Amon Amarth
Das meint die Redaktion zu "Twilight Of The Thunder God"

Special

Verlässlich wie ein schweizer Uhrwerk lassen AMON AMARTH auch 2008 pünktlich nach zwei Jahren Kreativzeit ein neues Album von der Leine. „Twilight Of The Thunder God“ sieht sich nach ausgedehnten Touraktivitäten einer einmal mehr gesteigerten Erwartungshaltung seitens der Fans gegenüber. Eigentlich paradox, sind Steigerung und Weiterentwicklung doch offensichtlich nicht gerade Stärken der Schweden. Doch wen stört das, wenn man auf hohem Niveau stagniert? Natürlich sorgt die Scheibe auch bei uns für angeregte Diskussion. Überraschenderweise spaltet sie die Redaktion jedoch nicht in dem Maße wie angenommen. Doch lest selbst.

Wirkte „With Oden On Our Side“ insgesamt noch etwas orientierungslos und müde, so machen AMON AMARTH spätestens mit ihrem siebten Album keine Gefangenen mehr. „Twilight Of The Thunder God“ ist wie ein Blutrausch, aus dem man erst nach knapp einer dreiviertel Stunde wieder zu sich kommt, während alles und jeder (musikalisch) niedergemetzelt wird. Man merkt, dass hier gereifte Songwriter am Werk sind, denn die Melodien und Hooklines sitzen perfekt und bleiben im Gedächtnis hängen, während die Songs erschreckend zielstrebig auf den Punkt gebracht werden.

Der Opener und Titeltrack gibt die Marschrichtung mit einer gleichermaßen simplen wie eingängigen Melodie und einem mitreißenden Refrain vor und wird mit einem thrashigen Mittelteil und einem unglaublich präzisen Solo durch CHILDREN OF BODOMs Roope Latvala zum unangefochtenen Uptempo-König gekrönt. Mit „Free Will Sacrifice“ wird das Tempo etwas gemäßigter, aber auch hier wird man den Chorus bereits nach kurzer Zeit aus sich herausschreien bis die Kehle trocken und die Stimme heiser klingt, um sich gleich danach in den nächsten Geniestreich zu stürzen: „Guardians Of Asgaard“. So simpel dieses Riff hier zunächst anmutet, kann man sich dessen Wirkung jedoch einfach nicht entziehen. Weiter geht’s mit dem schnellen, extrem brutalen „Where Is Your God?“, das mit seiner Hookline wirklich jedes Wikingerherz zum Kochen bringt.

Weitere Highlights sind das von rhythmisch-gallopierenden Drums getragene „Varyags Of Miklagaard“, das hymnisch treibende „Tattered Banners And Bloody Flags“, das episch angehauchte „No Fear For The Setting Sun“ sowie die von der Melodieführung eigenwillige Bombastnummer „Live For The Kill“, für die man sich die Unterstützung von APOCALYPTICA gesichert hat, welche mit ihren Streichereinheiten die Atmosphäre dieser Nummer nicht nur unterstützen, sondern auch dezent aufwerten.

„Twilight Of The Thunder God“ ist ein mächtiges Album, mit dem die Schweden so ziemlich alles richtig gemacht haben. Die satte Produktion strotzt vor Kraft und setzt alle Instrumente hervorragend und vor allem druckvoll und klar in Szene, während sich die Songs selbst atmosphärisch dicht zu einem reißenden Fluß entwickeln. Hier geht es um Gefühle, hier werden Emotionen gefordert und die Kehle beansprucht. Ausfälle sucht man vergebens, dafür aber reiht sich ein Hit an den nächsten, die auch langfristig kein bisschen enttäuschen. „We are the Guardians Of Asgaard!“

Jens: 9/10

Das hatte ich doch erst letztens bei mir im Keller! Da stand ich auch im Zwielicht… Funzel durchgebrannt und nur spärliches Sonnenlicht von draußen. Und schwupps! hatte ich auch so ein Scheißvieh an der Gurgel. Diese Viecher warten ja nur auf so was! Mann, was war ich froh, als ich da den 800-g-Hammer in die klammen Finger bekommen hab. Druff auf das Vieh und gut…

Apropos druffhaun! Wie sieht es eigentlich damit anno 2008 im Hause AMON AMARTH aus? Müssen sich Wickie und die starken Männer jetzt vor einem Gang in den Keller fürchten oder hat man wieder so etwas Durchschlagendes wie „The Avenger“ in der Hinterhand? Vielleicht doch lieber den Kammerjäger anrufen?

Nicht nötig! Die neue Platte bietet guten, gewohnten Stoff. Man erkennt immer noch sofort, dass die Elchfresser mit Frontschrat Hegg aus den Boxen tösen. Man ist abwechslungsreich, variiert das Tempo, lädt Gastmucker – u.a. vom See BODOM – ein und garniert alles mit einer wie immer höchst professionellen/polierten Produktion und Aufmachung. Und? Wie sieht’s nun mit der famosen Einprägsamkeit der melodiösen Chöre aus? JEPP! Sie ist immer noch da. Man erwischt sich immer mal wieder dabei, wie man auch abseits der Anlage und außerhalb des Wagens die ein oder andere AMARTH-Melodei summt und vor sich hin pfeift. Dumm ist nur, wenn man nach ein paar Augenblicken bemerkt, dass es sich um Melodeien von beispielsweise „The Fate Of Norns“ handelt. Das ist das Problem bei der zunächst beruhigend wirkenden Meldung „ES IST ALLES WIE BEIM ALTEN GEBLIEBEN“, die man wohl zu „Twilight Of The Thunder God“ abgeben möchte. Dann wird’s irgendwann austauschbar. Das hauptsächlich gemächliche „The Fate Of Norns“ war außerdem nicht der große Wurf für die Wikinger-Verhältnisse, kann aber in punkto Nachhaltigkeit bei langsamen Stücken eher überzeugen. So ist vor allem das mit ein wenig EDGE Of SANITY-Bombast beladene „The Hero“ sehr entbehrlich und gerät zu einer echten Tran-Nummer. Gut, dass die Zottelbären aus dem kalten Norden wieder ein paar schnelle Nummern geschrieben haben. So gefällt vor allem das nicht ganz typische „Free Will Sacrifice“ oder das abwechslungsreiche „Tattered Banners And Bloody Flags“, wobei letzteres allerdings mal wieder den ganz gewohnten AMARTH-Stoff bietet.

Dass sich für „Live For The Kill“ die Cellisten von APOCALYPTICA den Arsch abgefiedelt haben, ist zwar an und für sich ganz nett, kann die Nummer aber auch nicht über gewohnten Nordmann-Standard heben. So ist auch die ganze Platte ausgefallen: Fans kriegen wieder mal neues Futter, Neueinsteigern sei allerdings die frühe Schaffensphase empfohlen, in der die Todeswikinger mehr Ecken und Kanten, vor allem aber die wesentlich unwiderstehlicheren
Refrains parat hatten.

Achja: Weil sich die Kerls ja dermaßen viel Met in den Wanst kippen, dass am Morgen danach wohl unweigerlich eine Brummschädelgröße von immensen Ausmaßen die zwangsläufige Folge ist, gibt’s eine diese Art von Kater veranschaulichende, auf 2000 Exemplare limitierte Sonderausgabe von „Twilight Of The Thunder God“ mit großkopfigen Bubblehead-Figuren der Bandmitglieder. Wer’s braucht… Prost!

Audaron: 7/10

AMON AMARTH gehören zu den Bands, die die Metalwelt kompromisslos in zwei Lager spalten. Von den Einen als Festivalhuren und Möchtegernwikinger verhasst, von den Anderen für ihren einfachen Death Metal mit massig Hitgaranten geliebt, jede neue Veröffentlichung bietet gehörig Gesprächsstoff und Streitmaterial. So wird es wohl auch mit „Twilight Of The Thunder God“ sein, dem Nachfolger des hoch gehandelten „With Oden On Our Side“. Eine Veröffentlichung, die schon im Vornherein kaum ignoriert werden konnte, dem groß angelegten PR-Einsatz mit mehrteiligem Comic und sonstigem Trara sei Dank. Aber, alle Promoterambitionen mal außen vor gelassen, was ist die Scheibe denn nun wirklich wert?

Vorneweg: wer AMON AMARTH bisher nicht mochte, der wird sie auch mit diesem Album nicht lieben lernen. Die Grundzutaten sind immer noch dieselben, ein stets flotter Wechsel zwischen Up- und Midtempo, dazu recht simple aber eingängige Gitarrenarbeit und das stimmgewaltige Organ von Herrn Hegg, alles verteilt und garniert auf zehn Songs. Als kleines Gimmick hat man sich diesesmal gleich noch ein paar Gäste ins Boot geholt, unter anderem CHILDREN OF BODOM-Gitarrist Roope Latvala, der zum Beispiel den Titeltrack um ein für AMON AMARTH ungewohnt schnelles Solo bereichert. „Twilight Of The Thunder God“ ist dann auch gleich der prächtigste Song der Scheibe, ein wirklich aufpeitschend schnelles Songstück, das eigentlich schon ordentlich Vorfreude auf den Rest des Albums macht. Die flacht jedoch relativ schnell wieder ab, denn irgendwo will sich keiner der anderen Songs großartig in meinem Ohr festsetzen. Keine Frage, alles ist irgendwo gewohnte Kost und Qualität, aber mich packt letztlich nicht dieselbe Begeisterung wie noch beim Vorgänger. „Guardians Of Asgaard“ ist selbst für AMON AMARTH-Verhältnisse verdammt minimalistisch, auch wenn sich der Refrain dann doch ein wenig im Schädel verfängt. „Live For The Kill“ mit erdigem Riff bringt dafür sogar richtige Heavy-Metal-Stimmung hoch, eine kleine Wiedergutmachung für den fürchterlich schlechten Text einen Track davor. „I know who I am, I am an evil man, I know who I am, I am an evil man“, nach wieviel Bier ist denn bitte dieser Unfug entstanden? Auch vermisse ich irgendwie die Variabilität, die gerade Fronter Hegg bei „With Oden On Our Side“ an den Tag gelegt hat. Etwas zu belanglos plätschert das Album letztlich vor sich her.

Dennoch, nicht falsch verstehen. Für Freunde von AMON AMARTH, zu denen ich mich letztlich auch zähle, bietet „Twilight Of The Thunder God“ sicher genug, um einen Kauf oder zumindest das Probehören zu rechtfertigen. Vielleicht waren meine Erwartungen oder Hoffnungen nach dem genialen Vorgänger auch einfach zu hoch und dem Album sollte man noch etwas unvoreingenommene Zeit schenken. Mir bleibt vorerst aber dennoch nur übrig, sieben solide Punkte für ein letztlich ebenso solides, aber bis jetzt nicht überragendes Album zu ziehen.

Andreas: 7/10

Yeah, endlich hört man mal wieder etwas Neues von AMON AMARTH! Gähn. Die Schweden gehören sicherlich zu den überpräsentesten Bands des Metal, wenn man einmal schaut, wieviel Festivals und Touren die Band jedes Jahr spielt. Gewiss, die Herren wollen von der Musik leben, doch irgendwie merkt man ihren Veröffentlichungen an, dass sie die Musik nicht mehr für sich machen. Wenn ich an die Inbrunst denke, mit der man die ersten beiden Veröffentlichungen eingespielt hatte, wie man damals in Interviews auftrat, mit großer Klappe und immer nur dem eigenen Sinn folgend. Ne große Klappe haben sie heute vielleicht auch noch, aber höre ich mir nicht zuletzt “Twilight Of The Thunder God“ an, dann merke ich einfach, dass die Band ihre Musik nur noch für die Fans macht. Zugegeben, sie wissen, was diese hören wollen und geben ihnen das auch. Doch liegt darin der Sinn im Kreieren von Musik? Wo bleibt die Risikobereitschaft? Wo die Sehnsucht nach Innovation, gerade nach so vielen Jahren des Musizierens?

Warum ist dieses Werk also meiner Meinung nach nicht das Meisterwerk, für das meine Kollegen es halten? Beginnen wir grundlegend: der Sound ist schwach. Die Bass Drum klingt künstlich, der Gesang ist viel zu sehr in den Vordergrund gemischt, die Klampfen hingegen dümpeln vergleichsweise leise im Hintergrund. Insgesamt fehlt es dem Klangbild an Brutalität und Aggression, die Songs wirken sehr glattgebügelt und weich.

Zur spielerischen Leistung an sich. AMON AMARTH waren nie Ausnahmekünstler ihres Genres, auch keine technischen Superhelden. Dennoch könnte man von einer Band, die bereits so lange dabei ist, etwas mehr songwriterischen Ideenreichtum erwarten. Die Riffs und Songstrukturen ähneln einander teilweise erheblich, man hat das Gefühl, dass das gesamte Songwriting der Eingängigkeit untergeordnet wurde. Durch die bereits erwähnte geringe Lautstärke der Klampfen und auch durch deren minimale spielerische Brillianz, kommt mir immer wieder das Gefühl, sie würden eher als schmückendes Beiwerk denn als federführendes Instrument dienen. Und der Gesang ist zwar ordentlich vorgetragen, weiß aber auch nur bedingt Akzente zu setzen und langweilt schnell, da die Inbrunst einfach nicht mehr vorhanden ist.

Tja, was soll ich insgesamt von „Twilight Of The Thunder God“ halten? Gut, musikalisch wie textlich (Oh Mann, „auf MANOWAR-Niveau“ wäre ja fast untertrieben) war grundsätzlich Telenovelatiefgang zu erwarten. Dennoch erschließt sich mir nicht, wieso die Band bei so vielen Menschen so beliebt ist. Ich mag es ja auch eher simpel, aber deswegen muss Musik, die ich gern höre, ja nicht anspruchslos sein. Im Endeffekt bietet das neue Werk der Schweden schmusigen Death Metal. Der tut keinem weh, der braucht keine Ecken und Kanten, der ist nicht brutal und der verzichtet weitgehend auf Anspruch. Wer also vor Brutalo-Death-Metal der Marke ARCH ENEMY nicht zurückschreckt, der kann hier sofort zuschlagen. Fans der Band werden es grundsätzlich tun und ich weiß nun zu 100%, dass ich diese Band nicht mehr weiter zu verfolgen brauche.

Philip: 5/10

11.09.2008
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