Ava Inferi
Listening-Session zum neuen Album "Blood Of Bacchus" - exklusiv auf metal.de!

Special

Kann es für einen Schreiberling angenehmere Zufälle geben? Da sind AVA INFERI, das neue Hauptbetätigungsfeld von Ex-MAYHEM-Gitarrist Rune “Blasphemer“ Eriksen, als Support von TIAMAT und THE 69 EYES auf Europa-Tour – und pünktlich zu ihren Stationen in Deutschland erreicht die Master-CD des gerade fertig gestellten Albums “Blood of Bacchus“ die Band. Was liegt also näher als eben jene trotz des stressigen Tourlebens der Fachpresse vorzustellen – vor allem wenn man, so wie Rune und Sängerin Carmen Simoes, sichtlich stolz auf das Resultat ist!? Zu Recht, wie sich während der knappen 54 Minuten herausstellt…

Ava Inferi

01 – Truce
Nanu? Sind das etwa Black Metal-Leadgitarren, die da in ein Doom/Gothic Metal-Album einleiten? Die erste vermeintliche Überraschung ist natürlich keine, wenn man Rune Eriksens musikalische Vergangenheit kennt – und löst sich auch schnell in Wohlgefallen auf, denn bald gesellen sich unverzerrte Gitarren hinzu, beherrschen die Szenerie sogar für kurze Zeit. Es folgt der erste metallische Ausbruch des vermutlich als Intro dienenden “Waffenstillstandes“ – und der trägt in jeder Note Eriksens Handschrift. Akzentuiertes Schlagzeug und der noch textlose Gesang Carmens ergänzen die Gitarrenfiguren, doch ehe man sich versieht, hat “Truce“ bereits sein Ende erreicht und leitet direkt in das folgende…

02 – Last Sign of Summer
…über. Nach einer kurzen Einleitung tritt Carmens Gesang zum ersten Mal in den Vordergrund – leider, so muss ich sagen, denn ihre oft zweistimmigen Gesangslinien sind für meinen Geschmack einen Tick zu laut abgemischt. Der Hall auf ihrer Stimme tut sein Übriges, kurzum: Ich finde es ein bisschen schade, Runes Gitarrenarbeit im Hintergrund verblassen zu sehen. Im Refrain serviert mir eben jener ein Riff, das so auch auf einer der letzten OPETH-Alben hätte stehen können, natürlich nicht ohne auf die charakteristischen Breaks zu verzichten, die man schon von den letzten MAYHEM-Veröffentlichungen kennt. Der gut gemachte Wechsel zwischen sehr progressivem Refrain und unverzerrten Strophen deutet die Marschrichtung des Albums an – ein hohes Maß an Dynamik und Variation hat den Weg auf “Blood of Bacchus“ gefunden, auf “The Silhouette“ konnte man im Vergleich nur – haha! – Silhouetten davon hören. “Last Sign of Summer“ vereinigt alle Stärken AVA INFERIs und lässt sogar noch Platz für ein jazziges Zwischenspiel, welches auch mal Bassist Jaime Ferreira ein wenig in den Vordergrund rückt.

03 – Colours of the Dark
In seiner grundsätzlichen Ausrichtung ähnelt “Colours of the Dark“ seinem Vorgänger, metallische Abschnitte wechseln sich mit unverzerrten Passagen ab, ergänzen sich gegenseitig. Ich fühle mich beim Anhören an den Anfang der 90er Jahre zurück versetzt – das Stück versprüht ein Feeling, das mich an THEATRE OF TRAGEDYs gleichnamiges Debüt-Album erinnert. Das hier Gebotene klingt zwar deutlich dynamischer und insgesamt auch metallischer – ganz zu schweigen von der Produktion, die nicht nur besser als damals ist, sondern auch für heutige Verhältnisse ganz weit vorn ist –, ein Hauch Nostalgie ergreift mich aber doch. Was mir während dieses Songs auch auffällt, ist der Tonumfang, in dem sich Carmen bewegt: Von verhältnismäßig tiefen Intonationen bis hin zu extrem hohen Vocals ist alles dabei. Noch dazu macht die Harmonik der Gitarren es sicherlich nicht einfach, klaren Gesang zu arrangieren und umzusetzen – Carmens Gesangslinien erscheinen mir sehr anspruchsvoll und ich ziehe an dieser Stelle stellvertretend für das gesamte Album meinen Hut. Gegen Mitte des Songs wird das Tempo kurzfristig angezogen und gibt Rune Gelegenheit, ein paar seiner typischen Gitarrenläufe einzubringen – “Grand Declaration of War“ in Doom.

04 – Black Wings
Wie auch auf dem Vorgängeralbum “The Silhouette“ setzen AVA INFERI auf ein akustisches Intermezzo, schnell wird jedoch auch hier deutlich, dass Dynamik und Variation eine wachsende Rolle spielen: Nach einem kurzes Solo Carmens darf nämlich auch Gastsänger Krystoffer “Garm“ Rygg ran, der – wie sollte es anders sein? – mit seinem mehrstimmigen Gesang auch dieses Stück veredelt. Klavier und ein Cello tun ihr Übriges, um “Black Wings“ zwar zum kürzesten, aber vielleicht auch zu einem der berührendsten Stücke zu machen.

05Appeler les Loups

Dieser Song, der trotz eines französischen Titels (“Anruf an die Wölfe“ sagt Google; der Titel war laut Rune ein spontane Studio-Idee – und Bassist Jaime der französischen Sprache ausreichend mächtig) einen portugiesischen Text besitzt, ist mit knapp neuneinhalb Minuten der längste des Albums. Sehr doomig geht es los und erstmals ist deutlich ein Klavier zu hören. Dynamik wird auch hier groß geschrieben, denn neben den sehr schweren Rhythmus-Gitarren finden immer wieder ruhige Zwischenspiele mit sehr leisen Drums und Klavierfiguren ihren Weg in den Song. Wahnsinn, dieser Wechsel zwischen Laut und Leise – der Song erinnert mich mehr als einmal an “Completion in Science of Agony“ von der “Grand Declaration of War“… Doch plötzlich: Ein relativ einfach gehaltenes Riff, doch ist das nur die Basis für Gesangslinien, die fast das Attribut rituell verdienen. Dieser Eindruck entsteht vermutlich sowohl durch die tiefen Intonationen, als auch durch die abrupte Rhythmik und die nahtlosen Übergänge zwischen den Tönen – alle Achtung für diese Gesangsleistung, die das Ganze äußerst hypnotisch wirken lässt.

06 – Be Damned
Der Anfang des Songs schreibt mir ein deutlich lesbares “Was?“ auf die Stirn: Fingerschnipsen, Kneipengeräusche, und: jazziger Rock! Dieser Einstieg hätte sich auch gut auf einem TITO & TARANTULA-Album gemacht. Rune erzählt mir, dass das Intro auf Bassist Jaime zurückgeht, der eines Tages damit auftauchte. Die Kneipe im Hintergrund sei aber erst im Studio dazugekommen, um der Musik einen zusätzlichen Schub finsterer, rauchiger Stimmung zu verpassen. Ursprünglich sei sogar geplant gewesen, ein Stück des Debut-Albums “Burdens“ in der Kneipe laufen zu lassen, das jetzige Resultat sei aber sehr zufriedenstellend. Finster, rauchig? Ja – aber so richtig passt das noch nicht zum Songtitel! Kurze Zeit später wird der Weg wieder in Richtung Metal eingeschlagen; dass Rune eine Vorliebe für Laut-Leise-Dynamik hat, wurde bei den vorigen Songs ja schon mehr als deutlich. Spätestens beim Refrain ist “Be Damned“ ein Gothic Metal-Song, der in meinem Hinterkopf eine Glocke mit der Aufschrift “TRISTANIA – Beyond the Veil“ läutet. Aber was wären AVA INFERI ohne die kurzen schwarzmetallischen Ansätze, die immer wieder aufblitzen, den Song sogar für einen Moment zu beherrschen scheinen…

07 – Tempestade
Nach einem sehr schönen Akustik-Gitarren-Intro, das zum ersten Mal deutlich Portugal als “Herkunft“ AVA INFERIs ausweist (Runes Aussagen zufolge können auch im anderen portugiesisch gesungenen Song “Appeler les Loups“ leichte Fado-Spuren entdeckt werden, davon abgesehen seien Carmens Gesangsskalen sowieso sehr von ihrer Heimat und dem Fado beeinflusst), wirken die anschließend einsetzenden Gitarren viel schwerer, auch insgesamt klingt “Tempestade“ deutlich stärker im Doom Metal beheimatet als manch anderer Song des Albums. Als Gegenpol zu den Doom-Gitarren taucht auch wieder das Cello auf, welches wunderbare Melodien zaubert, die neben Gesang und restlicher Instrumentierung ein Eigenleben zu führen scheinen, dabei aber immer integer klingen. Gleiches gilt für den Bass, der in diesem Song ebenfalls deutlich hervortritt. Gegen Ende nimmt der Song ein wenig Fahrt auf und die Verdopplung der Gitarrenanschläge weckt Erinnerungen an einen der stärkeren Songs auf MAYHEMs “Chimera“ – namentlich “My Death“ – und erhält durch die rhythmisch verhältnismäßig einfachen Strukturen ebenso hypnotischen Charakter.

08 – Blood of Bacchus
Der Titelsong des Albums fängt selbst für AVA INFERI-Verhältnisse ungewöhnlich an – die unverzerrten Gitarren sind mit einem schrägen Effekt versehen, der irgendwie surreal wirkt. Bevor mir das so richtig klar wird, geht es aber auch schon richtig los; ein sehr zügiges Riff, das von schönen Lead-Gitarren begleitet wird. Auch Carmens Gesang fügt sich nahtlos in den Song ein, klingt so integer wie gleichzeitig auch seltsam (im positiven Sinne!) – aber gerade das macht AVA INFERI ja so besonders. Die zahlreichen Breaks festigen meinen Eindruck, mit “Blood of Bacchus“ den progressivsten und wohl auch schnellsten Song des Albums zu hören. Die Schlagzeug-Arbeit ist wunderbar akzentuiert und steht den anderen Instrumenten und dem Gesang in puncto spielerischer Klasse nichts nach. Die gefühlte Geschwindigkeit steigert sich zur Mitte des Songs sogar noch, wobei Carmens Gesang trotzdem sehr getragen und ruhig wirkt. Das muss man auch erstmal hinbekommen!

09 – Memoirs
Mit “Memoirs“ liegt vermutlich das Outro des Albums vor, obwohl das Stück mit etwa vier Minuten Länge fast Songcharakter besitzt. Nachdem tiefe Klaviertöne in das Stück einleiten, gesellen sich einzelne Gitarrenakkorde sowie Anschläge der Toms hinzu – diese wirken durch ihr recht „isoliertes“ Auftreten noch einmal mächtiger als im normalen Schlagzeug-Kontext und machen den Anfang von „Memoirs“ eine ganze Ecke schwerer. Das wird mir spätestens an der Stelle bewusst, als Drummer Joao Samora sein Drumkit wieder „normal“ bedient und auch Lead-Gitarren dazu kommen. Dieses letzte metallische Versatzstück hält sich jedoch nicht lange und mit ausfadenden Gitarren hält das anfangs erwähnte Klavier die letzten Erinnerungen an “Blood of Bacchus“ fest.

Fazit:
Mit “Blood of Bacchus“ ist AVA INFERI ein weiteres, wenn nicht DAS Meisterwerk gelungen. Ein erster, nur oberflächlicher Vergleich mit dem Vorgänger “The Silhouette“ zeigt eine deutlich metallischer orientierte Produktion, die aber nichts von ihrer Transparenz verloren hat. Außerdem scheint Rune seiner Detailverliebtheit im positiven Sinn einen weiteren Schub gegeben zu haben. Ein einzelner Durchlauf kann all der Dynamik, all der Variation, all den Ideen, die auf “Blood of Bacchus“ Verwendung gefunden haben, kaum gerecht werden – dennoch ergibt sich ein stimmiges Gesamtbild der Songs, der Blick auf das Resultat ist also trotz aller “Spielereien“ nie verloren gegangen. Ich freue mich schon jetzt diebisch darauf, “Blood of Bacchus“ auf der heimischen Anlage hören zu können und dem Album die Zeit zu geben, die es benötigt, um in all seiner Pracht aufzugehen. Das wird dauern – und das ist auch gut so!

17.04.2009

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