Below The Skin
MOONSPELL-Drummer Mike Gaspar über (seine) Tattoos

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Below The Skin

Körperkunst ist auch heute noch ein Thema, das heftig polarisiert. Während einige Menschen Tattoos, Piercings und Co. als einen kritikwürdigen Eingriff in den eigenen Körper empfinden, ist es für viele wichtig, die eigene Persönlichkeit auch optisch zu präsentieren.

Unsere Interviewreihe „Below The Skin“ widmet sich der gerade in der Rock- und Metal-Szene sehr häufig anzutreffenden Körperkunst, der künstlerischen Gestaltung des menschlichen Körpers mit Tattoos, Piercings, Brandings, Implants oder auch Scarring, Shaping und Bodypainting.

 

Während sich MOONSPELL im Studio aufhalten um ihr neues Album aufzunehmen, hatte ich die Gelegenheit einige Minuten mit Mike Gaspar (Drums) über dieses Thema zu sprechen. Ich erfuhr nicht nur, dass er sein erstes Tattoo erst vor acht Jahren von einer finnischen Künstlerin hat stechen lassen, sondern auch, dass für ihn diese Art von Kunst eine Befreiung darstellt…

Mike, welche Bedeutung haben Tattoos für dich ganz allgemein?

Tattoos sind meiner Meinung nach der einzige Weg die eigene Persönlichkeit hervorzuheben und sich als Individuum vom Alltagsleben ein Stück weit abzugrenzen. Tattoos sagen viel über deine Herkunft aus, erzählen deine Geschichte und geben ein Stück weit auch deine Erfahrungen wider, die du in deinem Leben gesammelt hast. Diese Art von Körperkunst lässt dich deinen Körper aufs Neue genussvoll erfahren.

Wann hast du dir dein erstes Tattoo stechen lassen, und welches Motiv war das?

Für einen Drummer in einer Metal-Band bin ich ziemlich spät damit angefangen mich tätowieren zu lassen… (lacht) Ich war 27 Jahre alt – jetzt bin ich 35 – und hatte gerade eine achtjährige Beziehung hinter mir. Zeit, sich zu verändern! Das klingt jetzt wie ein Klischee, ich weiss, aber meine Familie und das Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, war sehr konservativ eingestellt und Tattoos gegenüber alles andere als aufgeschlossen. Mein erstes Tattoo habe ich deshalb als Befreiung erachtet, als Befreiung von diesem ganzen Bullshit, der mich jahrelang verfolgte und als Befreiung meiner selbst. Ich habe mich endlich selbst so akzeptieren können, wie ich war und sein wollte. An diesem Tag habe ich mir einen großen Totenkopf und gekreuzte Knochen auf meinem Rücken stechen lassen.

Warum gerade dieses Motiv?

Dieses Motiv habe ich als einen hervorragenden Anfang betrachtet, und es entwickelte sich zu einer wunderbaren Therapie! Als ich den Entschluss gefasst hatte, mir ein Tattoo machen zu lassen, und dieses Motiv gesehen habe, war das der erste Schritt in eine neue Welt für mich, in die ich mich auf Anhieb verliebte. Die Erfahrung mit der Tätowiererin und ihrer eigenen Art Kunstwerke auf den Körper zu zaubern, hat mich ernsthaft inspiriert. Sie kam aus Finnland und arbeitete damals in Sintra, Portugal. Diese düstere Art von Kunst fasziniert mich und repräsentiert meine Welt und alles, an das ich glaube. Das Skelett ist die Struktur eines Körpers, genauso wie Drums für die Musik. Für mich und mein Leben hat dieses Motiv eine sehr große Bedeutung, es gibt mir Kraft, das Leben zu leben und wie ein Stein in der Brandung gegen bestimmte Dinge im Leben anzustehen, die nicht Teil deiner Überzeugung sind.

Was war die für dich überraschendste – positiv oder negativ – Reaktion, die du jemals auf eines deiner Tattoos bekommen hast?

Eine wirklich lustige aber liebenswerte Begegnung hatte ich mal mit einer alten Frau, die der festen Überzeugung war, dass ich eine Strumpfhose tragen würde, als sie den großen Drachen auf meinem Bein sah… (lacht) He He. Weniger lustig sind dann solche Reaktionen, wenn man mich aufgrund meiner Tattoos als Kriminellen abstempelt oder man mich aus Angst bewusst versucht zu meiden.

Die ergreifendsten Momente aber sind sicherlich solche, wenn sich Fans mit mir über Musik und Tattoos unterhalten und einige dann auch ihre eigenen von MOONSPELL inspirierten Tattoos zeigen. Das ist eine große Ehre. Es ist schwer zu beschreiben wie tief dieses Gefühl geht, zu sehen, dass sich andere durch deine Musik inspiriert fühlen, aber genau in solchen Momenten weiss ich, dass wir aus dem selben Holz geschnitzt sind und auf einer Wellenlänge liegen! Natürlich habe ich auch selbst einige coole Motive, die von meiner Band inspiriert sind.

Hast du eigentlich jemals eines deiner Tattoos bereut oder würdest du vielleicht etwas ändern lassen wollen, wenn das möglich wäre?

Das ist eine interessante Frage, die mir seltsamerweise sehr häufig gestellt wird… Ich habe einen guten Freund, der in Brasilien lebt, und er ist wirklich von Kopf bis Fuß tätowiert. Er sagte einmal folgendes, dem ich uneingeschränkt zustimme: „Wenn ich eines Morgens ohne meine Tattoos aufwachen würde, wäre ich nicht mehr ich selbst.“ Ich würde die Tattoos schlichtweg vermissen, denn sie werden ein Teil von dir, genauso wie alle Gliedmaßen, mit denen du geboren wurdest. Ich betrachte meine Tattoos außerdem wie Kinder – du lernst sie so zu akzeptieren wie sie sind und liebst sie. Die Geschichte hinter jeder einzelnen Tätowierung macht den Unterschied. Aber nicht jeder erkennt diese Feinheit.

Hast du bereits Pläne für ein weiteres Tattoo?

Ich habe so viele Ideen in meinem Kopf… Bei einem Tattoo bleibt es doch nie – je mehr du davon hast, desto mehr möchtest du haben. Interessant wird es, wenn dir nicht mehr die Tattoos als erstes ins Auge fallen, wenn du dich selbst betrachtest, sondern die leeren Stellen am Körper. Dann fühle ich mich manchmal irgendwie nackt, obwohl mir einige Leute bereits gesagt haben, dass ich angeblich keine großen Stellen mehr hätte für neue Tattoos! Aber weisst du, einige Leute sagen das Glas ist halb voll, andere sagen es ist halb leer! (lacht) Aber mittlerweile lasse ich mir Zeit meine Ideen umsetzen zu lassen. Ich bin mit großen Motiven angefangen, an denen teilweise mehr als 20 Stunden gearbeitet wurde, und jetzt kommen erstmal wieder kleinere Motive, die viel schneller fertiggestellt werden können. Ich lasse mich auch gern von Tätowierern selbst inspirieren. Manche Künstler sind so unglaublich gut, so dass ich einfach die Chance wahrnehme und mir von denen neue Kunst unter die Haut stechen lasse. Zuletzt habe ich zum Beispiel Roberto Hernandez auf unserer Tour mit SEPTIC FLESH kennengelernt. Er hat bereits fantastische Arbeit an den Jungs von SEPTIC FLESH geleistet, und von ihm möchte ich mich ebenfalls stechen lassen, sobald ich wieder etwas mehr Zeit gefunden habe.

Welche Tipps kannst du jemandem geben, der sich für Tattoos interessiert, sich aber aufgrund von Vorurteilen oder dem Berufsleben immer wieder dagegen entscheided?

Wenn du in einem konservativen Umfeld aufgewachsen bist so wie ich, ist es unter Umständen hart zu dieser Art von Körperkunst zu stehen. Auch ich habe damals darüber nachgedacht, wie Freunde und Arbeitskollegen reagieren könnten, und mich vor möglichen Reaktionen meiner Familie und des sozialen Umfelds gefürchtet. Meine ersten Tattoos habe ich deshalb auch bewusst an Stellen gewählt, die niemand ohne weiteres sehen konnte, so dass sich auch niemand daran stößt. Diese Möglichkeit hat jeder, Tattoos zu realisieren. Im Nachhinein aber, als ich mich schließlich selbst so akzeptieren konnte wie ich bin, kann ich nur sagen: Einfach machen! Du kannst dich auf Dauer einfach nicht verstellen und so tun, wie du nicht bist. Wenn du ein Tattoo haben willst und es auch an einer Stelle haben möchtest, die sichtbar ist, dann lebe dieses Gefühl. Ich fühle mich heute tausendmal besser als zuvor. Lass dir nicht deine Träume vorschreiben – fuck that – sondern realisiere sie. Früher oder später werden die Leute aus deinem Umfeld, die vorher die größten Gegner von Tattoos waren, deine Einstellung respektieren. Manchmal ist es auch einfach Neid, der aus diesen Leuten herausspricht, nur weil sie sich selbst nicht trauen das zu machen, was sie eigentlich wollen. Deshalb: Lasst euch tätowieren wenn ihr wirklich dahinter steht. Tattoos können euer Leben bereichern!

 

Erst vor wenigen Tagen haben MOONSPELL einen Deal mit Napalm Records für den Nachfolger ihres 2009 veröffentlichten Albums „Night Eternal“ unterschrieben.

01.01.2012
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