Island
Black-Metal-Special

Special

Anders als es aber von außen aussieht, ist die Szene trotz beinahe schon inzestuöser Verhältnisse nicht so geschlossen wie sie scheint. Die Musiker machen Scherze über ihre Mitglieder, die sich in zig anderen Projekten „prostituieren“. Sinngemäß: „Killst du den einzigen Drummer auf Island, kann keine Band mehr Black Metal spielen.“

Die eher weniger martialisch und mystisch auftretenden AUƉN etwa haben einen kleinen Status als Exoten inne. Viele Bands scheinen nicht besonders gut auf sie zu sprechen zu sein und sie als moderne Band, die auf den Zug augesprungen ist, abzutun, ohne die Werte hinter Black Metal zu teilen. Zu viel Melodie, zu wenig Ernst bei der Sache. Laut TI von MISÞYRMING gehört das „Theater“ aber einfach dazu.

„Theater“, das kann im Rahmen der „Ulfsmessa“, einer Art Happening welches auf dem auf dem Eistnaflug Festival begann, schon mal bedeuten, eine eigentliche Kunsthalle anzumieten, die Wände mit Blut zu besprenkeln, Erde überall auf dem Boden auszulegen und Kadaver einzugraben und dort mehrstündig mit Mitgliedern aus anderen Bands in bizarrer Atmosphäre zu spielen. Wo die eine Band anfängt und aufhört, die Songs sich ändern, bekommt man gar nicht mehr mit. Trance ist dort angesagt, Lösen vom profanen Irdischen.

Die Verbindung zum Tod in künstlerischer Hinsicht wird hier also ähnlich ernst genommen wie in den Anfängen der skandinavischen Black-Metal-Szene beziehungsweise hier noch hochgehalten. Es macht deutlich, dass man zu dieser Szene gehört. Image und Ausdruck zählen hier eher anstatt Beherrschung der eigenen Instrumente.
Laut Sturla, Frontmann von SVARTIDAUƉI, sollte man sogar zumindest Probleme mit der Gesellschaft oder dem Gesetz bekommen haben, bevor man sich Black Metal auf die Fahnen schreiben darf. Sicherlich einer der Hardliner in der Szene.

Auch in Island wird es nachts kalt… gut wenn die Kollegen dann an genug Holz gedacht haben… noch besser wenn jemand zufällig Stockbrot mit hat. From Svartmalmur © Verði ijós

Gleichzeitig zeigen Bands wie KONTINUUM mit ihren Gothic-Roots, aber auch eine Band wie SÓLSTAFÍR, die sich ähnlich wie PRIMORDIAL von strengen, traditionellen Anfängen im Black Metal zu etwas vollkommen Eigenständigem und sehr viel „Softerem“ entwickelt hat, wie vielseitig die Szene dann doch ist. Gleichzeitig behalten sich die Bands aber hervorragendes Songwriting und dieses gewisse Feeling aus dem Black Metal, die Melancholie, das Frostige, das Verzweifelte, aber auch Kämpferische, die leicht raue Kante in ihrer Musik.

WORMLUST testet die Psychedelik im Rahmen eines modernen Black-Metal-Sounds aus, sowohl in Musik als auch Cover-Gestaltung. Alleiniges Mitglied ist Hafsteinn Viðar Lyngdal, ebenfalls als Fotograf und ehemaliges Mitglied der schon beinahe sagenumwobenen Band MYRK bekannt. Er ist somit gleichzeitig beinahe ein Urgestein und Erneuerer der Szene. Mittlerweile hat er weniger mit Musik zu tun und begleitet lieber Bands beim Blöd-Posieren in der isländischen Landschaft, um ein paar neue Touristen zur Safari anzulocken, ähhh in seinem Bildband über die Szene abzubilden natürlich.

Die Zukunft?

Interessant sind in geringem Umfang  die „äußeren“ Einflüsse auf die isländische Szene zu sehen. Der Ire Stephen Lockhart etwa: Nach Besuchen von Island seit 2007, die auch der Black-Metal-Szene galten, verabschiedete er sich von seiner Heimat und lärmt nun in mehreren Bands rum. Nichts besonderes würde man denken, allerdings ist er ziemlich vital für den isländischen Black Metal geworden. Nämlich als Leiter des „Studio Emissary“, in dem mittlerweile die meisten isländischen Bands ihre Alben produziert haben.

Das Studio ist mehr oder weniger sein altes Heim, 20 Minuten von Reykjavík entfernt in der Ödnis. Auch als „Ghost House“ bezeichnet, wegen gewisser Geschichten, die sich um die vorherige Verwendung rankten, aber scheinbar auch als Kulisse für so manch feucht-fröhliche Recording-Session diente. Gleichzeitig war er derjenige, der das Oration als erstes Festival mit ausländischen Black-Metal-Bands aufgezogen und mitorganisiert hat und zu Anfang integraler Bestandteil in SINMARA war. SLIDHR sind ebenfalls ein Brainchild von ihm, eine ehemals irische Band, nun auch in Island beheimatet.

Wenn man auch bedenkt, dass Vánagandr als DIY-Homelabel zum Tape-Vertrieb der eigenen Veröffentlichungen von MISÞYRMING gegründet wurde und die Bands mittlerweile international touren, steht es um die Zukunft des isländischen Black Metals eigentlich gar nicht schlecht. Von kleinen, primitiven Anfängen hat man sich mittlerweile ein respektables Netzwerk geschaffen. Man selbst bleibt aber bescheiden und möchte sich weder als neuen Hype verstehen noch als Eintagsfliege. Die Musik sei so gut weil die Bands sich nicht anbiederten, sich nicht verstellten, hört man Tómas und Dagur  von MISÞYRMING  sagen. Wahrnehmungen von außen interessierten sie nicht. Auch gut gemeinte (oder arschkriechende?) Komplimente von Musikjournalisten die etwa den DIY-Vertrieb Vánagandr als das neue Helvete (norwegisches Kultlabel) zu bezeichnen lehnt man sarkastisch ab: „Wir wollen nur gute isländische Black-Metal-Musik veröffentlichen, Kirchenbrände stehen bei uns in nächster Zeit eher nicht an“, lässt sich von diesen vernehmen.

Man nimmt durchaus mit Stolz seine eigene Kunst als eigenständig war und bis auf einen Sturla, der manchmal äußerst wirres Zeug in Interviews ablässt, ist der Rest der Szene weniger an Nationalem interessiert: „There comes a time when one needs to step away from the idea of prescribed national and cultural identity if personal growth is to occur“. So Stephen Lockhart, der Exil-Ire auf die Frage, ob die Musik auf Island, geformt von der Kultur und den Menschen, besonders ist, genauso auf die Frage, inwiefern die Menschen auf Island ihn und seine Musik beeinflusst haben. Wer hätte auf solche progressiven Ansichten bei sonst eher traditionalistischen Black-Metallern gehofft? Mit neuen Alben von u.A. SINMARA, SVARTIDAUƉI und MISÞYRMING die anstehen, kann man der Szene nur weiteren Erfolg wünschen und sich auf neue Musik freuen.


Quellen und weitere Lektüre:

10 noteworthy Black Metal Bands from Iceland

Grapevine Iceland Black Metal Special

Icelandic Black Metal Photobook by  WORMLUST Frontman

Icelandic Photoreport of the Black Metal Scene

Terrorizer Icelandic Black Metal Special

Interviews:

Misþyrming Interview

Bardo Methodology SLIDHR Interview

Bardo Methdology REBIRTH OF NEFAST Interview

WORMLUST Interview

Nökkvi Gylfson Interview

Svartidaudi Interview


Zu den besten Bands aus Island im Schwarzmetall-Umfeld geht es hier.

 

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03.10.2018

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5 Kommentare zu Island - Black-Metal-Special

  1. Anon der Sonne sagt:

    Cool, auf die Serie freu ich mich. Sogar Abominor und Wormlust in der begleitenden Band-Sammlung, und noch viele andere zum Durchkramen, sowas lob ich mir.
    Black Metal bietet wahrscheinlich mittlerweile für jeden etwas und die Szenen die du beleuchten willst lohnen sich definitiv, das wird hoffentlich gut. Bin aber der Meinung, dass auch Nordeuropa mit sowas wie Oranssi Pazuzu, Bergraven und tausend anderen Bands die man wohl vergisst, sowie die nordamerikanische/kanadische Szene mit Krallice und Thantifaxath echt noch etwas Beleuchtung verdient im Nachhinein. Kann auch nur persönlicher Geschmack sein, wie dem auch sei.

    1. Alexander Santel sagt:

      Jau, danke dir erstmal, Anon. Du hast definitiv Recht, auch Nordeuropa und auch der ganze neue Kontinent (nicht nur Nord, auch Südamerika wäre definitiv eine Reise wert) sind ebenso prädestiniert dafür, mal mit dem Weißlichtfilter über die Landkarte zu gehen. Aber die Zeit und die Arbeit macht oft einen Strich durch solche Pläne, you know… Ich wollte mich erstmal auf Europa konzentrieren, da das Feld hier im Gegensatz zu Skandinavien ein wenig mehr Aufmerksamkeit verdient hat und noch nicht so abgefrühstückt ist… zumindest meiner bescheidenen Meinung nach. Volle Zustimmung, dass gerade so abgefahrene Zeitgenossen wie Oranssi Pazuzu und Thantifaxath definitiv Beachtung im Rahmen eines Specials verdient hätten, aber nicht mehr in dieser Serie und wahrscheinlich auch nicht mehr dieses Jahr… Aber sag niemals nie!

      1. Anon der Sonne sagt:

        Cool, danke für die Antwort. Die Argumente kann ich doch gut nachvollziehen. Sowas ist dann doch um ein vielfaches schneller gelesen als geschrieben. Freu mich auf den nächsten Teil, bis dahin!

  2. merlin-hst sagt:

    Genialer Artikel. Als alter Island Fan kannte ich zwar viele Bands schon, war aber trotzdem spannendend zu lesen. Ich hätte mir zumindest noch eine Erwähnung von Skalmöld gewünscht, auch wenn das sicherlich kein Black Metal ist.

    1. Alexander Santel sagt:

      Hi. Skalmöld gehören für mich eher in die Pagan/Folk-Ecke, da ich Black Metal aber auch hier relativ großzügig ausgelegt habe (Solstafir, Kontinuum, etc.) hätte ich die durchaus mit reinnehmen können. Aber dafür gibts ja die Kommentarfunktion: So können die Leser auch noch die ein oder andere Perle teilen 😉 Grüße!