieren. BLIND GUARDIAN gelingt hier wieder eine gute Mischung aus Weiterentwicklung und Rückbesinnung, so wie zuletzt bei „At The Edge Of Time“. – Jannik Kleemann
Mir persönlich ist auch „The God Machine“ zu viel des Guten. Mir kommen die Stücke einfach an manchen Stellen unnötig sperrig und an anderen zu gewollt opulent daher (z.B. „Life Beyond The Spheres“, „Deliver Us From Evil“). Phasenweise kann das Ganze mal gut unterhalten, doch über das ganze Album hinweg fühlt es sich einfach nur lang und wierig an. – Tim Otterbeck
BLIND GUARDIAN haben es geschafft, den Spirit ihrer Anfänge ins Jahr 2022 zu transportieren und dabei frisch und melodisch zu verpacken. „The God Machine“ klingt oldschool im modernen Gewand. – Benedikt Brünnig
Tatsächlich wurde der Weg, dessen Linie ich Mitte der 00er-Jahre zu verlieren drohte, konsequent weitergeführt. André Olbrich und Markus Siepen an den Gitarren haben nach wie vor ein feines Gespür, für berührende Melodien, doch die Gesamtausrichtung hat leider weder den Vibe der alten Speed-Alben noch der pathetischen Werke wie „A Night At The Opera“. – Patrick Olbrich
Ich hatte nicht daran geglaubt, nochmal eine BLIND GUARDIAN-Platte zu hören, die so sehr an die Hochphase der Band in den 90ern erinnert. Zumal die Krefelder sich trotzdem zu keiner Sekunde bei der Fraktion anbiedert, für die alles nach „Imaginations From The Other Side“ zu viel war. Der Spagat zwischen teilweiser Rückbesinnung auf alte Tugenden und musikalischer Weiterentwicklung gelingt der Band perfekt. Da muss man als Fan die in oder andere Freudenträne verdrücken – oder lässt sie einfach laufen. – Dominik Rothe
Welcher ist der beste und welcher der schwächste Song auf „The God Machine“?
Besonders gelungen ist „Secrets Of The American Gods“ mit seinem Ohrwurm-Refrain und dem spannenden Aufbau. „Destiny“ ist ein eher schwacher Rausschmeißer, hier wäre nochmal ein richtiges Ausrufezeichen toll gewesen – solider Titel, aber ansonsten nicht sonderlich aufregend. – Sven Lattemann
Schwache Songs befinden sich nicht auf „The God Machine“. Es macht ebenso wenig Sinn einen Track als herausragend einzustufen. BLIND GUARDIAN bewegen sich mit allen Songs zwischen herausragend und sehr gut. – Jürgen Fenske
Der Beste: Das einfühlsame „Let It Be No More“, das QUEENSRŸCHE-Flair mit einem Slash-mäßigen Solo und fantastischem Hansi-Gesang verbindet.
Der Schlechteste: Der Opener „Deliver Us From Evil“. Aber es gibt keine schlechten Songs auf dem Album. – Johannes Werner
Schwächster Song: „Secrets Of The American Gods“. Das Finale, also bitte. Cheesy as cheese can.
Bester Song: „Violent Shadows“. Eine kurze, heftige Reinkarnation früherer Großtaten und hätte sich ebenfalls auf „Somewhere Far Beyond“ oder „Tales From The Twilight World“ sehr gut eingefügt. – Oliver Di Iorio
Bester Song – „Damnation“, weil er mit seiner Mischung aus Hochgeschwindigkeit und Epicness einfach das perfekte BLIND-GUARDIAN-Feeling transportiert.
Schwächster Song – „Let It Be No More“ – Der Song ist eine okaye (Halb)-Ballade, kickt aber nicht so wie der Rest des Albums. – Jannik Kleemann
„Secrets Of The American Gods“ ist tatsächlich ein Song, der es durchaus auf meine Playlist schaffen könnte. Das sind BLIND GUARDIAN wie man sie noch von früher her kennt. Die übertrieben auf Loudness getrimmte Ballade „Let It Be No More“ dagegen wäre nicht notwendig gewesen. – Tim Otterbeck
Schwächster Song: „Life Beyond The Spheres“. Der Song zieht sich etwas und geht nicht so gut ins Ohr wie die restliche Platte. Daher eventuell auch nur eine Momentaufnahme.
Stärkster Song: „Damnation“. Der Song hat einfach alles, was einen Blind Guardian Song ausmacht. Einen ruhigen melodischen Einstieg, eine schnelle, explosive Steigerung, einen starken Refrain und diverse Rhythmuswechsel ohne jemals unstrukturiert zu werden, und über Allem liegt Hansis Gesang. Top! – Benedikt Brünnig
„Secrets Of The American Gods“ – die Singleauskopplung schafft es, wie schon der Opener, epische Atmosphäre, Songwriting on point und Progressivität zu kombinieren, sodass mehr als sieben Minuten im Fluge vergehen.
„Life Beyond The Spheres“ – steht für mich hier sinnbildlich für einen Song, der seine Zugehörigkeit über die komplette Songlänge sucht, sich aber irgendwie selbst im Weg zu stehen scheint. – Patrick Olbrich
Bester Song ist für mich momentan „Violent Shadows“, weil er alles zusammenfasst, was ich an BLIND GUARDIAN liebe. Einen schwachen Song gibt es nicht, aber wenn, dann wäre es die Ballade „Let It Be No More“, weil sie nicht an frühere Großtaten wie „A Past And Future Secret“ heranreicht. – Dominik Rothe
Wie bewertest du das Album insgesamt?
„The God Machine“ ist ein Ausrufezeichen einer Band, die sich auf ihre Stärken besinnt. Flott und eingängig sind die Songs, dennoch ausgereift. Natürlich fehlt die ungestüme Art der ersten Alben, aber „The God Machine“ hätte gut in den 1990er-Kanon gepasst. Alles nicht so stark wie „Imaginations From The Other Side“, aber doch absolut gelungen. – Sven Lattemann
BLIND GUARDIAN liefern die erwartete hohe Qualität. „The God Machine“ reiht sich problemlos in die überragende Diskografie von BLIND GUARDIAN ein und ein weiteres Top-Album gesellt sich im Stil der 2000er Jahre dazu. – Jürgen Fenske
Die um ein Vielfaches direktere Ausrichtung bekommt BLIND GUARDIAN wirklich gut, da „The God Machine“ ein sehr kurzweiliges Album ist, das einen präzisen roten Faden verfolgt: Bock auf Metal! Die großen, erhabenen Momente; die potenziellen Live-Chöre, die progressiven Schlenker und detailreichen Arrangements haben sie immer noch drauf. Doch in Punkto Präzision und Fokussiertheit kann sich nur ein Album mit „The God Machine“ messen und das ist „Imaginations From The Other Side“. – Johannes Werner
All die zugekleisterten Harmonien und tonnenschweren Overdubs, verderben den Hörgenuss dahingehend, als dass kaum Melodien, Riffs und Soli in Erinnerung bleiben. Die beiden Ausnahmen „Violent Shadows“ und „Architects Of Doom“ können leider nur bedingt Linderung verschaffen. Beim nächsten Mal wünsche ich mir wieder mehr Mut zur Lücke und das sich BLIND GUARDIAN auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, denn das reicht bei dieser Band zu einem nahezu perfekten Album. – Oliver Di Iorio
Es hat der Band gut getan, dass sie sich auf neun Stücke in 50 Minuten konzentriert haben, dadurch wirkt „The God Machine“ insgesamt deutlich tighter und kompakter als „Beyond The Red Mirror“, das zwar auch seine Momente hatte, aber die Spannung über 80 Minuten nicht durchweg halten konnte. Auf diesem Album zeigen BLIND GUARDIAN, dass sie anno 2022 immer noch nicht zum alten Eisen gehören und dass die lange Wartezeit zwischen den einzelnen Meisterstücken sich mal wieder gelohnt hat. – Jannik Kleemann
Abgesehen von meiner persönlichen Einstellung gegenüber BLIND GUARDIAN muss ich zugeben, dass sie hier kein schlechtes Album vorlegen. Im Vergleich zu manch anderen Power-Metal-Kapellen aus Deutschland springen sie hier deutlich höher als die Messlatte. Dennoch bleibt es gewohnte Kost, die die Fans eben befriedigen wird. Von einem Meilenstein innerhalb der Diskographie ist es aber noch weit entfernt. – Tim Otterbeck
BLIND GUARDIAN kehren zu härteren, weniger sypmhonischen Klängen zurück und konzentrieren sich damit mehr auf starke Refrains und ihre typischen Riffs. Der Bombast wurde klar etwas heruntergefahren, sodass ein richtig starkes Metal-Album – und kein Orchester-Album – dabei entstanden ist. – Benedikt Brünnig
Mit „Deliver Us From Evil“, „Damnation“ und „Secrets Of The American Gods“ ein bärenstarker Start, dem es gelingt, nostalgische Speed-Passagen, progressives Songwriting und epische Hymnen miteinander zu kombinieren. Leider kann „The God Machine“ die selbst gesteckte Höhe im weiteren Verlauf nicht überspringen. Trotzdem immer wieder gute Momente wie im balladenartigen „Let It Be No More“ oder im deutlich härteren „Blood Of The Elves“ ersichtlich sind, verkopfen sich BLIND GUARDIAN für mich zu häufig in den eigenen Arrangements. Nichtsdestoweniger sorgt alleine das musikalische Gespür der Protagonisten dennoch für ein gutes Album. – Patrick Olbrich
„The God Machine“ stellt eine dringend nötige Entschlackung des BLIND GUARDIAN-Sounds dar. In Sachen Bombast hatten die Krefelder spätestens mit „Legacy Of The Dark Lands“ das Ende der Fahnenstange erreicht. So ganz verzichten sie nicht auf massive Chöre und Orchesterelemente, aber setzen beides gezielter und damit effektiver ein als zuletzt. Definitiv ein weiteres Highlight in der BLIND GUARDIAN-Diskografie. – Dominik Rothe
Wie viele Punkte vergibst du?
8/10 – Sven Lattemann
10/10 – Jürgen Fenske
9/10 – Johannes Werner
5/10 – Oliver Di Iorio
8/10 – Jannik Kleemann
7/10 – Tim Otterbeck
8/10 – Benedikt Brünnig
7/10 – Patrick Olbrich
9/10 – Dominik Rothe