Ascian
Listening Session zu "Sing To Me, Sweet Void"
Special
Der Name ASCIAN sagt Euch nichts? Asche auf unser Haupt, denn auch wir haben das Debüt-Album „Elysion“, das die Band selbst eigentlich eher als EP sieht, ziemlich verpennt und es zum Release 2020 nicht mit einer Review bedacht. Um das wenigstens ein bisschen wieder gut zu machen, sei hier empfohlen, sich das Werk auf der Bandcamp-Seite von ASCIAN zu Gemüte zu führen.
Mit der zweiten Platte die, so viel sei schon einmal vorweggenommen, den Titel Longplayer dieses Mal absolut zu Recht trägt, soll uns das nicht passieren, daher hören wir frühzeitig rein. Um genau zu sein mehrere Monate vor Veröffentlichung. Gitarrist T., hat zur Listening Session geladen. An einem warmen, aber etwas verregneten Dienstagabend, darf metal.de exklusiv bei ein paar leckeren Getränken vorab in den Genuss der neuen Platte „Sing To Me, Sweet Void“ kommen, die dieses Mal übrigens komplett in Eigenregie erscheint. Mit dabei, neben dem Verfasser dieser Zeilen und T. ist außerdem der zweite Gitarrist P.
Mit der ersten düsteren Reise namens „Follow The Serpent“ packen die Braunschweiger (mit Sänger aus Würzburg) direkt ihre Trademarks aus: Ein langes, melancholisches Post-Rock-Intro, das langsam die Stimmung Richtung Funeral Doom ändert. Was neben den ausdrucksstarken Vocals von Sänger S., die hier zwischen beschwörerischem Klargesang und Black-Metal-Screams pendeln, direkt auffällt: Die geradezu sakralen Chöre, die in einigen Momenten recht stark im Vordergrund stehen. Im weiteren Verlauf öffnet sich der Song in Richtung melodischer Death Doom, bevor endgültig der Sturm losbricht, das Tempo anzieht und der Hörer von Riff-Wänden samt Tremolo-Picking förmlich überrollt wird. Ein durchaus typischer ASCIAN-Song, der aber vor allem mit seinem Finale bereits im Kopf bleibt.
Zugegeben, „The Odium Palace“ sorgt im ersten Moment für Stirnrunzeln. Ist da ein Lounge-Jazz-Song in die Playlist gerutscht? Nein, das muss so, denn ein ausgedehnter Saxophon-Part zieht sich durch den fordernden Song, eingespielt von niemand anderem als Dima Dudko von den experimentierfreudigen Ukrainern WHITE WARD. Auch abseits des Gast-Instruments wollen es ASCIAN jetzt wissen und experimentieren locker drauf los, unterlegen schnelle Blastbeat-Parts nicht nur mit Saxophon, sondern auch mit einem langsamen, im ersten Moment unpassend klingenden Doom-Riff. Dabei beginnt sich aber die Abwärtsspirale stetig weiter zu drehen, auch der Klargesang legt immer weiter an Verzweiflung zu. Ein mutiger Song, der sich sicher nicht nach dem ersten Hören erschließt, sondern erarbeitet werden will.
Der Beginn von „The Golden Queen“ überrascht, durchaus gewollt, mit hohem Tempo und deutlichem Death-Metal-Tuning. Die Growls von S. klingen dabei deutlich aggressiver, manchmal fast so, als würden sie von einem Gast-Sänger stammen, was nicht der Fall ist. Auch hier gehen ASCIAN nochmal einen ähnlichen Weg wie in „The Odium Palace“, unterlegen einen getragenen, atmosphärischen Moment mit mehrfach das Tempo wechselndem Drumming. Dennoch geht „The Golden Queen“ bislang am stärksten in Richtung klassischer Death Doom und fällt insgesamt sehr melodisch aus.
Nach drei anspruchsvollen Songs wird es zwar alles andere als mainstreamig, dennoch kann man „Cold Sun“ ohne Probleme als das bislang zugänglichste Stück auf „Sing To Me, Sweet Void“ bezeichnen. Nach einem wieder extrem getragenen Beginn übernimmt die Post-Rock-Seite der Band, auch der Klargesang wirkt hier gefühlvoller, fast schon relaxt. Der Übergang in die komplette Raserei folgt praktisch nahtlos, geht aber dieses Mal ein klein wenig in Richtung MeloDeath. Auch dank der düsteren Klavieruntermalung eine Nummer, die emotional einfach packt.
Mit „Threnody Spirals“ folgt jetzt der große Smash-Hit von ASCIAN, witzeln die beiden Gitarristen. Das bezieht sich dabei gar nicht unbedingt auf die in diesem Genre unvermeidlichen MY-DYING-BRIDE-Reminiszenzen, sondern eher auf die Gast-Vocals von Sängerin Judith Ehreke (UNSOULICITED), die für eine willkommene Auflockerung sorgen. Natürlich hält aber auch dieser Song bandtypisch wieder eine Wendung parat, in Form eines epischen Post-Metal-Mittelteils. Auch wenn der „Smash-Hit“ tatsächlich noch einmal zugänglicher als „Cold Sun“ daherkommt, driftet er trotz aller Melodiösität und des sanften Gastgesangs nie in Richtung Kitsch ab.
Das Interlude „Fra Lyset“, das komplett auf Norwegisch intoniert wird, da Sänger S. dort selbst eine Zeit lang gelebt hat, leitet sanft über zum Finale des Albums – erneut unterstützt durch den Gesang von Judith. Dank des langen Quasi-Intros, startet „Deathwish“ auch direkt mit einem eindringlichen, getragenen Riff und baut sofort eine gewisse Dramatik auf. Bei Einsetzen der Growls schwirrt ganz kurz der Name INSOMNIUM durch den Kopf, entsprechend hält die Nummer vielleicht weniger Überraschungen bereit, überzeugt aber mit ihren reich gesäten, packenden Melodiebögen.
Damit endet „Sing To Me, Sweet Void“, wie es begonnen hat, nämlich mit einem typischen, aber verdammt starken ASCIAN-Song. Mit seiner Spielzeit von über einer Stunde sicherlich ein Album, das mehrfach gehört werden will, um es vollständig zu erschließen. Trotzdem: Auch nach dem ersten Hören ist bereits klar, dass ASCIAN trotz oder gerade aufgrund allen Experimentierens ihre eigene Nische noch besser ausfüllen und mit einem komplexen, fordernden aber eben auch durchdachten Album vielleicht nicht jeden abholen können, dies aber auch gar nicht unbedingt wollen.
Wir freuen uns jetzt schon auf die nächsten Hördurchgänge – deren Ergebnis gibt es dann bald im gewohnten Review-Format.
Tracklist:
1. Follow The Serpent
2. The Odium Palace
3. The Golden Queen
4. Cold Sun
5. Threnody Spirals
6. Fra Lyset
7. Deathwish