Polen
Black Metal Special

Special

Klar kennen wir alle die alten Helden, die Black Metal geboren, gebrochen, redefiniert und zu dem gemacht haben, was es heute ist: Aus einem der vormals konservativsten Metal-Genres, wo noch viel Wert auf „Tradition“ und „Reinheit“ gelegt wird, hat sich mittlerweile ein Strauß so vieler unterschiedlicher Stile gebildet, der einfach nur noch paradox zu nennen ist: Von VENOM und BATHORY als kultiger Anfang über die „zweite Welle“, die vornehmlich von Norwegen mit Bands wie EMPEROR, ULVER, DARKTHRONE  und vielen mehr geprägt wurde, bis zur heutigen sehr weit gefächerten Szene.

Die beinhaltet Post-Black Metal von Bands wie AGALLOCH oder DEAFHEAVEN, atmosphärisch und naturverbunden wie bei PANOPTICON oder WOLVES IN THE THRONE ROOM, und die ganzen orthodoxen Mantelträger und Weihrauchschwenker wie SCHAMMASCH, BATUSHKA oder NIGHTBRINGER.

Doch mir geht es vor allem um die meiner bescheidenen Meinung nach momentan spannendsten Szenen im Black Metal in Europa: Osteuropa (allen voran Polen), Frankreich und Island. Im Gegensatz zu anderen (auch guten) Bands anderer Länder haben diese gefühlt eine große, vernetzte Szene, gewisse Alleinstellungsmerkmale im Sound und größtenteils hochqualitative Bands am Start. Skandinavien hat logischerweise mit Bands aus Schweden, Finnland und Norwegen, die auch immer noch großartige Musik hervorbringen, ebenfalls Gewicht. Kann aber nicht dieselbe Innovationskraft oder Eigenständigkeit aufweisen, die es noch in den 90ern und frühen 2000ern gehabt hat. Die Musikinnovation spielt längst wo anders.

Im zweiten Teil des Specials möchte ich mich Polen widmen.
Das Special über Island findet ihr hier. Das Special über Frankreich kommt voraussichtlich im Dezember.

Image Credit: Michael LaRosa

 

Bunter Hund im Untergrund

Nicht zuletzt seit dem Hype in den letzten Jahren um die Senkrechtstarter MGŁA, BATUSHKA oder den Dauerbrennern BEHEMOTH um Frontmann, Krebsbezwinger und Instagram-Model Nergal, ist Polen nicht nur für Piroggen und Wodka bekannt, sondern auch eine Landmarke in Sachen extremer Musik geworden.

Neu ist das nun ja eigentlich nicht. Bekannte Vertreter aus anderen Sub-Genres der harten Musik aus Polska wie etwa die Death-Metal-Pioniere von VADER oder die letztes Jahr noch Schlagzeilen machenden DECAPITATED werden hier aber nicht unter die Lupe genommen (vielleicht in einem neuen Special eines Tages, wer weiß). Polen hat neben den „großen“  bzw. „bekannten“ Vertretern wie den schon erwähnten BEHEMOTH oder MGŁA aber eine ganze Ecke an weiteren vielfältigen Bands: Hässlicher, Industrial beeinflusster Black Metal bei IPERYT.

Soundcollagen und Ambientpassagen bei THAW. Bestialischer War Black Metal von BESTIAL RAIDS. Genialer „Nekrofolk“ von FURIA. Extrem hasserfüllter BM wie bei MASSEMORD. Aber auch Schlenker in die moderne Ausrichtung wie ODRAZA. Dissonanz-Worship ähnlich wie DEATHSPELL OMEGA können OUTRE auch, orthodox muss es nicht nur bei den Griechen sein: SACRILEGIUM oder BLAZE OF PERDITION lassen sich auch gern „schwarz erleuchten“.

Wer es etwas symphonischer bzw. avantgardistischer mag kommt vielleicht bei LVX OCCULTA (wurden schon von manchen als die polnischen ULVER benannt) oder VESANIA auf seine Kosten, während man die Musik von CULTES DES GHOULES aufgrund des lyrischen Konzeptes schon fast als Black-Metal-Operette beschreiben könnte. Basis bleibt dabei allerdings primitiver und roher Black Metal.

Man sieht, polnischer Black Metal ist faszinierend breit gefächert und bleibt doch in seiner Essenz den Wurzeln des Black Metals treu. Meint im Klartext, auch hier gilt noch immer mehr die Maxime Kälte, Hass und Verzweiflung erzeugen als Können an den Instrumenten (obwohl dies unzweifelhaft zuhauf vorhanden ist!). Es zählt mehr der Wille eine gewisse Stimmung und Atmosphäre zu erzeugen als zwangsläufig eine Liste an gewissen musikalischen Merkmalen abzuhaken. Besser etwas mit eigener Identität und Beständigkeit erschaffen, als nur (gut) zu kopieren, was andere schon getan haben.

So ist polnischer Black Metal auf der einen Seite unglaublich eigen und doch verbunden, da trotz der Andersartigkeit der einzelnen Projekte jeweils etwas ganz eigenes gegenüber Black Metal aus anderen Ländern durchschwingt, zumindest in meinen Ohren… ob man das jetzt nur auf die polnische Herkunft als verbindendes Element reduzieren kann oder sollte, ist natürlich fraglich, zumal auch äußerst subjektiv interpretiert.

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10.11.2018

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