Bleeding Through
Kalifornisches Opus magnum aus der Perspektive einer apokalyptischen New Yorker Winternacht.

Special

Der immense Erfolg BLEEDING THROUGHs spricht für sich: Insgesamt über 300.000 verkaufte Platten, unzählige Touren, davon auch dieses Jahr eine US- und Europa-Tour mit BULLET FOR MY VALENTINE. Zu Recht dürfen Fans auf das neue Album „Declaration“ gespannt sein, das am 30. September 2008 erscheint. Sänger Brendan Schieppati bezeichnet das Album selbst als sehr aggressive Platte, die alles umfasst, was BLEEDING THROUGH je als Band versucht hätten zu erreichen und die Messlatte noch einmal höher ansetzen würde. Metal.de durfte im Vorab schon mal in das Gesamtwerk für euch reinschnuppern.

Aufgenommen wurde das neue BLEEDING THROUGH-Album mit Devin Townsend, der bereits LAMB OF GOD und DARKEST HOUR produzierte.

Man stelle sich eine verschneite Nacht im winterlichen New York City vor. Der Schneesturm weht mir eisig um die Ohren, ich höre Finnis fatalis spei, das Intro der Platte – eine düstere Melodie, die das schicksalhafte Ende der Hoffnung verkündet. Die Sicht ist von den Schneewehen getrübt, die Hoffnung versiegt, die Verzweiflung naht.

Brandan Schieppatis Schrei fährt durch die Dunkelheit: „Tonight we dine in hell!“ Der Titelsong Declaration (You can’t Destroy What You Can Not Replace) ertönt. Die Verzweiflung weicht der Aggression. Ich kämpfe mir den Weg durch den Sturm ohne den Weg zu kennen. Mein Herz schlägt im Takt der Maschinengewehr-ähnlichen Blast Beats, doch ich lasse mich nicht aufhalten. Aggressives, tiefes Shouten, abgefahrene Synthie-Melodien und dramatische Gitarren- und Bass-Läufe in feinster Death Metal-Manier begleiten mich und stürmen ihrem Ende zu, um fast noch aggressiver einen Neuanfang in Orange County Blonde And Blue zu finden. Wer sich mir noch in den Weg stellt, wird umgemosht. Im Geiste sehe ich den Pit beben, die Kälte weicht der imaginären Hitze.

Der nächste Song. Germany. Das Gitarrenintro setzt den Gewehr-artigen Sound fort. Schrei auf Anschlag. Mit festem Schritt schreite ich durch den Schnee. Mitten durch hupende Autos, Großstadtlichter, Großstadtlärm, den ich ignoriere. Virtuosität und Disharmonien. Man könnte meinen, ich sei dem Wahnsinn nahe. Doch dann legt der Sturm sich ein wenig, der Himmel überzieht sich mit dunklen Wolken und überschüttet mich letztendlich mit kaltem Winterregen.

There Was A Flood beginnt mit sanften Akkorden und melodischen Keyboardmelodien, wird mit Einsatz des Gesanges härter, doch bleibt wesentlich sanfter als die drei vorhergegangenen Songs. Der Song verbreitet eine düster-apokalyptische Stimmung, die mein Herz mit Melancholie überdeckt.

French Inquisition verbreitet die endgültige Weltuntergangs-Stimmung. In meinem Kopf rollen Köpfe, die Geschichte zieht an mir vorbei und führt mir ihr Leidwesen vor. Der Text spricht mir aus dem Herzen („This is a fucking nightmare./ Or just the worst night of my life.“) Doch trotz aller Dunkelheit strotzt dieser Song voller Stärke und Willen.

Reborn From Isolation löst den letzten Funken Melancholie und die Isolation des Hörers auf und verwandelt sich nun in vollkommene Aggressionen, der an vielen Stellen durch tiefes Growlen und schleppende Mosh-Parts Ausdruck verliehen wird.

Death Anxiety zählt wiederum zu den Songs, die die Aggression der Songs mit einer gewissen Weltuntergangsmelancholie verbinden, die besonders schön in den cleanen Gesangsparts zum Ausdruck kommt. Auf der einen Seite steht die Verzweiflung und die Todesangst, auf der anderen Seite steht die Stärke durch Akzeptanz des Schicksals.

The Loving Memory Of England führt zu einem musikalischen Umbruch in der Platte. Der experimentelle Song beginnt mit einem tiefen Seufzer und ist nicht nur der langsamste, sondern mit 1:27 Minuten der kürzeste Song auf der Platte. Der Regen vermindert sich, bis nur noch ein leichtes Nieseln übrig ist. Doch der eisige Wind streicht weiterhin über mein Gesicht. Ich halte inne. Statt fette Blast Beats wird der tieftraurige, nostalgische Gesang lediglich von einer seichten, gezupften Melodie auf der Gitarre und dem Wehen des Windes umrahmt.

Umso krasser kommt Beneath The Grey daher, indem es die Aggression von zuvor aufgreift, als wäre sie nie fort gewesen. Mein Weg durch das Dunkel geht weiter. Am Horizont beginnt sich das rabenschwarze Tief der Nacht zu lichten und wird abgelöst durch einen Übergang von Dunkelgrau zu Blutrot. Der Morgen naht, ich spüre, das Ziel ist nicht mehr weit.

In Seller’s Market treibt mich Schieppatis‘ geschrieenes „Straight To Hell“ an wie ein durch Sporen getriebenes Pferd. Letztendlich bin ich angekommen. Sister Charlatan bildet das Finale des Opus magnum. Die Sonne erstreckt sich mit blutroten Strahlen über die Stadt, die niemals schläft. Das Morgengrauen der Apokalypse. Die prophetische Stimmung hat ihren Höhepunkt erreicht. Bassist Ryan Wombacher stellt mit herzzerschmetternden Melodien sein Gesangstalent in dem Clean-Part, dem ersten von ihm gesungenen Chorus, unter Beweis. Der Song ist mein persönlicher Favorit. Er endet mit einer ähnlichen Melodie wie das Intro. Ich stehe im Regen und blicke in die ersten Sonnenstrahlen des Tages. Das perfekte Finale einer großartigen Platte. Als ich aus meinem Traum erwache, bin ich begeistert.

„Declaration“ ist ein genial düsteres Album, das gleichsam den Moshpit beben lässt, wie auch die Seele berührt – harte Blastbeats treffen herzzerreißende Melodien wie aus einem kalifornischen Winter. Ein Album für die Verlorenen, Vergessen, Betrogenen und gebrochenen Herzen, aber auch für alle anderen, die Bock auf ein verdammt gutes, dunkles und aggressives Album haben.

31.07.2008
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