Ballroom Hamburg
"The Flame Still Burns" - Interview mit Oliver Otto
Special
Der Ballroom in Hamburg, „The Rockin‘ Ass Kick From The Waterkant“, gehörte viele Jahre zum Inventar der Stadt und war für Szenegänger ein Muss, nicht nur weil sich dort auch regelmäßig illustre Gäste aus aller Welt und jede Menge Rock- und Metal-Musiker die Klinke in die Hand gaben, sondern auch und vor allem wegen der familiären Atmosphäre des Clubs. Wir haben mit Oliver Otto, der 1998 im Büro des damaligen Managers von HELLOWEEN, Harrie Smits, arbeitete und nebenher als DJ im Headbanger’s Ballroom tätig war, bis er Silvester 2001/2002 den Club übernahm, über den Club und die Hamburger Szene gesprochen.
Moin Olli, der Ballroom Hamburg war lange Zeit Dreh- und Angelpunkt der Hamburger Rock- und Metal-Szene. Ihr konntet damals eine ganze Reihe an illustren Gästen im Club begrüßen. Kannst du uns mal aufzählen, wer zu den prominentesten Gästen zählte, und hast du vielleicht eine interessante Geschichte dazu parat?
Die Zeit am Fischmarkt war wirklich legendär. Stammgäste wie HELLOWEEN, GAMMA RAY, PARAGON und STORMWARRIOR gehörten schon zum Inventar. Wir feierten unter anderem Parties mit IRON MAIDEN, RUNNING WILD, JUDAS PRIEST, RAMMSTEIN, DORO, HAMMERFALL, OVERKILL und auch NIGHTWISH, und die ersten Konzerte von VOLBEAT, MASTERPLAN und SABATON haben bei uns im Club stattgefunden. Außerdem auch Videodrehs von EDGUE und MASTERPLAN… Ein ganz besonderes Highlight war auch die Zeit von 2003 bis 2007, denn damals hatte Mike Terrana seinen Proberaum bei uns im Keller. Das alles ist schon locker Stoff für 1.000 gute Geschichten…
Zu meinen persönlichen Highlights aber zählt die Party nach der Geburt meines Sohnes, bei der zufällig JADED HEART bei uns gespielt haben – mit allen Freunden im Ballroom zu feiern, das ist unvergesslich. Persönlich stolz bin ich natürlich auch über unsere Doppel-CD „The Flame Still Burns“ die wir zum Abschied vom Fischmarkt veröffentlicht haben. Dafür haben MASTERPLAN, JADED HEART, ERIC FISH, JEFF SCOTT SORO, RAGE und noch einige andere den Song aus dem Movie „Still Crazy“ neu aufgenommen – das war einfach der Wahnsinn.
Ihr habt 2005 euren Namen geändert. Der Headbanger’s Ballroom hieß plötzlich nur noch Ballroom. Warum eigentlich?
Wir haben den Headbanger aus zwei Gründen aus dem Logo gestrichen: Zum einen wollte ich den Namen der Stadt Hamburg irgendwie in das Logo mit einbringen, und „Headbanger’s Ballroom Hamburg“ war einfach zu lang. Der zweite Grund dafür war, dass wir am Anfang eher als harte Metal- und Death-Spelunke verschrien waren, und ich mit dem Namen „Ballroom Hamburg“ einfach auch andere Musikrichtungen mit einfließen lassen wollte.
Nun seid ihr seit geraumer Zeit aber nicht mehr am Fischmarkt anzutreffen. Ihr habt einige Monate auf’m Kiez ein paar Konzerte organisiert und 2011 gab es auch einen Ballroom in Osnabrück, aber all das liegt jetzt erstmal hinter euch. Was ist da alles in der Zwischenzeit mit dem Ballroom geschehen? Kannst du eure Geschichte nochmal etwas aufrollen?
Die letzten Jahre waren wirklich eine Odyssee für uns. Los ging es Mitte/Ende 2009, als schließlich klar wurde, dass unser zum Januar 2010 auslaufender Mietvertrag nicht verlängert wird. Die Mieterhöhung und die damit zusätzlich verbundenen Verpflichtungen waren einfach zu hoch und wir haben uns trotz vieler Gespräche leider nicht mit dem Vermieter, einer Bank in Frankfurt, einigen können. Das Problem war, dass der bis dahin für uns zuständige Sachbearbeiter – der auch die Rock-History vom Ballroom gut kannte und zu dem ich persönlich einen guten Draht hatte – seit Anfang 2009 nicht mehr für die Bank arbeitete und ich es seitdem mit stumpfen Bürokraten aus Frankfurt zu tun hatte. Nun ja, wir haben uns dann gesagt, dass wir das Positive aus der Situation heraus ziehen und mit dem Ballroom einen neuen Level erreichen wollen. Es war klar: Wir müssen auf die Reeperbahn. Nach langem Suche kam kurz vor dem Ende am Fischmarkt das Angebot, den Ballroom im berühmten Café Keese unterzubringen. Da war die Euphorie natürlich groß. Leider sollte sich das als ganz großer Fehler herausstellen; wir waren einfach zu naiv um zu erkennen, dass dort der Hase etwas anders läuft als am Fischmarkt. Kurzerhand wurde uns mit einer sich im fünfstelligen Bereich befindenden Maklerprovision ein Vertrag untergejubelt, mit dem wir uns total über den Tisch haben ziehen lassen. Auf einmal konnten wir nur zu gelegentlichen Terminen in die Lokalität, es verschwanden Sachen und nach vier Monaten habe ich dann die Notbremse gezogen.
Nach Osnabrück sind wir durch ein paar dort ansässige Freunde gekommen. Bei einem gemeinsamen Umtrunk kam die Idee, in Osnabrück einen Ballroom zu eröffnen. Unser Ziel war, dort nach einer Anlaufphase ein eigenständiges Team zu haben, dass sich um den Ablauf kümmert, ich aus Hamburg das Booking mache und ab und zu mal vor Ort nach dem Rechten schaue. Die Lokalität war im Grunde der Hammer, nur leider sehr heruntergekommen. Wir hatten mit der tatkräftigen Unterstützung von vielen Freunden in kurzer Zeit alles auf Vordermann gebracht. Durch meine guten Kontakte hatten wir auch gleich Bands wie HAMMERFALL, RAGE, GWAR, BRAINSTORM, FREEDOM CALL und JEFF SCOTT SOTO am Start. Womit aber leider keiner gerechnet hat war, dass – entgegen vorheriger Zusagen – der Vermieter die für die Umwandlung der vorläufigen in eine dauerhafte Konzession dringend erforderlichen Baumaßnahmen wie zum Beispiel Notausgänge nicht mehr durchführen wollte, sowie die Tatsache, dass wir uns das Gebäude mit der Stammkneipe eines Bikerclubs teilen mussten, die auf Leute aus Hamburg nicht gut zu sprechen waren. Der daraus resultierende Stress – der gemeinsame Eingang wurde gleich am ersten Abend für uns zunächst verschlossen und Gäste wurden auf dem Weg zu uns bepöbelt und sogar bedroht – war neben den Problemen mit dem Vermieter der Hauptgrund, warum wir uns aus Osnabrück wieder zurückgezogen haben.
Wir konnten und also wieder voll und ganz auf Hamburg konzentrieren und es ergab sich dann Anfang 2012 die Gelegenheit im Rock’n’Roll Warehouse Veranstaltungen durchzuführen. Das Warehouse war kurz zuvor von einer kleinen zu einer größeren Location umgezogen, so dass dann auch ein größerer Raum zur Verfügung stand, in dem wir nun regelmäßig Konzerte veranstalten.
Wie steht’s denn deiner Meinung nach überhaupt mit der Rock- und Metal-Szene in Hamburg? Hat sich da eigentlich in den letzten Jahres grundlegend etwas geändert? Gibt es etwas, was du vermisst oder auch etwas, auf das du gerne verzichtest?
Ja, es ändert sich ständig etwas, die Szene ist in einem konstanten Wandel. Ein Jahr ist mehr Death/Black Metal angesagt, ein anderes Jahr wieder mal Heavy Metal, und jetzt kommt gerade der Hairspray Metal wieder in Gang. Das ist auch gut so, so wird es nie langweilig!
Grundlegend hat sich natürlich das Konsumverhalten der Gäste geändert. Das Club-Hopping gehört jetzt zum Standard, die Abwechslung wird gesucht und der Kampf um jeden Gast ist härter geworden. Das Geld ist überall knapp und da wird sich schon genau überlegt wo man seine Taler ausgibt. In Hamburg gab es lange Zeit auch keine wirklichen Alternativen – jetzt gibt es zum Glück das Rock Café wieder, aber auch das Three Monkeys oder das Night Light haben sich als Metal-Treffpunkt etabliert und die Szene kann wählen. Ich finde das auch verdammt wichtig, weil es nichts Schlimmeres gibt als Stillstand und Langeweile.
Ich vermisse natürlich die regelmäßigen Parties und Geschichten im eigenen Club, verzichten kann ich allerdings getrost auf diese ganzen Besserwisser, Miesmacher und Neidhammel in der Szene. Es wird viel kaputt geredet und ich finde diesen Trend, „wenn ich etwas schlecht rede bin ich geil“ ziemlich befremdlich. Es ist doch genug musikalische Auswahl vorhanden und jeder hat einen eigenen Geschmack, warum also dieses ständige Gemecker?
Wenn du den eigenen Club so vermisst, warum gibt es den Ballroom nicht mehr, sondern nur noch als Veranstalter?
Das hat mehrere Gründe. Nach dem Desaster auf der Reeperbahn und den Erfahrungen in Osnabrück ist etwas die Luft raus sich wieder einen eigenen Club ans Bein zu binden. Eine gute Location in Hamburg zu finden, die finanzierbar ist und eine gute Lage hat, ist auch alles andere als einfach. Ich bin mittlerweile verheiratet und habe einen vierjährigen Sohn, der mein absoluter Lebensmittelpunkt geworden ist – da ist auch das Thema „Sicherheit“ auf einmal ziemlich wichtig geworden und die „Risikobereitschaft“ hat abgenommen. Was jetzt nicht heißen soll, dass es den Ballroom als eigenständigen Club nie wieder geben wird… Mal schau’n, was sich zukünftig so ergibt…
Ihr habt euch in der Zwischenzeit verstärkt dem Merchandising, Booking und dem Management verschrieben. Wer wird von euch betreut?
Das hat sich eigentlich alles aus den Freundschaften zu den Bands entwickelt. Allen voran natürlich durch Rolf von RUNNING WILD. Ursprünglich hatte ich nicht geplant, mich in diesem Bereich verstärkt zu engagieren, sondern wollte Rolf lediglich mit dem Merch helfen, und dann bin ich irgendwie so da reingerutscht bis hin zur Organisation der „Final Jolly Roger“ Show von RUNNING WILD in Wacken 2009. Das war natürlich eine Riesennummer für uns.
Eine Freundschaft entstand auch zum SAVATAGE/CIRCLE II CIRCLE-Sänger Zak Stevens, und da habe ich dann auch bei der letzten Tour einiges organisiert. Dazu kommen die Newcomer aus der MASTERPLAN-Schmiede SEBASTIEN oder Frankreichs Vorzeige-Metal-Band NIGHTMARE. Mit MASTERPLAN verbindet uns natürlich darüberhinaus auch noch ein ganz besonderes Verhältnis. Roland kannte ich ja schon aus meiner Zeit mit HELLOWEEN, und spätestens nachdem die Jungs für uns den Song „Headbanger’s Ballroom“ geschrieben haben gehören MASTERPLAN fest zur Ballroom Family.
Der Ballroom hat ja erst auch im Pyrates in Hamburg und mittlerweile im Rock’n’Roll Warehouse eine neue Bleibe gefunden, wo regelmäßig Veranstaltungen von euch laufen. Wie ist der Zuspruch? Habt ihr ein festes Publikum, oder wechselt das von Veranstaltung zu Veranstaltung?
Im Pyrates haben wir nur ein paar kleine Sachen gemacht, auch ein bisschen aus Nostalgie, da sich die Bar am Fischmarkt befindet. Dort sind aufgrund der Größe mittlerweile aber auch keine Konzerte mehr möglich.
Im großen und ganzen bin ich nach wie vor über den Zuspruch überwältigt. Obwohl es den Ballroom seit nun drei Jahren am Fischmarkt nicht mehr gibt, sind wir aus der Szene nicht wegzudenken und haben auch immer noch ein gutes Stammpublikum, wenn wir Veranstaltungen machen. Unser Merch mit unserem Clublogo verkauft sich super und wird gerne auch von den Bands getragen.
Meine Crew ist mir seit Jahren treu und es haben sich viele Freundschaften ergeben.
Wie wird’s mit dem Ballroom in Zukunft weitergehen? Welche Pläne habt ihr? Wird es vielleicht sogar doch noch einmal einen eigenen Club mit fester Adresse geben?
Im Moment veranstalten wir ja unsere Konzerte im Rock’n’Roll Warehouse in der Friedensallee 126a in Hamburg-Bahrenfeld. Ein Hauptthema wird aber auch der Ausbau von unserem Merchandise sein. Durch die Freundschaft zu den Jungs von SABATON gibt es unsere Artikel jetzt sogar auch in Schweden. SABATON haben ja mit „Rockstad: Falun“ ein eigenes Festival mit einem dazugehörigen riesigen Online-Shop.
Dann steht gerade die Idee im Raum ein Internetportal aufzubauen, um den kleineren Bands eine Plattform zu bieten, wo sie sich untereinander austauschen können, aber auch ihre eigenen Songs und Shirts vertreiben können. Der Ballroom soll natürlich weiterhin als Marke für die Szene stehen. Wir organisieren Release-Parties, Konzerte und machen auch „Auswärtsspiele“. Du kannst uns also sozusagen auch für die Scheunenfete zu Hause buchen. (lacht) Natürlich schauen wir auch mit einem Auge immer noch nach der richtigen und festen Location für uns… Frei unserem Motto: „The Flame Still Burns“.
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Oliver sollte mal seine Schulden bei Freunden bezahlen.