Amon Amarth
Am Stammtisch - AMON AMARTHs "Deceiver Of The Gods"
Special
„Am Stammtisch“ – ein neues Artikelformat bei metal.de. Warum? Weil’s doch einfach langweilig ist, immer nur brav, artig und eloquent über Metal zu schreiben. Weil es viel spaßiger ist, den Kollegen kräftig in die Karre zu donnern, wenn die mal wieder überhaupt keine Ahnung von Metal haben. Weil man sich nur zu zweit clashen, aber zu dritt, viert oder mit noch mehr Redakteuren gleichzeitig verbal prügeln kann.
Deshalb stellen wir uns in unregelmäßiger Folge immer mal wieder an den Rundtisch und schwadronieren, vielleicht auch mal ein wenig bierselig, über die neuesten Themen im Metalzirkus – Talkshow in Leder und Nieten quasi. Diesmal im Kreuzfeuer: AMON AMARTHs neues Album “Deceiver Of The Gods”, das sich Pascal Staub (PS), Nadine Schmidt (NS) und Fabian Just (FJ) zur Brust genommen haben. Es moderiert: Florian Dammasch (FD).
FD: Pascal, du fandest das neue AMON AMARTH-Album ja ziemlich enttäuschend und wolltest der Band dafür verbal auf die Mütze geben. Wieso?
PS: Nun, zunächst einmal muss ich meinen Kurs etwas korrigieren. Ganz so horrend wie zu Beginn ist mein Eindruck von “Deceiver Of The Gods” mittlerweile nicht mehr. Mir fehlen aber prinzipielle Dinge wie Atmosphäre oder herausragende Melodien.
FD: Da wird es sicher Meinungen geben, die dir beispielsweise angesichts des Titelsongs mangelnde Sachkenntnis vorwerfen würden. Wie siehst du das, Nadine?
NS: Gerade der Titelsong ist meiner Meinung nach der beste Song, den AMON AMARTH seit langem oder sogar überhaupt je gemacht haben. Nicht umsonst werfen die meisten Kritiker mit dem IRON MAIDEN-Vergleich um sich.
PS: Naja, also da muss ich jetzt mal ein Wörtchen zu sagen. Der beste AMON AMARTH-Song seit langem? Sorry, Fehlanzeige. Die Melodien gehen sicherlich gut rein, aber gemessen an Maßstäben wie “Embrace Of The Endless Ocean” z.B. ist die Harmonie hier eher ein Witz. Nicht schlecht, aber auch nicht überragend.
FD: Für mich spricht da ein wenig der enttäuschte Fanboy, der mit den älteren Platten der Band musikalisch sozialisiert wurde. Vielleicht brauchen wir da die Meinung von jemand drittem wie Fabian.
FJ: Also wenn ich hier schon wieder was von Harmonien und Co. lese, lache ich nur kurz, und Pascal ist wohl mit der Einstellung “erstmal Nörgeln, dann Hinhören” an das Album rangegangen. Fest steht doch: Ich leg‘ “Deceiver Of The Gods” rein: Bumm, Killerriff, volles Rohr nach vorne, eine Wahnsinnshook, und fertig ist ein richtig geiler Song, der live genauso killen wird. Die Frage ist auch, was man von Haudrauf-Wikingern erwartet….
NS: Meine Rede! AMON AMARTH waren schon immer eine gute Band, aber derart überzeugt war ich noch nie. Sehr überzeugendes und vor allem durchgehend gutes Material, abseits vom Wikinger-Image.
PS: Also zunächst mal: Ich bin an das Album genau andersherum herangegangen, als du mir es hier unterstellst. Für dich mag das, was du geschildert hast, ausreichend sein, dass man einen guten Song vorliegen hat, aber ich habe mit “Embrace Of The Endless Ocean” bewusst auch einen neueren Song genannt, eben weil ich nicht nur auf alte Alben wie “Versus The World” verweisen wollte. Und wie ich oben sagte, mir fehlt Atmosphäre. Der Song ist wie das Album nicht schlecht, aber insgesamt haben das AMON AMARTH dann und wann einfach auch mal zig mal besser formuliert, und diesen Standard hat sich die Band nunmal selbst gesetzt. Fanboytum hin oder her. 😉
FJ: An ein Album sollte man immer neutral herangehen, aber verlieren wir uns nicht in Richtlinien? Die Frage, die sich hier stellt, ist doch: Was erwarte ich von einem neuen AMON-Album? Harmonien? Atmosphärischen Metal? Gefühle in Tönen? Sicher nicht. Ich gebe selbst zu, dass die Bärtigen in den letzten Jahren einen Durchhänger hatten, aber “Deceiver Of The Gods” bietet doch wieder alles, was man als Fanboy oder eben geneigter Hörer braucht: Brutale Mitgeh-Songs ohne Ende.
FD: Ich würde behaupten, das Album hat beides – und mehr Atmosphäre als in “Hel“ gab’s auf einem AMON AMARTH-Album bisher nicht. Was ist das eigentlich für ein Track – der Versuch, die Doomfans auf die AMON-Seite zu ziehen, oder sinnvolle Kunst, Nadine?
NS: Meiner Meinung nach eine Mischung aus beidem. AMON AMARTH sind ja schon bei “Surtur Rising” ein Stück schwerfälliger gewesen. Mir persönlich war das auf dem letzten Album zu fruchtlos und “Hel” erscheint mir wie die gesunde Form von “langsamen” AMON AMARTH, noch dazu sind die orientalisch angehauchten Zwischentöne wieder ein schöner Bruch, der natürlich wundervoll mit der Stimme von Messiah Marcolin harmoniert.
FD: Damit hast du vermutlich nicht gerechnet, Pascal?
PS: Zunächst muss ich mal sagen, dass ich von keinem neuen AMON AMARTH-Album ein absolutes Meisterwerk wie anno dazumal erwarte. Mir ging es darum, dass die Schweden es nicht mehr schaffen, ihre Texte mit einer Aussage zu verknüpfen und mittels ihrer Melodien Bilder zu erzeugen. Das gelingt ihnen aber in “Hel” perfekt, da gebe ich euch Recht, ein grandioser Song. Sie versuchen hier mal mehr, als sich nur auf ihren Stil zu konzentrieren, brechen mit diversen Bandsound-Tabus ihrer bisherigen Diskografie. Insgesamt ist mir das aber zu wenig, zumal nur “Coming Of The Tide” danach noch gänzlich zu überzeugen weiß. Vielleicht ist mein Standpunkt damit klarer.
FD: Ist “Hel” ein Song, mit dem die Metalcore-Kids wiederum nicht werden umgehen können, Fabi?
FJ: Jaja, da kommt sie wieder, meine Stereotyp-Lieblingsbezeichnung, aber anscheinend hat zuviel Doom euer Hirn, und diesmal ist auch Nadine nicht außen vor, etwas weich gemacht. “Hel” ist ja sowas von langweilig, für mich der schwächste Song der Platte, was will dieser Power-Fritze Marcolin denn neben einer Gewalt wie Hegg?
FD: Der Mann ist bei CANDLEMASS gewesen und hat mit Power ja gar nichts zu tun, aber das ist für Redakteure unter 30 auch nicht so verständlich. 😉
NS: Stichwort Alter: Das Album ist reifer und spricht auch diverse Hard Rock-Fans an, ohne die Melodic Death Metal-Pfade zu sehr zu verlassen. Genau DAS gefällt mir ja so an dem Album, die Balance zwischen dem “alten Viking”-Sound und der Rückorientierung zu eher traditioneller Musik. Ich kann mir vorstellen, dass viele Kiddies damit nichts anfangen können…
FJ: CANDLE-wer? Spaß beiseite, ihr Trve-Metaller, auch ich hab mit meinen 24 Jahren schon einiges gehört, und oh!, welch‘ Überraschung: “The Avenger” liegt auch bei mir Zuhause. Also wohin man sich doch orientiert ist egal, wenn ich gerade schon wieder “As Loke Falls” nebenher höre, bekomme ich Gänsehaut, weil ich davon träume, wie die Jungs mal wieder live das Ganze abfeuern werden.
PS: Ganz netter Song, die Lead-Gitarre gibt mir hier aber ehrlich gesagt überhaupt nichts. Und überhaupt, vor allem Olavi zaubert an seinem Griffbrett einfach nichts mehr vollständig Brauchbares hervor. “Shape Shifter” ist da auch so ein Fall. Die texten da nicht nur über die verschiedenen Gestalten Lokis, sondern wohl auch darüber, was sie so alles probiert haben und haste nicht gesehen. Meistens klingt das dann aber so, dass man die Melodie im Refrain zu… (wird rüde unterbrochen)
NS: Sorry, das kann ich nicht so stehenlassen. Was Olavi in “As Loke Falls” auf dem Brett rausholt, mag keine großartige Frickelarbeit sein, aber sehr songdienlich und absoluter Zucker.
FJ: Eben, ist doch ein geiles Riff, das gut ins Ohr geht, klar kein wahnsinnig anspruchsvolles, aber es rockt wie Hölle! Mal abgesehen von dem Riff war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis wir hier mal über Texte sprechen, und bevor ihr losweint, hier meine Meinung: Es sind Wikinger mit Bärten, also singen sie über Wikinger, Methörner, Götter, alte Tage, und urige Männlichkeit. Yeah!
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Stark. 🙂
Ich musste mich teilweise am Tisch festhalten um nicht vor Lachen vom Stuhl zu kippen, sehr geil 😀