Hit or Shit?
All For Metal - Legends
Special
„Legends“ = Shit
Oh je, brauchte man bei AFM Records wirklich noch eine zweite kostümierte Gimmick-Band mit Metal im Namen als Zugpferd? Zumal ALL FOR METAL bei aller Liebe zu den verschiedensten Käsespezialitäten sowohl der gelegentlich recht treffsichere Humor als auch das über weite Strecken gute Songwriting der Metalgeschwister aus Falun abgeht, wenngleich die musikalische Nachbarschaft sicherlich die gleiche ist.
Gibt’s das nicht schon?
Inspiriert wollen ALL FOR METAL von MANOWAR sein, wobei hier allerdings nicht Klassiker wie „Sign Of The Hammer“, „Into Glory Ride“ oder „Hail To England“ gemeint sein können. Vielmehr haben sich Tetzel und Co. für „Legends“ offenbar an MANOWARs spätem Welthit „Warriors Of The World United“ orientiert, der den New Yorkern einst einen zweifelhaften zweiten Frühling bescherte und sie sogar bis ins deutsche Unterhaltungsfernsehen zu Stefan Raab brachte.
Entsprechend simpel wird hier weitestgehend drauflos gerifft, so wie bei der Bandhymne „All For Metal“ oder „Mountain Of Power“, damit man auch schön im Takt mitklatschen kann und sich selbst der letzte Fernsehgarten-Spießbürger wie ein echter Metal-Warrior fühlen darf. Mit Antonio Calanna hat man zugegebenermaßen eine ganz passable Hard Rock- und Power-Metal-Stimme am Start, was aber auch nur bedingt hilft, wenn der arme Mann primär schunkelige Metal-Schlagerrefrains der Marke „Raise Your Hammer“ rausfeuern muss. Ich höre hier jedenfalls vor allem das Sonntag-Vormittags-Programm im ZDF und vor dem inneren Auge erscheinen eher Polo-behemdete, Boots-beschuhte und Hosen-berockte Frührentner statt einer Meute schwitziger Kuttenträger.
So richtig übel wird es aber, wenn ASENBLUT-Frontkante Tetzel das Mikrofon übernimmt. Der gibt hier nämlich nicht etwa wie bei seiner Hauptband den germanischen Johan Hegg, sondern versucht tatsächlich immer wieder zu singen. Beim Versuch bleibt es auch, denn was bei gelegentlichen Sprechgesangseinlagen noch irgendwie liebenswert schrullig wirkt und nicht ganz humorlosen Konsumenten ein Schmunzeln entlocken kann, löst allerspätestens wenn der Hüne die Lead-Stimme übernimmt die höchste Fremdschäm-Alarmstufe aus.
ALL FOR METAL zwischen Fernsehgarten und Sesamstraße
Das Ergebnis seiner Anstrengungen liegt nämlich irgendwo zwischen Samson aus der Sesamstraße und Benjamin Blümchen; bei einer Nummer wie „Hear The Drum“ habe ich mich tatsächlich dabei ertappt, nach jedem Vers laut „Töröööö!“ posaunen zu wollen. Dazwischen gibt es mit „Run“ und „Fury Of The Gods“ noch ein paar Uptempo-Songs, die wohl am ehesten das Prädikat „erträglich“ verdienen, sowie natürlich die obligatorische Schmachtballade „Legends Never Die“, deren größter Pluspunkt ist, dass man Tetzel nicht ans Mikro gelassen hat.
Fazit: ALL FOR METAL eignen sich bestenfalls dazu, dem Seniorenclub Dormagen-Hackenbroich das Thema Heavy Metal möglichst herzschonend näher zu bringen oder beim nächsten Eurovision Songcontest wieder einen soliden letzten Platz abzuräumen. Wer wirklich alles für den Metal gibt, sollte einen großen Bogen um „Legends“ machen.
(Hans Völkel)
„Legends“ = Hit
Das sehe ich komplett anders, lieber Kollege! Wer wirklich alles für den Metal gibt, sollte sich “Legends“ unbedingt mal zu Gemüte führen! Hier erwartet den geneigten Zuhörer astreiner, handwerklich exzellent umgesetzter Heavy Metal mit großen Geschichten im Wikinger-Stil. Ja, ok, inspiriert von MANOWAR. ABER: ganz ohne deren fremdschämigen Ledertanga-Macho-Stil! ALL FOR METAL hauen zwar auf die sprichwörtliche Kacke, jedoch ohne sich selbst allzu ernst zu nehmen, wie es MANOWAR nur zu gerne tun. Auch lassen hier die beteiligten Damen nicht, wie bei so manch anderem Vertreter des Genres, nur an der Seitenlinie Pompom-wedelnd die Hüften kreisen und die Äpfel im Dekolleté wackeln, sondern sind Meisterinnen ihres Fachs an der E-Gitarre und schenken ALL FOR METAL einen deftig-kräftigen Gitarrensound, den man sich nicht besser wünschen könnte.
Von Goldkehlchen, Würfelspielen und Geschichtenerzählern
Beste Voraussetzungen also für hartnäckige Ohrwürmer mit Mitsing-Potenzial. Goldkehlchen Antonio Calanna trällert sich mit hörbarer Freude scheinbar mühelos auch in die höchsten Stimmlagen, dass es ein Genuss ist, zuzuhören. Keine Spur der für das Genre oft üblichen angestrengt-kreischigen Stimmlage Marke eingeklemmte Hoden. Ergänzend dazu kommt dann der tiefe, sonore Bass von Tetzel, was dem Ganzen ein hervorragendes Gleichgewicht verleiht. Tetzels Stimme kommt besonders gut in den gesprochenen Passagen zur Geltung, unterstützt jedoch auch im Background-Gesang das Gesamtbild hervorragend. Im Song “Hear The Drum“ übernimmt er gar die Lead-Gesangsstimme im Geschichtenerzähler-Stil, und ich finde, das passt sehr gut zusammen.
Die bisher veröffentlichten Songs wurden jeweils begleitet von toll inszenierten Videos mit Fantasy-Charakter, die ein bisschen wie die Verfilmung einer zünftigen Runde D&D anmuten und die Geschichten der Songs teils actionreich, teils einfach nur schön, durchmischt mit Band-Performances, erzählen. Metal-Herz, was willst du mehr?
Das mehr an MEHR für’s Metal-Herz
“Legends“ von ALL FOR METAL macht Bock auf mehr. Mehr Musik von ALL FOR METAL, auf mehr Videos, auf mehr Geschichten, mehr Opulenz, mehr MEHR. Wir dürfen gespannt sein, was von dieser Formation noch kommen wird. Eines jedenfalls ist sicher: Fans des Genres sind mit “Legends“ ausgezeichnet bedient, und allen anderen, die sich nicht gerade mit Haut und Haar der Fraktion “melodieloses Geschrammel ohne erkennbaren Gesang“ verschrieben haben, ist das Album ebenfalls dringend ans Herz zu legen.
(Sonja Schörg)