Baroness
Das meint die Redaktion zu "Yellow & Green"
Special
„Yellow & Green“, das neue, vieldiskutierte Doppelalbum von BARONESS hat in unserer Redaktion zumindest ein gemeinsames Fazit ermöglicht: Ein Durchlauf ist nicht genug, um abschätzen zu können, ob die Scheibe nun ein Überflieger oder ein missglücktes Experiment ist. Da viele Ohren deutlich mehr hören als nur zwei, haben wir uns dem Werk von verschiedenen Seiten genähert, und trotz des ein oder anderen Hörers, dessen Erwartungen nicht erfüllt wurden, haben Einige das Potenzial des Albums nach einer Weile erkannt. Vielleicht ist „Yellow & Green“ eines jener Alben, zu denen man in einem halben Jahr ein völlig anderen Bezug hat. Aber das wird die Zeit zeigen.
Hier die Meinungen unserer Redaktion.
BARONESS haben im Lauf ihrer achtjährigen Bandgeschichte unmissverständlich gezeigt, dass sie keinen Gefallen an Linearität finden, und so ist auch ihr neustes Machwerk „Yellow & Green“ eine Liebeserklärung an das Vor-Den-Kopf-Stoßen. Dass das farbfixierte Vierergespann aus Savannah, Georgia, sich nach feurigem Rot und kontemplativem Blau nun zwei traditionell mit Hoffnung und Glück assoziierten Farben zuwendet, schlägt sich auch entsprechend in der Musik nieder. Die Konsequenzen der Farbgebung haben -man kann es nicht anders sagen- dem Sludge-Genre eine Umgangssprache gegeben. Um das begreifen zu können, muss man erst einmal nachvollziehen, was BARONESS auf ihrem neuen Machwerk eigentlich bewerkstelligt haben.
Man könnte „Yellow & Green“ als Hipster-Sludge bezeichnen, wenn man etwas böswillig sein wollte. Das wäre zwar unangebracht, würde dem ersten Eindruck jedoch gerecht werden. Ich will nicht verleugnen, dass dieses zweiteilige Mammutwerk, an dem BARONESS drei Jahre herumgewerkelt haben, mich anfangs überwiegend zum Kopfschütteln bewegt hat. Schrammelriffs, wie man sie auch von MASTODON kennt, verknüpfen sich mit Flower-Power-Ästhetik, dem Pioniergeist früher Progressive- und Psychedelic Bands und melodiösen Rockcharakter zu einer verschrobenen Mixtur. Auch wenn sich zwischen den beiden Teilen „Yellow“ und „Green“ leichte Unterschiede erkennen lassen, so überwiegen doch eher die Gemeinsamkeiten. So gekonnt sich BARONESS jedoch in Szene setzen, es fehlt bei aller Coolness noch an Witz, womit ich in erster Linie sagen möchte, dass das Material zwar anecken möchte, beim Provozieren jedoch nicht genug Biss an den Tag legt. Das ist schade. Schade ist auch, dass neben Nummern wie dem als Single ausgekoppelten „March To Sea“ oder „Board Up The House“ öfters unentschlosssenes Geplätscher den Ton angibt. Zwischen den meist sehr pfiffigen Arrangements und Harmonien finden sich immer wieder kleine Perlen („Mtns. (The Crown And Achor)“, „Concanium“ oder „Collapse“), es fehlt dem Material jedoch an Dichte. Das Album wabert als Gesamtbild noch etwas zu formlos dahin und lässt die Zielstrebigkeit vermissen, die man von einer Band wie BARONESS erwarten darf.
„Yellow & Green“ ist ein ambitioniertes Spiel und ein Versuch, genreübergreifend ein Gefühl zu artikulieren, das ich irgendwo zwischen aufkeimender Hoffnung und der Wehmut einer großen Reise einordnen würde. Euphorische Erwartung und Trennungsschmerz vermählen sich hier musikalisch und konzeptuell zu einem Werk, das einen als kritischen Hörer nur vor Rätsel stellen kann. „Yellow & Green“ ist keine Granate, die zündet und eindeutig klarstellt, was Sache ist. Es ist, bei all seiner zündenden Energie, zu zögerlich, um bahnbrechend zu sein. Aber eines ist sicher: Dieses Album ebnet Wege zu einem neuen Verständns der Band und zu einem neuen Selbstverständnis für die Band selbst. Insofern sollte „Yellow & Green“ als eine stolze Wegmarke honoriert werden, die es trotz schwächerer Momenten schafft, neue, weitgefächerte Schnittstellen anzudeuten- das meinte ich mit Umgangssprache.
Yannick Lengkeek (7/10)
„Yellow And Green“ ist zugegebenermaßen meine erste Begegnung mit BARONESS – und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich nicht das Gefühl habe, mit den Vorgängern „Red Album“ und „Blue Record“ etwas verpasst zu haben.
Keine Frage, BARONESS wissen offenkundig, was sie tun (oder tun wollen), und ich habe lange überlegt, warum „Yellow & Green“ mich trotz seiner technischen und musikalischen Souveränität nicht so recht begeistern kann. Ich bin auch immer noch nicht ganz sicher, aber ich vermute, es ist Folgendes:
BARONESS scheitern in meinen Ohren an der (zugegeben sehr schwierigen) Balance zwischen Eingängigkeit und ihrem eigenen Anspruch an die sprichwörtlichen „Ecken und Kanten“. Genauer habe ich das Gefühl, dass BARONESS sich mit ihren eingängigen Hooks/Gesangslinien auf der einen Seite und schrägen Vorhalten in den Gitarrenmotiven und einem „kantigen“ Sound auf der anderen Seite ziemlich arg zwischen die Stühle setzen. Ich weiß zwar, dass der Vergleich mit mehr als nur einem Bein hinkt, aber: Die Finnen von FOR THE IMPERIUM haben kürzlich gezeigt, wie man’s macht. Sicher, die Jungs gehen drei Schritte weiter und verwursten ALLES auf ihrem Weg zu einer Mixtur aus schräg(st)em Metal und Fast-Pop, statt sich wie BARONESS stilistisch festzulegen.
Ich weiß nicht mehr, wer es gesagt hat (Nietzsche?), aber mir schwirrt bei diesen Zeilen durch den Kopf, dass „wahre Kunst immer erst aus der Übertreibung der Wirklichkeit“ entsteht. BARONESS übertreiben es nicht, im Gegenteil: Viel zu gefällig ist das Gesamtbild, der Gesang klingt zum Teil fast gelangweilt. Vor allem, wenn man an Songs wie „Take My Bones Away“ oder „Eula“ hört, dass es auch anders geht. Insgesamt gibt’s von mir also ein klares „meh!“.
Falk Wehmeier (6/10)
Bisher waren BARONESS-Veröffentlichungen immer eine eindeutige Angelegenheit. „Yellow & Green“ jedoch entfernt sich nicht nur aufgrund seines zwei Farben auf einen Streich verwurstenden Titels von seinen beiden Vorgängern, dem „Red Album“ und dem „Blue Record“ – nein, auch die Musik selbst entpuppt sich zwischen 70er-Rock, Punk-, Stoner- und Folk-Versatzstücken auch aufgrund einer farbenfrohen Produktion vielschichtiger als zuvor.
Diejenigen, die lediglich vom Sludge der Anfänge und dem schwer rockenden Debüt der US-Amerikaner angetan waren und sind, wird das neueste Werk wahrscheinlich noch viel mehr als das bei noch recht hohem Härtegrad ruhigeren, progressiven Passagen bereits Platz einräumende zweite Album vor Probleme stellen. Aber Grund für Gezeter gibt es eigentlich nicht, zeigt „Yellow & Green“, das 75-minütige (Doppel-)Album, doch nur die konsequente Weiterführung einer natürlich erscheinenden – wenn auch rasch vollzogenen – Entwicklung hin zu mutiger, scheuklappenloser Rockmusik. Vom Prinzip her ganz ähnlich der letztjährigen MASTODON, vielleicht einen Tick gewagter.
Die „Yellow“-Hälfte umschmeichelt mit melodischen, Riff-basierten Ohrwürmern voller warmem Gesang. So besticht „Take My Bones Away“ mit seinem hymnischen Chorus, „Cocainium“ standesgemäß mit stark psychedelischer Schlagseite, während bei den pumpenden „March To The Sea“ und „Sea Lungs“ die vergangene Wucht BARONESS‘ noch einmal ganz verschämt durchscheint. Bis auf ein, zwei Ausnahmen („The Line Between“) noch etwas entspannter, teilweise geradezu verträumt, zeigt sich die zweite, grüne Hälfte: „Strechmaker“ mit seinem klaren Saitengezupfe, von Akustikgitarre und Effekten gezeichnete, sanft wabernde Lieder wie „Mtns. (The Crown & Anchor)“ und „Collapse“ sowie gar ganz leise Instrumentalstücke à la „If I Forget Thee, Lowcountry“ bestimmen das Bild.
Obwohl „Yellow & Green“ 18 Kompositionen umfasst, gleicht hier kaum eine der anderen. Überall wimmelt es von interessanten Details und Experimenten und doch gelingt es dem Quartett aus der US-Ostküstenstadt Savannah, alles wie aus einem Guß erscheinen zu lassen und dabei viele schöne, umschmeichelnde Melodiephrasen mit Leben zu füllen. Ja, zugegeben, man hat sich auch zwei, drei Brecher im alten Stil gewünscht, die der Scheibe noch eine weitere Facette gegeben hätten. Aber seien wir ehrlich, eine Band, die sich nicht wiederholen möchte, sondern ihr Tun auch für sich selbst spannend halten will, ist doch aus künstlerischer Sicht nur verständlich.
Christoph Meul (7/10)