Amon Amarth
Der große Diskografie-Check
Special
AMON AMARTH befinden sich im 30. Jahr der Bandgeschichte und haben jetzt mit „Berserker“ ihr elftes Album veröffentlicht. Zeit also sich durch die Diskografie der Melodic Death Metal Wikinger zu wühlen und die Alben einzuordnen ob man sie wirklich heutzutage noch alle braucht und welche man sich lieber gestern als heute nachkaufen sollte. Viel Spaß bei unserem, natürlichen vollkommen subjektiven, Diskografie-Check.
Once Sent From The Golden Hall (1998)
Es ist das alte Lied: Was heute abgebrühte Veteranen auf dem Schlachtfeld sind, waren damals die jungen Wilden, die noch recht grobkantig und roh wüteten. Da machten natürlich auch AMON AMARTH in ihrer jüngeren Inkarnation keine Ausnahme. Der Death Metal, den die Band auf dem von Peter Tägtgren produzierten Debüt „Once Sent From The Golden Hall“ spielte, mutete entsprechend fast ein bisschen old-schoolig an, speziell gegen Ende von „The Dragon’s Flight Across The Waves“, während Johan Hegg schon damals eine beeindruckend ausgeprägte Stimme sein eigen nannte. Das Songwriting ist insgesamt etwas impulsiver als auf folgenden Veröffentlichungen.
Doch „Once Sent From The Golden Hall“ legte schon damals die Karten auf den Tisch, was einerseits die Thematik, andererseits den Stil von AMON AMARTH betrifft. Es war zwar aggressiver und roher, aber enthielt schon die markanten, großen Melodien sowie eben Heggs ehrfurchtgebietende Stimme. Während die Band ihren Sound von hier an Stück für Stück aufräumen und damit zugänglicher machen sollte, bleibt „Once Sent From The Golden Hall“ der zupackende, herrlich ungeschliffene Startpunkt, bei dem sich die Wikinger erstmals um ihre Bärte verdient gemacht haben. Und der Rest ist Geschichte.
Sammlungswürdig: Unbedingt!
Wichtige Songs: „Ride For Vengeance“, „Without Fear“, „Victorious March“, „Amon Amarth“, „Once Sent From The Golden Hall“
Michael Klaas
The Avenger (1999)
Nach dem ersten Album und dem ersten Abstecher im Vorprogramm von SIX FEET UNDER und DEICIDE nach Deutschland ging es im März 1999 wieder zu Peter Tägtgren ins Abyss Studio, wo das erste Mal mit Fredrik Andersson am Schlagzeug aufgenommen wurde. Zwischen den Aufnahmen und Veröffentlichung standen dann noch Auftritte auf dem Party.San und dem Wacken Open Air auf dem Programm. Das Jahr wurde beschlossen mit den X-Mas Festivals ’99, AMON AMARTH spielten sich nach oben. „The Avenger“ war dafür der erste wichtige Schritt, denn erstmals wurden AMON AMARTH in einem größeren Rahmen wahrgenommen. „The Last With Pagan Blood“ wurde vor den Zeiten von YouTube und Filesharing auf die Sampler der großen Magazine gepackt und lies aufhorchen.
„The Last With Pagan Blood“ ist auch der Song des Albums, der am längsten im Gehör bleibt. Ein Album, das höchstens mit „Avenger“ einen etwas ruhigeren Song hat, sonst aber gnadenlos nach vorne geht. „God, His Son And Holy Whore“ dürfte sogar einer der schnellsten Songs von AMON AMARTH sein. Die Band hat mit dem Album ihren eigenen Stil gefunden und 1999 hat es eingeschlagen wie eine Bombe. Mittlerweile ist es aber etwas in Vergessenheit geraten und AMON AMARTH spielen live auch keinen Song mehr von „The Avenger“, auch wenn sich „The Last With Pagan Blood“ absolut anbieten würde. Solltet ihr zugreifen wollen, dann bei der remasterten Version von 2009 mit Bonus-CD
Sammlungswürdig: Gutes Album, aber trotzdem zweite Reihe von AMON AMARTH
Wichtige Songs: „The Last With Pagan Blood“, „Legend Of A Banished Man“
Björn Gieseler
The Crusher (2001)
Das Jahr 2000 stand im Zeichen des Songwritings für „The Crusher“. Nach der Veröffentlichung von „The Avenger“ und den X-Mas Festivals ’99 mit MORBID ANGEL machten sich AMON AMARTH an das neue Album und nahmen es Ende des Jahres wieder bei Tägtgrens Peter im Abyss Studio auf. Wer AMON AMARTH erwartet, bekommt auf „The Crusher“ auch AMON AMARTH. Die Band verfeinert im Vergleich zum Vorgänger die Songs noch etwas kompositorisch und auch der Sound ist druckvoller geworden. Die ersten 25 Sekunden des Albums zeigen wo es lang geht, dreht die Anlage auf, macht die Augen zu und stellt euch vor wie die Wikinger durch den Wald schleichen und Heggs langgezogenen Kriegsschrei durchs Dickicht brechen und sich dem Feind entgegenwerfen. „The Crusher“ bietet 49 Minuten AMON AMARTH pur, mehr Death Metal waren die Schweden nie und werden es auch nie wieder sein. Die absolute Hymne fehlt allerdings auf dem Album und auch das Cover war wohl eher für MANOWAR gedacht als für die Nordmänner.
Hier gilt es wie bei „The Avenger“ sich die 2009 remasterte Version mit Bonus-CD zu holen.
Sammlungswürdig: Gutes Album, aber trotzdem zweite Reihe von AMON AMARTH
Wichtige Songs: „Masters Of War“, „As Long As The Ravens Flie“
Björn Gieseler
Versus The World (2002)
AMON AMARTH auf dem Höhepunkt ihres Schaffens? Womöglich. Auf jeden Fall bescherte „Versus The World“ den Schweden einen ungeheuren Popularitätsschub – und das völlig zu Recht, vereinigt „Versus The World“ doch alle Stärken der Band in einem monumentalen Album.
Das flotte „For The Stabwounds In Our Back“, das episch-fast doomige „Where Silent Gods Stand Guard“, das balladeske „Across The Rainbow Bridge“, das griffige „Bloodshed“, ein hämmerndes „Versus The World“ als Titeltrack. Und Extra-Props für den Bonus-Track „Siegreicher Marsch“. Hier stimmt so ziemlich alles: Eine knallige, aber ausgewogene Produktion – nach dem Wechsel ins Berno Studio -, abwechslungsreiches, aber stimmig zusammengefügtes Songmaterial und ein knurrender Johan Hegg in absoluter Bestform. „Versus The World“ macht schlichtweg Spaß – von Anfang bis Ende.
Zudem ist seit „Versus The World“ keine ernstzunehmende Metal-Disco mehr vorstellbar, die ohne den Opener des Albums – „Death In Fire“ – vollständig wäre. Ein Gassenhauer für die Metal-Annalen. Ernstzunehmender Melodic Death Metal mit Wikinger-Thematik? Kannste kaum besser machen als auf „Versus The World“.
Sammlungswürdig: Und wie. Gehört in jedes Metal-Plattenregal.
Wichtige Songs: „Death In Fire“, „Where Silent Gods Stand Guard“
Sven Lattemann
Fate Of Norns (2004)
Wie schwer es ist einen Top-Erfolg wie „Versus The World“ zu überbieten (oder zumindest zu erreichen) und den entstandenen Erwartungen gerecht zu werden, zeigt „Fate Of Norns“ geradezu mustergültig. Das fünfte Album von AMON AMARTH ist vor allem eines: Durchschnittlich. Und das tut natürlich besonders weh, wenn man gehört hat, was die Band eigentlich so drauf hat.
Irgendwo durchgehend im Mid-Tempo angesiedelt wirkt „Fate Of Norns“ ziemlich ziellos und hat jedweden Biss verloren. „Once Sealed In Blood“ mit einer rotzigeren Attitüde und der Titeltrack „Fate Of Norns“ stechen zwar positiv auf „Fate Of Norns“ heraus, Titel wie „Valkyries Ride“ oder „Arson“ allerdings stehen weit hinter der Klasse der vorherigen Alben zurück und reißen nun wahrlich nicht vom drachenkopfverzierten Hocker.
Besonders erwähnenswert ist zudem der Copyright-Streit mit SCOOTER bezüglich der Melodie zu „The Pursuit Of Vikings“ – dööpdedöppdöppdöpp, das Stichwort. Ein musikalisches Grundthema von AMON AMARTH, dessen cheesyness in der Zukunft nur noch von den ominösen „Guardians Of Asgard“ überboten werden sollte. Kleiner Scherz – schließlich gehört auch dieser Titel zum zeitlosen Metal-Disco-Vermächtnis der Schweden.
Sammlungswürdig: Eher nicht.
Wichtige Songs: „The Pursuit Of Vikings“, „The Fate Of Norns“
Sven Lattemann
With Oden On Our Side (2006)
Spätestens mit „Fate of Norns“ gelang AMON AMARTH der Durchbruch. Die Clubs wurden zu klein, die Positionen in Festival-Spielplänen immer höher, die deutschen Charts mit dem Langboot erobert. „With Oden On Our Side“ sollte diesen neuen Status festigen, weswegen Metal Blade sich nicht lumpen ließ. Das Label stellte der Band mit Jens Bogren einen jungen aber talentierten Produzenten an die Seite, der sich zuvor mit seiner Arbeit für andere schwedische Bands wie BLOODBATH, OPETH und MILLENCOLIN einen Namen gemacht hatte. Er verpasste „With Oden On Our Side“ einen klaren, druckvollen Sound, der aber auch Raum für Melodien ließ. Die waren auch durchaus vorhanden, da die Band songwritingtechnisch an das Debüt „Once Sent From The Golden Hall“ anknüpfte. Generell wirkt „With Oden On Our Side“ sehr ausgereift, aber auch ungezwungen. Kein Wunder, denn AMON AMARTH konnten damals ihre normalen Jobs kündigen und sich ganz auf die Musik konzentrieren, wie Schlagzeuger Fredrik Andersson uns im Interview zum Album verriet.
Damals wurde „With Oden On Our Side“ zum Erfolg und brachte AMON AMARTH einen wichtigen Schritt weiter. Songs wie „Cry Of The Blackbirds“ und „Runes To My Memory“ tauchen als epische Hymnen regelmäßig in Live-Sets der Band auf, ebenso wie der thrashige Brecher „Asator“.
Sammlungswürdig: Eines der besten Alben der Band-Historie.
Wichtige Songs: „Runes To My Memory“, „Asator“, „Cry Of The Blackbird“
Marc Thorbrügge
Twilight Of The Thunder God (2008)
Mit „Twilight Of The Thunder God“ feierten AMON AMARTH ihren ersten, richtig großen Charterfolg und landeten mit dem Album unter anderem in den Top 10 der deutschen Albumcharts. Auch Gastmusiker wie Roope Latvala (ex-CHILDREN OF BODOM) sowie nicht zuletzt erneut Jens Bogren an den Reglern trugen ihren Teil dazu bei, um die Platte zu einer der besseren in der Diskografie zu machen. Dabei entfernten sich die Wikinger natürlich nicht zu weit vom Pfad, den sie eingeschlagen haben.
Doch kleine, nette Ideen wie die Bläser in „Tattered Banners And Bloody Flags“ oder die Streicher in „Live For The Kill“ lassen aufhorchen, während AMON AMARTH einfach nur einige ihrer eingängigsten Hits abfeuern. Vom offensiven Titeltrack über das atmosphärische „Free Will Sacrifice“ und das aggressive „Where Is Your God“ hin zum mit gar klassischem Heavy-Riffing versehenen „Live For The Kill“ ist jede Menge Abwechslung geboten. Der alte Unkenruf „Innovationsarmut“ verstummte hier zwar auch nicht, doch angesichts dieser Qualität ist das auch bei „Twilight Of The Thunder God“ vollkommen egal gewesen.
Sammlungswürdig: Ja, aufgrund der enormen Zugänglichkeit als Einstieg perfekt geeignet.
Wichtige Songs: „Twilight Of The Thunder God“, „Free Will Sacrifice“, „Where Is Your God“, „Tattered Banners And Bloody Flags“, „Live For The Kill“
Michael Klaas
Surtur Rising (2011)
Mit dem größeren Erfolg kam es natürlich, wie es kommen musste. Und AMON AMARTH antworteten auf das gefeierte „Twilight Of The Thunder God“ mit „Surtur Rising“, der konsequenten Fortsetzung des besagten Vorgängers – möglicherweise zu konsequent. Die Formel wurde beibehalten, wobei die Band den Grad an klassischem Metal-Riffing erhöht hat, während der melodische Death Metal in wenn auch leicht eingedampfter Form weiterhin das Grundgerüst darstellte. Statt Aggression legten AMON AMARTH nun mehr Wert auf epischere Melodien, die durch die schwer stampfenden Rhythmen verstärkt werden. Diese Gewichtung hatte zur Folge, dass die Melodien gemäß dem berüchtigten „Law of Diminishing Returns“ an Durchschlagskraft einbüßten und weniger episch waren.
Anfänglich von einem Großteil der Presse geradezu euphorisch aufgenommen macht sich entsprechend rückblickend bemerkbar, wie durchschnittlich „Surtur Rising“ eigentlich klingt, und wie sehr die Langlebigkeit des Songmaterials hierunter gelitten hat. Nach wie vor zeichneten sich die Songs der Band durch gute Hörbarkeit aus. Doch Momente, die länger im Gedächtnis bleiben, bietet das Album nur sehr wenige; das Songmaterial tendiert trotz eingier Lichtblicke wie „War Of the Gods“, „The Last Stand Of Frej“ oder „Doom Over Dead Man“ zur Gleichförmigkeit. „Surtur Rising“ ist eines der Alben, in denen der Vorwurf mangelnder Innovation mangels schlagender Gegenargumente seitens der Band deutlicher nachhallen sollte als die Platte selbst.
Sammlungswürdig: Nein.
Wichtige Songs: „War Of The Gods“, „Destroyer Of The Universe“, „The Last Stand Of Frej“, „Doom Over Dead Man“
Michael Klaas
Deceiver Of The Gods (2013)
2013 war ein bisschen Routine im Hause AMON AMARTH eingekehrt. Lange Touren, alle zwei bis drei Jahre ein neues Album und prominente Slots auf großen Festivals. Die Schweden hatten sich etabliert und konnten zufrieden mit dem Erreichten sein. So ein bisschen hatte sich die Erfolgsformel von AMON AMARTH aber abgenutzt und frischer Wind sollte her. Dass dieser bitter nötig war, wird auf „Deceiver Of The Gods“ deutlich. Zwar verpasste Andy Sneap der Band einen etwas lebendigeren Klang, doch der Großteil des Albums dümpelte solide aber auch unspektakulär vor sich hin. Der Titeltrack hingegen machte deutlich, dass die Kreativität der Band noch nicht aufgebraucht war. Ganz zaghaft begannen AMON AMARTH, sich am klassischen Heavy Metal zu orientieren, wodurch die Musik – zumindest bei diesen Farbtupfern – ungezwungener klang.
Dennoch hinterlässt „Deceiver Of The Gods“ auch in der Rückschau weiterhin einen zwiespältigen Eindruck. Es überwiegen Songs nach Schema F, die kaum im Gedächtnis bleiben. Selbst „Hel“ bleibt trotz des Gastauftritts von Messiah Marcolin blass. Das Besondere ist in der Unterzahl, aber auch ein schöner Ausblick, wohin die Reise noch gehen sollte.
Sammlungswürdig: Durchschnittsalbum
Wichtige Songs: „Deceiver of the Gods“, „As Loke Falls“, „Blood Eagle“
Marc Thorbrügge
Jomsviking (2016)
Mit „Jomsviking“ haben sich AMON AMARTH 2016 neu erfunden. Nicht dass die Band irgendwas an ihren Wesensmerkmalen verloren hätte, es wurden nur neue Aspekte hinzugefügt. Oder hat sich vorher irgendwer träumen lassen, dass eine Gastsängerin auf dem Album vertreten sein wird? Dazu hat sich die Band darauf besonnen woher sie kommt und was ihre Wurzeln sind. Diese liegen im klassischen Heavy Metal bei Bands wie ACCEPT oder JUDAS PRIEST und so hat man sich bei der Gitarrenarbeit verstärkt daran orientiert. Die organische Produktion tut ihr weiteres zum Gelingen der Scheibe und auch wenn Johan Heggs Stimme weit in den Vordergrund gerückt ist, so gibt es auch hier nichts zu meckern. Melodische Stampfer, Epische Balladen, Mitgröhlhymnen und schnelle Schlachtenlieder, „Jomsviking“ hat alles was AMON AMARTH bisher ausgemacht hat und noch vieles mehr. Mein Last.fm Account sagt mir, dass ich die Scheibe in den letzten drei Jahren über 100 Mal angehört habe und mein Gefühl sagt, sie hat sich immer noch nicht abgenutzt.
Sammlungswürdig: Pflichtkauf
Wichtige Songs: „At Dawn’s First Light“, „Raise Your Horns“
Björn Gieseler