Black Sabbath
Der Geburtsschrei des Heavy Metal - 40 Jahre BLACK SABBATH-Debüt

Special

Black Sabbath

What is this that stands before me?
Figure in black which points at me
Turn around quick, and start to run
Find out I’m the chosen one
Oh nooo!

(aus BLACK SABBATH – „Black Sabbath“)

Es brach nicht an einem schwarzen Sabbat, aber immerhin an einem dem Volksglauben nach besonderen Unglückstag über die Welt herein: Vor nun 40 Jahren, an einem Freitag, den 13. Februar 1970, wurden die oben stehenden Zeilen für die breite Öffentlichkeit erstmalig hörbar – BLACK SABBATH, eine junge Band aus Birmingham, veröffentlichte ihr selbstbetiteltes Debüt-Album.

Der die Scheibe eröffnende Titeltrack sollte zur Blaupause des Heavy-Metal-Liedes und die Langspielplatte rückblickend zum Geburtsschrei eines ganzen Musikgenres werden, in dem sich vier Dekaden später abertausende Bands tummeln und mit ihren Klängen einen wichtigen Platz im Leben von Millionen musikbegeisterten Menschen einnehmen.

Anlässlich des runden Jubiläums dieser wertvollen Pionierleistung ist es angebracht, der ersten und wichtigsten Metal-Band aller Zeiten Tribut zu zollen und die Anfänge der Gruppe sowie Entstehung und Wirkungsgeschichte des legendären „Black Sabbath“-Albums ein wenig zu beleuchten. Darüber hinaus war die Redaktion in den letzten Wochen fleißig, um euch ein vollständiges Angebot an Rezensionen zu den zahlreichen BLACK SABBATH-Veröffentlichungen der letzten 40 Jahre bereitzustellen.

 

Kapitel

BLACK SABBATH – Die Anfänge

„Birmingham war ein sehr raues Pflaster, als wir aufwuchsen… Musik war ein Weg heraus. Wir waren alle in Gangs, aber wir wollten nicht in Gangs sein – wir wollten in Bands sein.“ So beschrieb der 1948 geborene Frank Anthony „Tony“ Iommi, der schon früh unter dem Einfluss der Instrumentalgruppe THE SHADOWS und ihrem Gitarristen Hank Marvin zum Sechssaiter gegriffen hatte, die Jugend in Aston, einem Stadtteil der englischen Arbeiterstadt Birmingham.

Im August 1968, eineinhalb Jahre vor dem bahnbrechenden BLACK SABBATH-Debüt, hatte sich seine Band MYTHOLOGY aufgelöst und er und deren Schlagzeuger Bill Ward suchten Mitmusiker, um eine neue Bluesrock-Band zu formieren. Man fand diese in den beiden alten Schulkameraden Ozzy (bürgerlich John Michael) Osbourne (Gesang) und Terry “Geezer“ Butler (Bass), deren vorherige Formation namens RARE BREED sich etwa zeitgleich aufgelöst hatte. Osbourne hatte über einen Aushang in einem lokalen Plattenladen auf sich aufmerksam gemacht und gemeinsam rief man die POLKA TULK BLUES BAND ins Leben.

Der Initiator äußerte sich fast 35 Jahre (2002) später in einem Interview über das Zusammenfinden der Band: „Ich spielte in einer Gruppe namens RARE BREED, aber der Gitarrist nervte mich sehr. Tony und Bill spielten auch in Bands, aber da sich alle etwa zur gleichen Zeit auflösten, kamen wir zusammen. Es war lustig, ich kannte Tony nicht wirklich gut. Wir waren zwar auf die gleiche Schule gegangen, aber er war älter als ich. Eines Tages ging ich in einen Plattenladen und machte einen Aushang, auf dem „Ozzy Zig Seeks Gig“ stand – ich nannte mich selbst Ozzy Zig, weil ich dachte, dass es sich cool anhört und alle danach fragen würden, wer denn dieser Ozzy Zig sei. Nun ja, Tony kam daraufhin vorbei und ich dachte, er würde mich für einen kompletten Idioten halten, aber letztlich wurden wir eine Band.“ Man spielte Jazz- und Blues-beeinflusste Musik; CREAM, FLEETWOOD MAC, THE BEATLES und JETHRO TULL waren die Vorbilder während der Anfangstage.

Zwei Mitmusiker (Jimmy Phillips und der Saxophonist Alan Clarke), die zunächst mit zur Band gehört hatten, verließen diese im Herbst 1968 nach zwei Konzerten, deren erstes am 24. August 1968 im County Ballroom in Carlisle stattgefunden hatte. Die verbliebenen Vier machten unter dem Namen EARTH (zunächst für kurze Zeit noch EARTH BLUES BAND) weiter.

 

Ein folgenreicher Unfall

Noch im Jahr 1968 kam es zu einem für die Band und die weitere Entwicklung der Rockmusik folgenreichen Ereignis: Bei einem schweren Arbeitsunfall in einer Walzblechfabrik verlor Tony Iommi Teile der Fingerkuppen am Mittel- und Ringfinger seiner rechten Hand: Mit seinen Gedanken anderswo, geriet er mit der Hand in eine Maschinenpresse, zog diese reflexartig zurück und verlor so die Fingerkuppen der beiden Finger, die er als Linkshänder jedoch zum Greifen der Saiten verwendet.

Normalerweise hätte ein solcher Unfall für einen Gitarristen das Karriereende bedeutet und jeder Arzt, den Iommi konsultierte, bestätigte ihm dies. Doch ein Freund verwies den Niedergeschlagenen auf Django Reinhardt, der sich trotz der Verkrüppelung von Ring- und kleinem Finger seiner linken Hand durch eine schwere Verbrennung zu einem der besten Jazz-Gitarristen aller Zeiten entwickelte, ja einfach alle seiner eindrucksvollen Soli mit den beiden heilen Fingern spielte. Durch diese Geschichte motiviert, machte Tony Iommi weiter, fertigte sich selbst Plastikfingerkuppen an und verwendete nur sehr dünne Saiten, um diese überhaupt herunter zu drücken und spielen zu können. Seine Saitensätze musste er sich damals aus dünnen Banjosaiten zusammensetzen. Zudem stimmte die Band nun Gitarre und Bass von E auf Cis herunter, damit die Saiten weniger gespannt waren. „Vor dem Unfall konnte ich auf die normale Weise spielen, volle Akkorde und alles verwenden, aber nach dem Unfall hatte ich mich umzustellen. Ich nutzte fettere Akkorde, die ich mit weniger Fingern spielen konnte“, erinnert sich der Verstümmelte.

Im Dezember 1968 kehrte Iommi nach einem wenige Tage währenden Gastspiel – zu sehen im ROLLING STONES-Film „Rock’n’Roll Circus“ – bei den damals nach ihrem Durchbruch beim Sunbury Jazzfestival ein halbes Jahr zuvor schon großen JETHRO TULL wieder zu EARTH zurück und die Band spielte weitere Gigs in England. Iommi erzählte später einmal, dass er aus dieser kurzen Zeit doch immerhin eines mitgenommen habe, nämlich das Wissen darum, dass nur Disziplin und harte Arbeit zum Erfolg führen: „Als ich von TULL zurück kam, tat ich das mit einer neuen Einstellung: Sie hatten mir gezeigt, dass man die Dinge gewissenhaft anpacken musste, um weiter zu kommen.“ Und es ging weiter: Zu Beginn des Jahres 1969 unterzeichneten EARTH einen Vertrag mit Jim Simpsons Big Bear Management und bestritten in der Folge neben Clubshows in London auch erste Auftritte in Deutschland. Das Arbeiterklasse-Quartett erspielte sich (unter anderem im Vorprogramm der britischen Bluesrock-Band TEN YEARS AFTER) den Ruf als hervorragende Live-Band – so brach man 1969 den bis dahin von den BEATLES gehaltenen Besucherrekord im Hamburger Star Club, wo man in diesem Jahr drei Mal gastierte. Das Set bestand zu dieser Zeit noch größtenteils aus Covern von JIMI HENDRIX oder CREAM sowie ausgiebigen, improvisierten Blues-Jams. Die ersten eigenen Lieder fanden den Weg auf zwei Demos, das zweite aus dem Juni 1969 mit den Stücken „The Rebel“ und „Song For Jim“ (eine jazzige Nummer und ein Tribut an ihren Manager Jim Simpson).

 

Die Umbenennung in BLACK SABBATH

Es war der Sommer 1969 – nein, nicht der „Summer Of Love“, den gab es schon zwei Jahre zuvor, was aber gerne einmal durcheinander geworfen wird – und EARTH hatten mehr und mehr eigene Lieder in ihrem Live-Set. Darunter war auch ein Stück, das alles verändern sollte: Es war entstanden, nachdem Butler mit einer Idee für ein durch eine verstörende Erscheinung inspiriertes Lied zur Band gekommen war. Er, der Anhänger der von Schwarzer Magie handelnden Novellen Dennis Wheatleys war, glaubte, eine Gestalt in schwarz am Fuße seines Bettes stehen gesehen zu haben, nachdem er aus einem Alptraum erwacht war. Als man sich zudem in Anbetracht eines ausschließlich Horrorfilme zeigenden Kinos gegenüber des Proberaumes der Band die Fragen stellte: „Ist es nicht seltsam, dass Menschen Geld für Horrorfilme ausgeben, um sich zu fürchten? Warum machen wir nicht furchterregende Musik?“, entstand ein mit einem Text von Ozzy (ursprünglich noch mit einer Strophe mehr als die spätere LP-Version) versehenes Lied, das Butlers mysteriöse Erscheinung behandelte.

Den Namen des Stückes fand man im amerikanischen Titel des Filmklassikers „I Tre Volti Della Paura“ von 1963 mit Boris Karloff: „Black Sabbath“. Die Nummer, die von der Tritone – einem musikalischen Intervall, das drei Ganztöne umfasst und auch als „Diabolus in Musica“ bekannt ist – Gebrauch macht, provozierte bei den Zuschauern eine stärkere Reaktion als alles andere im Repertoire der Band und die vier jungen Männer – damals alle zwanzig- bis einundzwanzigjährig – wussten, dass sie auf etwas Kraftvolles gestoßen waren. Sie bekamen ihre Überlegung und ihr Kalkül, dass das Mystische und Okkulte die Menschen anzog, bestätigt. Die Band rekapituliert: „Es war sehr schwierig, das zu tun, was wir taten, denn es waren Soul- und Blues-Clubs, in denen wir spielten. Wir starteten zwar auch als Blues-Band, aber als wir das erste Mal ein paar unserer eigenen Lieder darboten, „Black Sabbath“ und „Wicked World“, kamen die Leute und sagten, dass sie diese beiden Stücke liebten.“

Als die Musiker unter diesen Vorzeichen bei einem Konzert in England erfuhren, dass noch eine weitere Band namens EARTH existierte, trafen sie eine naheliegende Entscheidung: Sie beschlossen die Umbenennung in BLACK SABBATH, die Tony Iommi später so kommentierte: „Da fing alles an. Der Name klang mysteriös, er gab den Leuten etwas zum Nachdenken und uns eine Richtung vor, der wir folgten.“ Mit Butler als hauptsächlichem Textschreiber und Iommi als treibender Kraft, als Erschaffer der Musik, fokussierten sich BLACK SABBATH fortan darauf, ähnliches Material wie das selbstbetitelte Lied zu schreiben und besangen Themen wie das Übernatürliche, das Leben nach dem Tod und den ewigen Konflikt zwischen Gut und Böse.

Den Namenswechsel verkündeten die vier Freunde auf einem letzten Konzert als EARTH am 26. August in Workington. Den allerersten Gig unter dem neuen Banner spielte man vier Tage später, am 30. August 1969, in Malvern: Das alte EARTH-Logo auf Bill Wards Basstrommel hatte man zunächst noch provisorisch mit einem BLACK SABBATH-Schriftzug aus Klebeband überdeckt – vielleicht gar absichtlich, um den Namenswechsel zu visualisieren. “Wir erzählten unserem Freund Alvin Lee von TEN YEARS AFTER, dass wir uns in BLACK SABBATH umbenannt hatten und er meinte nur, dass wir es mit solch einem Namen nicht weit bringen würden“, weiß Ozzy Osbourne eine Anekdote zur Umbennenung zu berichten.

Ein im Juli 1969 aufgenommenes Demo, das lediglich die ursprünglich mehr als neun Minuten lange Version von „Black Sabbath“ enthält, gilt rückwirkend als erste BLACK SABBATH-Veröffentlichung. Am 10. November des Jahres bannte das Quartett in den Trident Studios „Evil Woman“ – ein Cover der amerikanischen Bluesrock-Band CROW, was man vielleicht auch aufgrund des Titels gewählt hatte – auf Band, um es über Fontana Records, einem Tochterlabel von Philips, als erste Single zu veröffentlichen. Und die Plattenfirma bot BLACK SABBATH erneut (damals sehr teure) Studiozeit an.

 

Das Debütalbum: „Black Sabbath“

Nur eine Woche nach den Aufnahmen zur Single war es dann soweit: Am 17. November 1969 – manche Quellen nennen fälschlicherweise den Januar 1970 – gingen BLACK SABBATH für 600 Pfund in die Regent Sound Studios in London, um innerhalb von heutzutage legendären (weil unfassbar wenig scheinenden) zwölf Stunden und in dementsprechend wenigen Takes ihr Debütalbum auf vier Spuren aufzunehmen. Iommi äußerte sich rückblickend zu den Aufnahmen: „Wir hatten zwei Tage Zeit, wobei aber einer der beiden Tage für das Mischen draufgehen würde. Wir dachten, dass ein Tag schon ein ziemlich lange Zeit war, spielten einfach unser Live-Set. Ozzy sang zur gleichen Zeit, wir steckten ihn lediglich in eine separate Kabine und das war es. Wir hatten bei den meisten Nummern nicht einmal einen zweiten Versuch.“

Die schon kurz vor dem Material für das erste Album aufgenommene “Evil Woman“-Single erschien schließlich am 9. Januar 1970, hinterließ aber keinen allzu bleibenden Eindruck. Anders verhielt es sich jedoch mit dem selbstbetitelten, von Rodger Bain produzierten Debütalbum „Black Sabbath“ mit ursprünglich sieben Liedern bei 40 Minuten und 16 Sekunden Spielzeit: Es wurde in doppelt passender Weise (Glücksfall für die einen, wahrlich schwarzer Tag für die anderen) am Freitag, den 13. Februar 1970 über Vertigo Records, das neu gegründete Underground-Rock-Label von Philips, im Vereinigten Königreich veröffentlicht und sollte eine äußerst nachhaltige Wirkung entfalten.

Das effektvolle, auf eine merkwürdige Art entrückt wirkende und sich gotischer Chiffren bedienende Cover zeigt eine geheimnisvolle, in einen schwarzen Umhang gehüllte Frau nebst schwarzer Katze vor einer Wassermühle – hierbei handelt es sich um die historische Wassermühle in Mapledurham, Oxfordshire – und sorgt auch 40 Jahre später noch für einen leichten Schauer, der dem Betrachter über den Rücken läuft. Die Innenseite der originalen Gatefold-LP zierte zudem ein umgedrehtes Kreuz, für dessen Hinzufügen das Label verantwortlich war.

Das Spontane und Unverfälschte der Aufnahmen stellte sich – wie auch bei manch anderen Veröffentlichungen alter Tage – als großer Vorteil heraus, spürte man doch dadurch die Beseeltheit der Darbietung: Irgendwo im Gewitterregen läutende Kirchenglocken tragen den Hörer fort (falls es nicht schon das Abtauchen in das geniale Covermotiv getan hat), dann bricht es wie eine Naturgewalt herein, Iommis krachendes, aus drei Noten bestehendes Riff unterlegt vom schweren, unheilvoll-langsamen Getrommel des Schlagzeugs, bevor das schauerliche, nasale Jammern und Flehen des Predigers Osbourne erklingt. Das sich immer weiter steigernde, dämonische Titelstück ist wohl das herausstechendste unter den vier allesamt zwingenden Liedern auf der ersten Seite. Auch “The Wizard“ mit Ozzys die minimalistischen Riffs unterstützender Mundharmonika, „Behind The Wall Of Sleep“ und „N.I.B.“ mit seinem Stakkato-Riffing und einem Text aus der Sicht Luzifers sind fast ebenbürtig. Neben der Coverversion – die Verwendung fremden Materials war damals eine ganz selbstverständliche Sache – der schon von der Single bekannten CROW-Nummer „Evil Woman“ rückt Tony Iommi, unbestritten der talentierteste Musiker der Band, sein Können in der zweiten Hälfte des Albums in den Mittelpunkt: Bei “Sleeping Village“ und insbesondere beim zehnminütigen „The Warning“, dass die zweiten Nachspielversion der Platte, ein Cover von ANSLEY DUNBAR RETALIATION darstellt, zeigt er seine Fähigkeiten am Sechssaiter.

Zwar waren BLACK SABBATH selbst ein Kind der späten 1960er Jahre und so lässt auch ihr erstes Album mit seinen Bluesrock-Referenzen („The Wizard“) noch die Wurzeln der Band durchscheinen, doch schufen bedrohlich-schleppende Nummern wie das Titelstück oder „N.I.B.“ eine dichte, unheilverkündende, bislang nicht gekannte Atmosphäre und machten „Black Sabbath“ musikalisch und lyrisch seinerzeit zu einem Novum. Man hatte dem Bluesrock-Sound der späten 60er Jahre das Tempo genommen, die Saiteninstrumente schwerer und wuchtiger klingen lassen und fast geheulte, von Übernatürlichem kündende Vocals hinzugefügt.

 

Die Wirkungsgeschichte von BLACK SABBATH

Zusammen mit dem kommerziell noch erfolgreicheren zweiten Album „Paranoid“, das zeitnah im Oktober 1970 veröffentlicht werden sollte, wies „Black Sabbath“ der Rockmusik den Weg in eine härtere Richtung. Bands wie etwa DEEP PURPLE und insbesondere LED ZEPPELIN boten zwar schon auf ihren Debüt-Alben in den Jahren 1968 und 1969 („Shades Of Deep Purple“ und „Led Zeppelin“) mitunter harte, schleppende Rockmusik (man höre nur “Dazed And Confused“), aber das hier ging weiter: Trotz unbestritten schwerer Riffs waren Blues- und Folk-Einflüsse bei Jimmy Page von LED ZEPPELIN nach wie vor sehr deutlich, Tony Iommi hingegen war der Erste, der den im Blues verwurzelten Rock-Sound durch Herunterstimmen seiner Gitarre auf eine neue Stufe hievte.

Mit BLACK SABBATH begann nach einer relativ homogenen zweiten Hälfte der 60er Jahre 1970 eine Aufsplittung der populären Musik. Image und Darbietung BLACK SABBATHs hatten sich zu Beginn des neu angebrochenen Jahrzehnts so weit entwickelt, dass sie einen deutlichen Kontrast zur populären Musik der späten 1960er Jahre, zur spätestens seit Woodstock ein halbes Jahr zuvor im Mainstream auf- oder vielmehr untergehenden Hippiekultur bildeten. Wo THE BEATLES ein positiv belegtes „Yeah, Yeah, Yeah“ intonierten, winselt Osbourne „No, No, Please, No“.

Die ersten Rock-Kritiker, die mit Bands wie eben THE BEATLES groß geworden waren, waren schockiert. „Das Schlechteste der Gegenkultur auf einem Plastikteller“, schrieb etwa der Kritiker Robert Christgau in The Village Voice über „Black Sabbath“; auch Lester Bangs vom 1967 gegründeten Rolling Stone fand ausgesprochen wenig Gefallen an dem Album, das ihm nach aus „nicht miteinander harmonierenden Jams mit Bass und Gitarre, die wie aufgedrehte Speedfreaks durcheinander wirbeln“, bestand.

Der Erfolg beim Publikum stand im umgekehrten Verhältnis zur Wertschätzung der Kritiker: Obwohl der neue Sound in der Musikpresse zunächst verrissen – weil noch nicht verstanden – wurde, nahm „Black Sabbath“ die Herzen vieler Rockfans im Sturm und entwickelte sich zu einem beachtlichen kommerziellen Erfolg: Die Platte erklomm ohne nennenswertes Airplay Platz acht in den britischen Charts und hielt sich nach dem US-Release im Mai 1970 mit rund einer Million abgesetzer Einheiten mehr als ein Jahr lang in den dortigen Charts. Auf der von Februar bis August 1970 stattfindenden Tour zum Album teilten sich BLACK SABBATH die (Festival-)Bühnen mit Bands wie THE GRATEFUL DEAD, DEEP PURPLE und PINK FLOYD, boten dabei unzweifelhaft die musikalisch heftigsten und inhaltlich anstößigsten Darbietungen der damaligen Zeit.

Erst als BLACK SABBATH ihre Visionen auf Platten und Bühnen intonierten, fand der Begriff „Heavy Metal“ Eingang ins populäre Vokabular, um diesen dichteren, donnernden Ableger des Rock zu beschreiben. Wahrscheinlich – es gibt weitere und umstrittene Hypothesen über den Ursprung des Namens, die aber an dieser Stelle den Rahmen sprengen würden – geht der Terminus auf englische Musikkritiker wie etwa David Marsh und den schon erwähnten Lester Bangs zurück, die die Musik der Band schon früh als “Heavy Metal“ bezeichneten, da alle Musiker aus der englischen Stahlindustrie-Stadt Birmingham kamen. Wenn auch ursprünglich als Spottwort gebraucht, übernahmen Anhänger der Musik den Ausdruck recht schnell.

Mit ihren schweren, Riff-basierten Liedern, extremer Lautstärke, hysterischem Geheul und dem Kokettieren mit Satanismus und Okkultem (inklusive des Artworks des ersten Albums und dem Erscheinungsbild der Bandmitglieder) vereinten BLACK SABBATH schon 1970 als erste Band alle Schlüsselaspekte der Ästhetik dieser Musikrichtung und steckten das Feld des damals noch nicht existenten, sich in den folgenden Jahrzehnten immer weiter ausformenden und -differenzierenden Genres ab. Das den Blues-Wurzeln vollständig entwachsene Zweitwerk BLACK SABBATHs, „Paranoid“, wird vielfach als noch stärker und einflussreicher als das Debüt eingestuft. Aber „Black Sabbath“ hatte einerseits das deutlich bessere Cover und war schlicht die Ursuppe, der erste, tragende Stein des Hauses, das heute so viele Spielarten harter Gitarrenmusik beherbergt. Es ist das erste Album, das rückblickend – und mit großem Konsens – definitiv die Bezeichnung „Heavy Metal“ verdient und somit als dessen Geburtsstunde und erste Definition gelten muss; für Tony Iommi liest man deswegen des Öfteren die Bezeichnung „Godfather Of Heavy Metal“.

Einige Kritiker wie beispielsweise Jack Feeny sind der Ansicht, dass – obwohl die Band zumindest ihr „dunkles“ Image ganz offensichtlich absichtlich in diese Richtung lenkte – die unbestreitbare musikalische Innovation hauptsächlich aus einer Zwangslage heraus entstanden sei: BLACK SABBATHs Mangel an musikalischem Talent und Können – Iommi ausgenommen – habe bedeutet, dass sie langsam spielen mussten und so in einen Stil der Rockmusik gezwungen wurden, der für Bands wie LED ZEPPELIN einfach unter deren spielerischem Niveau gewesen wäre. Ja, wahrscheinlich gab es eine Zwangslage, aber diese begründete sich doch offensichtlich in Tony Iommis versehrter Hand, die ihn in den heruntergestimmten, leicht mechanischen Stil zwang, aus dem letztlich der unkonventionelle Sound der Band erwuchs. Oder um es positiv zu formulieren: BLACK SABBATH und insbesondere Tony Iommi gelang es, ihre vermeintlichen Schwächen in einen Vorteil umzumünzen und etwas völlig Eigenes zu erschaffen.

BLACK SABBATH sahen sich damals selbst als eine „Heavy Underground“-Band und benannten damit sowohl die Intensität ihrer Musik als auch die Netzwerkstruktur ihrer Anhänger, die die Band lange vor den Kritikern und der Musikindustrie schätzen gelernt hatten. In den Folgejahren weiterhin noch oftmals verachtet von Mainstream-Rock-Kritikern und ignoriert von Radiosendern, schaffte es die Band, bis zum Ausstieg Osbournes im Jahre 1979 8 Millionen Alben zu verkaufen – bis zum heutigen Tag sind es bei insgesamt 18 regulären Studioalben mehr als 75 Millionen, anderen Quellen nach gar mehr als 100 Millionen Tonträger.

Viele der einflussreichsten und größten Rock- und Metal-Bands, die nach ihnen kamen – egal, ob sie nun METALLICA, GUNS N‘ ROSES, NIRVANA, IRON MAIDEN oder JUDAS PRIEST heißen – geben BLACK SABBATH als in höchstem Maße prägenden Einfluss an. METALLICAs Lars Ulrich, der BLACK SABBATH mit seinem Bandkollegen James Hetfield 2006 in die “Rock And Roll Hall Of Fame“ einführte, formulierte es folgendermaßen: „Black Sabbath ist und wird immer synonym mit Heavy Metal sein.“

Nicht nur im klassischen Heavy Metal, sondern auch in den heute existenten zahlreichen Substilen wie etwa Doom Metal, Stoner Rock oder im den “dunklen“ Themen besonders zugewandten Death- und Black Metal lassen sich die Spuren oftmals bis zu BLACK SABBATH zurückverfolgen: Das Zähflüssige und Kriechende des Doom findet sich zum ersten Mal auf “Black Sabbath“ und spätere Genregrößen wie SAINT VITUS, CANDLEMASS, PENTAGRAM oder auch Doom/Death- bzw. Funeral-Doom-Pioniere wie frühe CATHEDRAL und PARADISE LOST, THERGOTHON und WINTER stehen klar in der Tradition des Quartetts aus Birmingham. Auch das Kokettieren mit okkulten und satanischen Inhalten, das Bands der ersten Welle des Black Metal wie VENOM Anfang der 80er Jahre zeigen, findet sich in vergleichbar dichter Form erstmals bei Ozzy Osbourne und seinen Mitstreitern, der Frontmann setzte mit seiner wilden Bühnenperformance darüber hinaus Maßstäbe für die Schockrocker der nachfolgenden Jahrzehnte.

Das in der harten Gitarrenmusik vorhandene Bewusstsein um den Stellenwert BLACK SABBATHs zeigt sich auch darin, dass auf zahlreichen Tribute-Alben – beispielsweise “Nativity In Black I & II“ – stilistisch so unterschiedliche Bands wie BATHORY, DANZIG, ICED EARTH, SEPULTURA, SLAYER, MEGADETH, MONSTER MAGNET, MACHINE HEAD, NEUROSIS, FAITH NO MORE, VADER oder TYPE O NEGATIVE Lieder der Birminghamer interpretieren und sich so musikalisch verneigen.

Hätte jemand den ersten Kritikern 1970 erzählt, dass man selbst noch in 40 Jahren und mit solch einem positiven Tenor über BLACK SABBATH schreiben würde, hätten sie wohl ungläubig aus der Wäsche geguckt und diesen jemand nur müde belächelt. Es mag sein, dass es damals auch schwerlich abzusehen war, welche Lawine das Debüt-Album der Herren Iommi, Butler, Osbourne und Ward hier gerade losgetreten hatte.

Aber mittlerweile wird der Band auf breiter Front die verdiente Anerkennung zuteil und die Medien und Postillen der Rockmusik haben ihre Fehleinschätzungen längst revidiert: MTV kürte BLACK SABBATH 2008 zur „Greatest Metal Band Of All Time“, in der VH1-Liste der „100 Greatest Artists of Hard Rock“ belegten die Birminghamer den zweiten Platz direkt hinter LED ZEPPELIN. Der Rolling Stone nahm „Black Sabbath“ als auch „Paranoid“ in seine 2003 veröffentlichte Liste der „500 Greatest Albums Of All Time“ auf und die Band selbst zwei Jahre später in die Liste der “Greatest Artists Of All Time“.

Nachdem man mehr als drei Jahrzehnte zuvor noch gespöttelt hatte, dass das Debütalbum „so wie CREAM, nur schlechter“ klingen würde, gestand man sich nun auch beim bekannten Musikmagazin ein, dass das „schwerfällige Debüt einer ehemaligen Bluesrock-Band einen neuen Sound beschwor: die Geburtsschmerzen des Heavy Metal“ und betitelt BLACK SABBATH an anderer Stelle als „THE BEATLES des Heavy Metal, von denen jeder, der Ahnung von Metal hat, sagen wird, dass das alles auf sie zurückgeht.“

Bei aller gebotenen Nüchternheit sei an dieser Stelle abschließend eine gewisse Emotionalität erlaubt: Ein herzliches „Danke“ in Richtung Birmingham.

05.06.2013
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