Alice Cooper
Der schockierend große Diskografie-Check

Special

Er hätte es nicht nötig. Nach sechs Platinalben allein in den USA, bei keiner anstehenden Tour und einer so hohen Anzahl an Dienstjahren, dass er glatt die Urheberschaft des Corsepaint für sich beanspruchen könnte. Aber er hat es trotzdem getan. Am 26. Februar hat er mit „Detroit Stories“ sein 28. Studioalbum veröffentlicht. Es geht mehr um das Gestern, aber auch um das Heute. Mehr MC5 als THE WHITE STRIPES.

In seinen 73 Jahren hat Vincent Furnier eine bewegte Zeit hinter sich gebracht, die sich auch auf den Alben wiederspiegelt. Daher haben sich Colin Büttner, Oliver Di Iorio, Philipp Gravenhorst, Jannik Kleemann, Dominik Rothe, Oliver Slanina und Marc Thorbrügge seinem Schaffen angenommen. Herausgekommen ist dabei eine tiefgreifende Retrospektive.

Pretties For You (1969)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Im Jahre 1964 gründet sich die High-School-Band THE EARWIGS. In dieser Formation finden bereits drei der fünf Mitglieder der späteren ALICE COOPER GROUP zusammen: Glen Buxton, Dennis Dunaway und Vincent Furnier. Nach mehrfachen Namensänderungen und Besetzungswechseln komplettieren Michael Bruce und Neal Smith das berüchtigte Quintett, das 1969 unter dem Banner ALICE COOPER das Debütalbum „Pretties For You“ veröffentlicht.

Welchen Stil hat das Album?

Die stilistische Ausrichtung des Albums kann dem frühen Acid Rock zugeordnet werden. Die PINK FLOYD-Ära mit Syd Barrett und THE MOTHERS OF INVENTION fungieren als Inspirationsquelle. Zudem haben die vielen Jahre als Coverband ihre Spuren hinterlassen. Die eigenen Kompositionen zeigen Parallelen zu den britischen Kultbands jener Zeit, Bands wie THE YARDBIRDS, THE ROLLING STONES oder THE KINKS. Das Ergebnis klingt nicht selten wie eine befremdlich verdrehte Version der BEATLES, ohne jedoch deren Klasse zu erreichen. Stilistisch hat das Debütalbum nur wenig mit den späteren Alben der Band oder ALICE COOPER als Solokünstler gemein.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Das Album unternimmt keinen Versuch, es dem gewillten Hörer leicht zu machen. Über weite Strecken fehlen Melodie und ein roter Faden. Das solide „Living“ bildet hierbei eine Ausnahme und erscheint dadurch im Albumkontext sogar etwas blass. Nur ungefähr die Hälfte der Beträge auf dem Album treten als Lieder im üblichen Sinne in Erscheinung. Das restliche Material entspricht eher grob skizzierten Ideen, die jeweils eine Länge zwischen 60 und 120 Sekunden aufweisen („10 Minutes Before The Worm“, „B.B. On Mars“). Es ist ein Sammelsurium an Versatzstücken, deren Texte gemeinhin rätselhaft verbleiben.

Das passt mit dem Entstehungsmythos des Albums zusammen. Nachdem die junge Band von FRANK ZAPPA unter Vertrag genommen wird und es zu der Aufnahme der Platte kommt, fühlt sich niemand so richtig für die Produktion zuständig. Die Band probt führungslos meist unfertiges Material, als nach drei Tagen die Aufnahme für beendet erklärt wird. Die aufgezeichneten Proben erscheinen zusammen mit einer älteren Live-Aufnahme des Songs „Levity Ball“ als „Pretties For You“.

Trotz aller Irrwege hat die Platte einen überaus charmanten Ansatz und glücklicherweise werden einige Ideen in der späteren Bandhistorie, dann in besser Form, wieder aufgegriffen. Ein extremes Beispiel hierfür ist der Song „Reflected“, aus dem später der internationale Hit „Elected“ wird. Auch Lieder wie das facettenreiche „Swing Low, Sweet Cheerio“ oder das bockstarke „Fields Of Regret” zeigen bereits das Potenzial der Band auf. Leider bleibt auf „Pretties For You“ insgesamt eine skurrile Klanglandschaft, bei der nur wenig hängen bleibt.

Welche Anspieltipps gibst du?

Swing Low, Sweet Cheerio“, „Today Mueller”,  „Fields Of Regret”, „No Longer Umpire”

Ist das Album sammlungswürdig?

Das Album ist, außer für Sammler der kompletten Diskografie, eher entbehrlich und wird selbst in dieser Zielgruppe meist Staub im Regal ansetzen.

Oliver Slanina

Easy Action (1970)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

1970 – Zweiter Output, zu einer Zeit als Platten noch im Jahresrhythmus veröffentlicht wurden. Aber noch in der Band-Phase.

Welchen Stil hat das Album?

Wer nicht weiß, mit welchem Referenz-Werk sich der Begriff “Art Rock” beschreiben lässt, liegt hier genau richtig. Selbst wenn man eine Affinität zu verschnörkelter Songwriting-Prosa besitzt, muss man “Easy Action” ein paar Mal durchlaufen lassen.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Durch das Album lassen sich Rückschlüsse auf Coopers Vergangenheit als BEATLES- und STONES-Covermusiker nicht verbergen. Mit einem Hauch von Sixties-Vibes und Zirkus-Blaskapelle im Subtext, ist die Platte nicht besonders zugänglich und eher an Freunde von FRANK ZAPPA als SKID ROW adressiert.

Welche Anspieltipps gibst du?

“Below Your Means”: Von Rauchschwaden zersetzter Song, der perfekt zum Trip in die Wüste passt.
“Refrigerator Heaven”: Klingt wie eine Hyper-LSD-Version von “Lucy In The Sky With Diamonds”. Gesanglicher Höhepunkt des Albums.
“Beautiful Flyaway”: Macht ohne Umschweife gute Laune und könnte als Soundtrack für einen Bud-Spencer-Film fungieren.

Ist das Album sammlungswürdig?

Nicht für die breite Masse. Auch wenn die Songs vielseitig sind und sich mit abgedrehten Arrangements in Genre übergreifende Gefilde begeben.

Oliver Di Iorio

Love It To Death (1971)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Nachdem die ersten beiden Alben „Pretties For You“ und „Easy Action“ kommerziell gefloppt sind, zogen sie aus Los Angeles zurück nach Detroit.

Welchen Stil hat das Album?

Auf diesem Album gab es zwei wesentliche Einflussfaktoren: Detroit und Bob Ezrin. In ihrer alten Heimat war gerade die Protopunk-Szene um MC5 und THE STOOGES tonangebend. So hat der eigentlich sehr psychedelische Sound der Band eine härtere Kante bekommen. Der Produzent Bob Ezrin ist bekannt dafür, dass er viel Einfluss auf die Alben nimmt. Er zwang die Band dazu, ihre Songs durchzuplanen, anstatt frei darauf loszujammen. So dauert ‚I’m Eighteen‘ drei und nicht acht Minuten. Auch der Neunminüter ‚Black Juju‘ ist durchkomponiert. Allerdings konnte er sich nicht mit allem durchsetzen, wie etwa seinem Wunsch nach einer Spectorschen Wall of Sound. Die wurde in ‚Second Coming‘ schließlich parodiert.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

„Love It To Death“ ist an einigen Stellen noch zerfahren. Da steht dreiminütiger Proto-Punk neben neunminütigen Artrock und bequemen Füllern. Doch der Sound, der sich hier langsam herausbildet, lässt über die Schwächen beim Songwriting (für die Band damals noch ein ungewohntes Terrain) hinweg sehen.

Welche Anspieltipps gibst du?

Da wäre natürlich der Hit des Albums ‚I’m Eighteen‘. Der Song besticht mit der Diskrepanz zwischen dem schroffen Gesang von Cooper und den balladesk-psychedelischen Vibe der Lead-Gitarre. ‚Long Way To Go‘ mit seinem protopunkigen Vibe ist auch superb. ‚Ballad Of Dwight Fry‘ zeigen die überragenden Storyteller-Fähigkeiten des Herrn Furnier.

Ist das Album sammlungswürdig?

Natürlich. Zum einen aus rockhistorischer Perspektive, da es die erste Zusammenarbeit zwischen ALICE COOPER und Bob Ezrin darstellt. Zwei Personen, die miteinander und alleine noch Musikgeschichte geschrieben haben. Zudem ist gerade für Siebziger-Freaks dieser Cocktail aus Psychedelic Rock, Proto-Punk und den Horror-Elementen unwiderstehlich.

Philipp Gravenhorst

Killer (1971)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Das Album markierte mit Songs wie dem noch immer live gespielten „Under My Wheels“ und „Dead Babies“ den ersten richtigen Erfolg von ALICE COOPER. Es stand zwar noch immer der Garagensound im Vordergrund des Sounds von ALICE COOPER, aber dennoch wirkte die Platte wesentlich strukturierter und weniger in den Sixties verwurzelt, wie die Vorgänger, denn zum ersten Mal waren klare Hard-Rock-Elemente im Bandsound zu erkennen.

Welchen Stil hat das Album?
Garagen Rock, Hard Rock

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?
Bei „Killer“ ist es genauso, wie bei allen frühen ALICE COOPER-Platten. Ich mag sie, aber das trifft sicherlich nicht jedermanns Geschmack. Für heutige Verhältnisse wirkt das Album etwas angestaubt, aber man bedenke, wann es aufgenommen wurde. Allerdings hat in Sachen Produktion Bob Ezrin (u.a. KISS) hier schon ganze Arbeit geliefert.

Welche Anspieltipps gibst du?
Under My Wheels, Dead Babies, Yeah, Yeah, Yeah

Ist das Album sammlungswürdig?
Ja, definitiv.

Colin Büttner

School’s Out (1972)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

„School’s Out“ ist das erste Konzeptalbum von ALICE COOPER und zugleich (wohl aufgrund des Titelsongs) ein riesiger Erfolg für die Band. Somit schwamm ALICE COOPER gerade auf einer Welle des Erfolgs, als „School’s Out“ veröffentlicht wurde.

Welchen Stil hat das Album?

Hard Rock. Bedingt durch das Konzept des Albums aber auch mit Anleihen aus dem Musical-Bereich inhaltlich angereichert.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Man merkt schon mit den ersten Noten des zweiten Stücks (den titelgebenden Opener kennt wohl jeder), dass hier ein ganz besonderes Werk von ALICE COOPER vorliegt. Der Garagensound wurde gegen klaren Hard Rock eingetauscht (was auch an Bob Ezrin lag). Die addierten Musical-Elemente machen das Album zusätzlich spannend.

Welche Anspieltipps gibst du?

School’s Out, Blue Turk (der groovt schön), Public Animal #9

Ist das Album sammlungswürdig?

Ja, absolut.

Colin Büttner

Billion Dollar Babies (1973)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

„Billion Dollar Babies“ entstand auf dem kommerziellen und, so sagen viele, musikalischen Zenit von ALICE COOPER. Der Vorgänger „School’s Out“ landete auf Platz 2 der Charts, „Billion Dollar Babies“ erreichte schließlich die Pole Position. Die Band, die zwei Jahre vorher noch in irgendwelchen Kaschemmen in Detroit auftrat, gehörte 1972 zu den absoluten Superstars ihrer Zeit. Die Konzerte wurden zu vor Kunstblut triefenden Horrorshows, die den Frontmann endgültig zum Schreck aller spießigen Eltern werden ließen. Selbst von der Kirchengemeinde seiner Mutter wurde Priestersohn Alice plötzlich angefeindet, was ihn zum Song „No More Mr. Nice Guy“ inspirierte.

Welchen Stil hat das Album?

„Billion Dollar Babies“ ist klassischer Hard Rock, aber auch abwechslungsreich. Jeder Song behandelt einen anderen menschlichen Abgrund, wobei die Themen von Dentalphobie über Drogenmissbrauch bis zur Nekrophilie reichen. Entsprechend eigenständig sind die einzelnen Songs gestaltet. Eingängige Rocker wie „No More Mr. Nice Guy“ sind ebenso auf dem Album zu finden, wie düster-psychedelische Hymnen wie „I Love The Dead“. Jedoch haben fast alle Songs gemeinsam, dass sie dank Keyboard-Untermalung und epischen Steigerungen beinahe orchestralen Charakter haben.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Auf kaum einem anderen ALICE COOPER-Album ist die Hitdichte so groß wie auf „Billion Dollar Babies“. Kurz vor Schluss hat sich mit „Sick Things“ und „Mary Ann“ zwar ein Filler-Duo eingeschlichen, aber das trübt den Gesamteindruck nicht. Das Album ist aufgrund der oben beschriebenen Eigenständigkeit der einzelnen Songs in seiner Gesamtheit zwar nicht so leicht zugänglich wie andere Werke, wird aber völlig zurecht regelmäßig als eines der besten ALICE COOPER-Alben genannt.

Welche Anspieltipps gibst du?

„Hello Hooray“, „Elected“, „No More Mr. Nice Guy“, „Generation Landslide“

Ist das Album sammlungswürdig?

Ja. Vor allem zum Einstieg ist es neben „School’s Out“ der perfekte Grundstein einer ALICE COOPER-Sammlung.

Marc Thorbrügge

Muscle Of Love (1973)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

„Fragile“ steht als Hinweis auf dem Cover von „Muscle Of Love“, was den Zustand der Band ALICE COOPER im Herbst 1973 äußerst gut beschreibt. Nach ihrem auf Hochglanz polierten, bisher erfolgreichstem Album „Billion Dollars Babies“ versucht die Combo, das Gefühl ihrer rohen Anfangstage wieder heraufzubeschwören. Dafür trennt sich die Band von ihrem langjährigen Produzenten Bob Ezrin aufgrund kreativer Differenzen. Jack Richardson und Jack Douglas sitzen bei „Muscle Of Love“ hinter den Reglern. Dass es aber auch innerhalb der Band selbst genügend Probleme gibt, zeigt sich daran, dass „Muscle Of Love“ der letzte Output der ursprünglichen ALICE COOPER Band ist und der Frontmann zukünftig unter gleichem Namen als Solokünstler weitermacht.

Welchen Stil hat das Album?

In gewisser Weise erreichen ALICE COOPER auf „Muscle Of Love“ ihr selbst gestecktes Ziel. Die Platte ist ein waschechtes 70er-Hardrock-Werk gefüllt mit straighten Riffs und satten Grooves. Die meisten Songs gehen schnörkellos nach vorne. Die gelegentlich eingestreuten Bläser stehen der Gitarrenfront nie im Weg.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Die Müdigkeit, die sich 1973 innerhalb der Band breitmacht, ist auf „Muscle Of Love“ definitiv spürbar. Trotzdem gelingen ALICE COOPER noch einige echte Hits, die daran erinnern, warum die Band überhaupt so groß geworden ist. Ein Song wie „Woman Machine“ wirkt allerdings ebenso uninspiriert wie ziellos.

Welche Anspieltipps gibst du?

Das Boogie-artige „Working Up A Sweat“ geht auf jeden Fall gut ins Ohr und der Opener „Big Apple Dreamin‘ (Hippo)“ hat es ebenfalls in sich. Zudem ist das Mainriff des Titelsongs schlichtweg grandios.

Ist das Album sammlungswürdig?

Insgesamt ist „Muscle Of Love“ eher etwas für ALICE COOPER-Komplettisten. Aber die dürften an dem Album durchaus Freude haben.

Dominik Rothe

Welcome To My Nightmare (1975)

Zu welchem Zeitpunkt in Alice Karriere entstand das Album?

Nachdem sich die ALICE COOPER GROUP zerstritten hat, war es für Vincent Furnier Zeit für einen Neuanfang. Dabei blieben viele Dinge gleich. Er trat weiterhin unter diesen Namen auf, der jetzt nun sein behördlicher Name wurde und rekrutierte wieder Bob Ezrin. Das Album baut wieder auf einer Horror-Thematik. Und zu den weiteren Neuerungen gehört nicht nur die konzeptionelle Klammer.

Welchen Stil hat das Album?

„Welcome To My Nightmare“ bedient sich an einer breite Palette an Stilen. Der Titelsong hat einen Disco-Touch. Stücke wie ‚Some Folks‘ beeindrucken durch eine brachiale Big-Band-Instrumentierung, die für das Album charakteristisch ist. ‚The Black Widow‘ hat einen starken DEEP-PURPLE-Vibe. Stücke wie ‚Years Ago‘ und ‚Steven‘ haben eine konzeptionelle Funktion und fallen daher eher durch ihren Horror-Touch auf. Daneben gibt es mit ‚Cold Ethyl‘ und ‚Escape‘ aber auch schnörkellose Rock-Songs mit ausgiebigen Cowbell-Einsatz.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

„Welcome To My Nightmare“ ist sicherlich ein ungewöhnliches Album in der ALICE-COOPER-Diskografie. Der Rock-Anteil ist niedriger, dafür hält aber ein progressiver Hauch Einzug, der zu diesem Album besser passt. Dieser Scheibe, die eine abgeschlossene Geschichte erzählt. DAbei sind es eigentlich eher einzelne Stücke, die überzeugen. Gerade die konzeptionellen Stücke sind musikalisch eher uninteressant. Es ist dennoch ein Vorgeschmack von dem, was Bob Ezrin noch später mit „The Wall“ und „Music From The Elder“ liefern sollte.

Welche Anspieltipps?

Der Titeltrack besitzt Kult-Status. Er darf auf keinem Konzert fehlen, ebenso wie ‚Only Women Bleed‘, welches zu den großartigen gefühlvollen Momenten des Shock-Rockers gehlrt. Denjenigen, denen das nicht rockig genug ist, sei ‚Cold Ethyl‘ ans Herz gelegt.

Für wen ist das Album sammlungswürdig?

Natürlich für diejenigen, die alle wichtigen Alben von ALICE COOPER im Regal stehen haben möchten. Daneben sollten auch Leute reinhören, die eine Schwäche für anspruchsvollen Siebziger-Pop haben, wie ihn etwa THE WHO kultivierten.

Philipp Gravenhorst

Alice Cooper Goes To Hell (1976)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

1976 – Mit den Knallern “School´s Out”, “Billion Dollar Babies” und “Welcome To My Nightmare” im Nacken. Bereits in der Solo-Phase angekommen.

Welchen Stil hat das Album?

Flöten und Percussions würzen das Gesamtwerk aus Rhythmus und Disco-Beats. Der allzu offensichtliche Seventies-Anstrich hat nur gelegentlich etwas mit Hard Rock oder gar Heavy Metal zu tun.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Die Platte hat einen unterschwellig bösen Unterton, was schon der Opener “Go To Hell” unmissverständlich klarmacht. Man muss vielleicht schon in den 1970er Jahren Musik gehört haben, um sich ohne Unterbrechungen am stereotypen Songwriting zu erfreuen.

Welche Anspieltipps gibst du?

“I´m The Coolest”: Der Song könnte das Ergebnis einer Liebesnacht zwischen Lou Reed und Dr. Frank N. Furter sein. Die Coolness ist tatsächlich in jedem Wort und in jeder Note zu hören.
“Guilty”: Schöner Highway-Rock, bei dem ALICE COOPER pfeilgerade wie MICK JAGGER losstürmt.
“I´m Always Chasing Rainbows”: Das Lied kann einem Vergleich mit den pathetischen Hymnen von FREDDY MERCURY und ELTON JOHN standhalten.

Ist das Album sammlungswürdig?

Die Platte reicht nicht an die Klasse der Vorgänger-Alben heran. Für Hörer, die sich nicht auf ein bestimmtes Genre festlegen lassen, können die musikalischen Ausflüge in die Schlaghosen- und Stehkragen-Ära durchaus reizvoll sein.

Oliver Di Iorio

Lace And Whiskey (1977)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

„Lace And Whiskey“ wurde 1977 veröffentlicht und ist somit das dritte Soloalbum, das ALICE COOPER nach der Trennung der klassischen Line-ups aufgenommen hat. Zu diesem Zeitpunkt formen die restlichen Mitglieder der ursprünglichen Gruppe die Band THE BILLION DOLLAR BABIES und es kommt zu einem Buhlen um die Aufmerksamkeit der Fans. ALICE, der zu dieser Zeit bereits schwer alkoholabhängig ist, strebt nach zwei thematisch sehr ähnlichen Alben einen Wechsel seines Alter-Egos an. Es ist die Geburtsstunde der kurzlebigen Figur Maurice Escargot, eine überzeichnete Darstellung eines Privatermittlers im Stil des Film-noir.

Welchen Stil hat das Album?

Während besonders das Material des ersten Drittels musikalisch auf den beiden Vorgängeralben Platz gefunden hätte, entfernt sich das Album im weiteren Verlauf vom theatralischen Hard-Rock in eher seichte und poppige Gefilde. Der Stil bleibt dabei keineswegs konsistent. Es reichen sich Country-, Rockabilly-, Disko- und Popmusik im Wechsel die Hand.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Philip Marlowe und Sam Spade sind Archetypen privater Ermittler des Roman- und Film-noir. Genau diese Atmosphäre wird zu Beginn des Albums mit den Titeln „It’s Hot Tonight“ und „Lace and Whiskey“ grandios eingefangen. Es ist ALICE COOPERs Vorstellung und Vision eines Soundtracks für ein 40er-Jahre Detektiv-Abenteuer. Dabei handelt es sich leider nicht um ein konsequentes Konzeptalbum, sondern nur um eine Grundidee, ein Thema, dem das Album folgen soll. Die Figur des Privatermittlers Maurice Escargot hat keine tiefere Bedeutung für den Verlauf des Albums.

Bereits beim dritten Song („Road Rats“) gibt es Risse in dieser Grundidee und schon während der folgenden Nummer weiß man nicht mehr genau wohin die Reise gehen soll. Es handelt sich um den Song „Damned If You Do“, eine Honky-Tonk-Nummer, die wahrscheinlich gut zu einem Square-Dance Wettbewerb passen würde. Zwar waren ALICE-COOPER-Alben seit jeher stilistisch abwechslungsreich und Genregrenzen wurden gezielt aufgebrochen, aber hier ist dieser Bruch befremdlicher als je zuvor. Verbindende Elemente wie der gestochene Wortwitz oder eine lyrische Verflechtung fehlen weitestgehend. Mit „You And Me“, einer komplett überzuckerten Anschmacht-Ballade, präsentiert ALICE COOPER die seichteste Nummer seiner kompletten Diskografie. Spätestens damit ist die Schlacht gegen seine alten Weggefährten gewonnen. Der Song wird ein internationaler Erfolg.

Weitere Lieder wie  etwa die Diskonummer „(No More) Love At Your Convenience“ finden zwar ihren Weg in das erdachte Thema zurück, können aber nicht wirklich überzeugen. Im Gegensatz dazu punktet „King Of The Silver Screen“ als pfiffige Hommage an den Zauber der Kinofilme der 40er und 50er-Jahre und endet mit einem Schulterschluss zum Transvestitismus. Abschließend bleibt „Lace And Whiskey“ zwar ein abwechslungsreiches Album, aber man muss es sich ein wenig schön hören. Die Zeit dafür wird jedoch nur der interessierte Fan investieren wollen.

Welche Anspieltipps gibst du?

„It’s Hot Tonight”, „Lace and Whiskey”, „King of the Silver Screen”

Ist das Album sammlungswürdig?

Obwohl es um einige der Songs tatsächlich schade ist, muss attestiert werden, dass dieses Album eher den Komplettisten und interessierten Fans vorbehalten ist.

Oliver Slanina

From The Inside (1978)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Viele Jahre wurden die Konsequenzen von ALICE COOPERs Alkoholsucht von seinen engsten Vertrauten ignoriert. Nach der Veröffentlichung des „Lace And Whiskey“-Albums ist dies nicht mehr möglich. In depressiven Episoden liegt ALICE tagelang im Bett, schaut Fernsehen und betrinkt sich. Man muss Gewalt anwenden, damit er Termine wahrnimmt. Neben den psychischen Auswirkungen manifestiert sich die Sucht auch körperlich. Er beginnt Blut zu erbrechen und die Ärzte prophezeien ihm ein baldiges Ableben, sollte er seinen Lebensstil nicht drastisch ändern.
Ende 1977 überreden ihn seine Ehefrau, sein Produzent und sein Manager zu einem harten Entzug. ALICE COOPER geht in das Cornell Medical Center und damit nicht in eine gängige Rehabilitationsklinik für Prominente. Es ist ein Sanatorium, abseits der öffentlichen Wahrnehmung, für Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen. Nach zwei Monaten verlässt er diese Institution als vermeintlich trockener Alkoholiker.
Zusammen mit seinem Freund Bernie Taupin, dem langjährigen Songwriter von ELTON JOHN, schreibt ALICE mit „From The Inside“ ein Album über seine Erlebnisse in diesem Sanatorium und veröffentlicht damit 1978 eine seiner persönlichsten Platten überhaupt. Seine Therapie hat keinen langfristigen Erfolg. Durch die enge Zusammenarbeit mit Taupin kommt er mit Kokain in Verbindung und gerät in die nächste Abhängigkeit.

Welchen Stil hat das Album?

Die Schlüsselfigur hinter „From The Inside“ ist Bernie Taupin. Der Songwriter von ELTON JOHN bringt Erfolgsproduzent David Foster (CÉLINE DION, WHITNEY HOUSTON) mit an Bord und beide verpassen der Platte einen opulenten und breiten Sound. Hierbei dominieren jedoch glatte und gradlinige Kompositionen, die mit tanzbarem Rhythmus und massiven Chor- und Begleitgesang-Arrangements unterfüttert sind. Es bleibt zwar eine rockige Scheibe, aber mit erheblichen Einflüssen damaliger Popmusik. Neben weiteren Musikern der Band von ELTON JOHN sind auch Sessionmusiker aus den Reihen von TOTO oder CHEAP TRICK an den Aufnahmen beteiligt. ALICE COOPER selbst findet zu seinem markanten Wortwitz und ausdrucksstarken Texten zurück. BOB DYLAN bezeichnet ALICE COOPER in diesem Zeitraum als einen stark unterschätzten Songwriter.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Die autobiografische Reise in ein Sanatorium ist bei aller Tragik äußerst unterhaltsam. Die poppig-schmissige Rockmusik, einerseits gepaart mit originellem Wortwitz, anderseits mit entwaffnender Ehrlichkeit, beschert dem geneigten Zuhörer eine skurrile und hörenswerte Musikcollage. „Geneigt“ ist dabei ein wichtiges Wort und weist auch auf das damalige Dilemma der Platte hin. Für Fans, die sich einen kernigen Hard-Rock-Sound wünschen, sind die Songs zu sehr in der Popmusik verankert. Die Anhänger von Popmusik finden die Texte zu befremdlich. Das Album wird zum Flop, obwohl es gar nicht so weit von dem Erfolgsalbum „Welcome To My Nightmare“ entfernt liegt. Die Schauermär ist jedoch weniger abstrakt oder metaphorisch, sondern direkt in der realen Welt beheimatet und somit greifbarer. Ein Problem, welches auch in Kritiken jener Zeit aufgegriffen wird. Man attestiert, dass das Konzept des Albums sich zu ernst nehme und als Parodie besser funktionieren würde. Das ist jedoch genau das, was ALICE COOPER nicht wollte.

Besonders deutlich wird dies bei den Songs, in denen ALICE seine eigenen Erfahrungen thematisiert. Behandelt der flotte Titelsong („From The Inside“) seine Alkoholsucht und die ungesunde Verschmelzung zwischen ihm und seinem Alter-Ego auf der Bühne, so geht es in „The Quiet Room“ noch drastischer an die Substanz. ALICE beschreibt hier, wie er tagelang zum Selbstschutz in eine Isolationszelle weggesperrt wird. Die musikalische Untermalung kommt dabei überraschend kitschig und mit Backing-Vocals von Maurice White (EARTH, WIND & FIRE) daher, kreiert aber eine überraschend intensive Atmosphäre. Ähnliches gilt für die Singleauskopplung „How You Gonna See Me Now“.
Zudem lernen wir weitere Personen im Sanatorium kennen. Die rockige Nummer „Wish I Were Born In Beverly Hills“ erzählt pointiert von einer jungen Frau aus gut betuchtem Hause, heute wohl als It-Girl zu bezeichnen, bei der alle Sicherungen durchbrennen. „Nurse Rozetta“ ist hingegen die etwas andere Pflegerin, die auch noch heute Teil seiner Liveshows ist. Ein weiteres Beispiel dafür, dass ALICE COOPER den Sinn für das Groteske wiederentdeckt hat, stellt die vermeintliche Schnulze „Mille And Billy“ dar. Das Country-Duett à la DOLLY PARTON und KENNY ROGERS entwickelt sich gegen Ende in eine makabre Kriminalgeschichte.

„From The Inside“ ist ein Album, das zu seiner Veröffentlichung nicht verstanden wurde und erst später auf dem Radar vieler Fans erschien. Es skizziert einen ALICE COOPER, der nicht in die heutige „Waynes World“-artige Vorstellung seiner Person passt. Das abschließende „Inmates (We’re All Crazy)“ bringt dies theatralisch auf den Punkt.

Welche Anspieltipps gibst du?

„From The Inside“, „Wish I Were Born In Beverly Hills“, “The Quiet Room”, „Serious”, „Inmates (We’re All Crazy)“

Ist das Album sammlungswürdig?

Das Album gehört zu den wichtigsten Alben in der Karriere von ALICE COOPER und wenn man mehr als eine Handvoll Platten dieses Künstlers im Schrank haben will, sollte dieses dabei sein. Für Sammler ist auch die erste Pressung der LP ans Herz zu legen, die mit mehrteiligen Klappcover und verschieden Gimmicks erschien. Begleitend zum Album brachte der Marvel-Verlag zudem ein Comicheft heraus.

Oliver Slanina

Flush The Fashion (1980)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Das Album entstand während Alice mit seiner Alkoholsucht zu kämpfen hatte. Dementsprechend wirkt das Album etwas konfus und nicht wirklich auf den Punkt komponiert.

Welchen Stil hat das Album?

Hard Rock

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Etwas konfus, was Kompositionen und Texte angeht, aber lange nicht so schlimm, wie Vielerorts kolportiert. Dennoch fehlen über sehr weite Strecken die Cooper-typischen Hits.

Welche Anspieltipps gibst du?
Pain, Headlines

Ist das Album sammlungswürdig?
Für Allessammler, ja. Ansonsten eher nein.

Colin Büttner

Special Forces (1981)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Der Lack war ab. 1981 verkaufte ALICE COOPER mit jedem neuen Album immer noch Stückzahlen, von denen kleinere Artists nur träumen können, doch der Schockrocker aus dem vergangenen Jahrzehnt wurde zunehmend zum Rock-Dino, der sich nur noch aus Gewohnheit mit immer austauschbarer werdenden Session-Musikern ins Studio schleppte. Außerdem war Alice zu diesem Zeitpunkt stark drogenabhängig und erinnert sich heute weder daran, wie er „Special Forces“ geschrieben oder aufgenommen hat, noch an die nachfolgende Tour, die seine letzte bis 1986 sein sollte.

Welchen Stil hat das Album?

1981 war New Wave angesagt und das bekam offenbar auch ALICE COOPER mit. Das Album ist punkig und beinhaltet viele eingängige Hooks. Kein Wunder also, dass sich „Special Forces“ in der New-Wave-Hochburg England besser verkaufte als in Übersee. Mit „For Britain Only“ legte man sogar noch eine Single nur für den britischen Markt nach. Die coopersche Verschrobenheit bewahrte das Album allerdings davor zu poppig zu werden.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

ALICE COOPER goes New Wave klingt natürlich erst einmal nach Hölle auf Erden, aber die Mischung geht ganz gut auf. Von eintönigen Totalausfällen wie „You Want It, You Got It“ abgesehen finden sich auf „Special Forces“ auch kleine Hits, in denen 70er-Rock, Synthesizer und poppige Refrains Hand in Hand greifen. Dass aber selbst dieser kleine Rest Kreativität kein ganzes Album füllen konnte, ist daran zu erkennen, dass eine Live-Aufnahme von „Generation Landslide“ nötig war, um eine anständige Spielzeit zu erreichen.

Welche Anspieltipps gibst du?

„Prettiest Cop On The Block“, „You Look Good In Rags“

Ist das Album sammlungswürdig?

Nur für Fortgeschrittene und Neugierige.

Marc Thorbrügge

Zipper Catches Skin (1982)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Nach eigener Aussage kann sich ALICE COOPER an den gesamten Produktionsprozess von „Zipper Catches Skin“ kaum mehr erinnern. So tief steckt der Sänger zu Beginn des Songwritings im Drogensumpf. Des Weiteren befindet sich der Schockrocker auf der Sinnsuche im neuen Jahrzehnt zwischen Synth Pop, Softrock und dem erstarkenden Heavy Metal. Ziellos beschreibt wohl am besten den Zustand der Karriere von ALICE COOPER, als „Zipper Catches Skin“ erscheint. Nicht einmal eine Tour zum Album bekommt er zustande. Dementsprechend floppt die Platte kolossal. In den USA schafft sie es nicht mal in die Billboard Top 200.

Welchen Stil hat das Album?

„I Am The Future“, den die meisten wohl aus dem Soundtrack des Films „Die Klasse von 1984“ kennen dürften, steht exemplarische für ALICE COOPERs Sinnkrise, die sich auf „Zipper Catches Skin“ manifestiert. Weder gibt es auf der Platte grundehrliche Rockmusik, noch ein pompöses Konzeptwerk zu hören. Stattdessen biedert sich COOPER vermehrt dem Zeitgeist an, was sich im massiven Einsatz von Synthesizern zeigt, die ihn stellenweise in die Nähe von Acts wie DEPECHE MODE rücken. Ab und zu gibt es noch klassischeres ALICE COOPER-Material wie das stampfende „No Baloney Homosapiens“ oder „Adaptable (Anything For You)“ zu hören. Dieses ständige Pendeln zwischen den Extremen verhindert allerdings eine klare Linie.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Auf gewisse Weise ist „Zipper Catches Skin“ durchaus spannend anzuhören. Aufgrund der teils aberwitzigen Texte gibt es eine Menge zu lachen. Außerdem ist man immer gespannt, welcher musikalische Rundumschlag im nächsten Track wohl folgen wird. Das sorgt zwar nicht gerade für ein in sich schlüssiges Werk, unterhält aber zumindest, wenn auch eher leidlich. Echte Hits gehen dem Album komplett ab. Eine Sternstunde im Schaffen von ALICE COOPER stellt „Zipper Catches Skin“ also definitiv nicht dar.

Welche Anspieltipps gibst du?

„Adaptable (Anything For You) bleibt als einer der wenigen Tracks augenblicklich hängen. Ansonsten sind echte Highlights auf der Platte rar gesät. Wobei „I Am The Future“ allein schon durch den dazugehörigen Film auf gewisse Weise Kultstatus besitzt.

Ist das Album sammlungswürdig?

Selbst Menschen, die meinen, alles von ALICE COOPER haben zu müssen, sollten sich einen Kauf gut überlegen und im besten Fall vorab in die Platte rein hören. „Zipper Catches Skin“ ist allenfalls ein Kuriosum in ALICE COOPERs Schaffen.

Dominik Rothe

Dada (1983)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Mitte 1983 nimmt ALICE COOPER das Album „DaDa“ auf und erfüllt damit seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Warner Bros. Die haben nach seinen Eskapaden und dem ausbleibenden Erfolg keinerlei Interesse an einer weiteren Vertragsverlängerung. COOPERs körperliche Verfassung ist zudem kritisch und muss medizinisch überwacht werden; er ist stark unterernährt und leidet an einer Leberzirrhose.

„DaDa“ wird im September 1983 ohne nennenswerte Promotion veröffentlicht und wird im Anschluss auch nicht betourt. Zwei Tage nach der Veröffentlichung verlässt seine Ehefrau mit der zweijährigen Tochter das gemeinsame Anwesen und reicht die Scheidung ein. Im Laufe der kommenden Monate findet das Paar jedoch wieder zusammenzufinden und ALICE COOPER geht erfolgreich in seinen letzten Entzug. Er wird nicht mehr rückfällig und „DaDa“ bildet damit den Abschluss der drei Alben umfassenden Blackout-Reihe.

Welchen Stil hat das Album?

„DaDa“ ist tatsächlich so etwas wie der düstere Außenseiter in der Diskografie von ALICE COOPER. Im Vergleich zu den direkten Vorgängern wird erneut ein theatralischer Ansatz und ein Konzept verfolgt. Ein Großteil der üppigen Produktion entsteht dabei im Synthesizer und wird mit satten Gitarrenparts untermauert. Stilistisch pendelt sich die Platte irgendwo zwischen New- und Dark-Wave ein. Die Songs entfesseln hierbei eine angespannte, nahezu unheimliche Atmosphäre, die sich über das ganze Album legt. Inhaltlich geht es um einen jungen Mann aus desolaten Familienverhältnissen und seinem Vater, der Teil einer makabren Horrorgeschichte ist.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

„DaDa“ ist ein waschechtes Konzeptalbum und hat somit eine besondere Stellung unter den sogenannten „Blackout“-Alben.
Während die beiden rockigen Nummern „Enough’s Enough“ und „No Man’s Land“ einen Charakter namens Sonny skizzieren, der vermeintlich aus der toxischen Beziehung zu seinem Vater flieht und einfach nur versucht über die Runden zu kommen, beginnt das Album ein klägliches Bild auf den amerikanischen Traum zu werfen. Sonny gibt sich in der orientalisch-angehauchten Nummer „Scarlet And Sheba“ erotischen Abenteuern hin und bekennt sich, in einer komplett überzeichneten Liebeserklärung an Amerika („I Love America“) zu Fernsehen, Baseball, Vorurteilen, Frauenfeindlichkeit und Krieg (um nur einiges zu nennen). Ein offenes Ende findet dieser Teil des Albums in der Gänsehaut-Ballade „Pass The Gun Around“ und mit dem vermeintlichen Selbstmord von Sonny.

Eine weitere parallel verlaufende Geschichte auf dem Album dreht sich um den gewalttätigen und psychisch labilen Vater („DaDa“). Im zart-schaurigen „Former Lee Warmer“ wird der gleichnamige Bruder des erwähnten Vaters vorgestellt. Dieser lebt scheinbar als eine Art untotes Wesen („Former Lee Warmer“ = formerly warmer) auf dem Dachboden, während der Vater abends zu einem unverschämt-funkigen Rhythmus nach Opfern sucht, die seinen Bruder ernähren sollen („Fresh Blood“).

Dies ist natürlich nur eine der möglichen Interpretation. Ein interessanter Aspekt dieses Albums ist tatsächlich, dass jede Deutung der Hintergrundgeschichte gleichermaßen richtig oder falsch sein kann. ALICE COOPER weiß dieses Rätsel selbst nicht zu entschlüsseln und attestiert, dass „DaDa“ ihm unheimlich ist. Es ist unfassbar spannend, welches Kopfkino dieses New-Wave-Abenteuer bei einem selbst auslösen kann. Nicht zuletzt deswegen zählt „DaDa“ zu den wiederentdeckten Kultalben unter den Fans und beinhaltet zudem, obwohl es zu der gescholtenen Blackout-Trilogie zählt, mit „Scarlet And Sheba“ und „Pass The Gun Around“ zwei Sahnestücke der Diskografie.

Welche Anspieltipps gibst du?

„Former Lee Warmer”, „Scarlet And Sheba“, „Fresh Blood“ „Pass The Gun Around“

Ist das Album sammlungswürdig?

Insofern man mit der stilistischen Ausrichtung etwas anfangen kann oder wenigstens bereit ist, sich darauf einzulassen, überrascht „DaDa“ mit einem frischen Sound und kreativen Ideen. Vor einem Kauf sollte jedoch unbedingt reingehört werden.

Oliver Slanina

Constrictor (1986)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

„Constrictor“ entstand, nachdem ALICE COOPER seinen absoluten Tiefpunkt überwunden hatte. Der Musiker wurde clean und fing ganz neu an. Der Branchenriese Warner wollte ihn allerdings nicht mehr. Dafür kam Alice bei MCA Records unter, was rückblickend passend erscheint, da das Unternehmen zuvor ebenfalls kurz vor dem Bankrott gestanden hatte. Ebenso passend war die Idee, dass ALICE COOPER mit „He’s Back (The Man Behind The Mask)“ ein Musikvideo zum sechsten Teil der Freitag-der-13te-Reihe beisteuerte. Alice erreichte somit aus dem Stand viel Airplay im damals angesagten Musikfernsehen und war wieder in aller Munde.

Welchen Stil hat das Album?

Dass sich ALICE COOPER gerne von gerade aktuellen Stilen inspirieren ließ, sollte kein Geheimnis sein. 1986 war Glam Metal mächtig angesagt und entsprechend haarspraylastig klingt „Constrictor“. Dies dürfte auch den beiden Männern an Gitarre und Bass zu verdanken sein, die den Cooper-Sound ordentlich aufmotzten. Muskelmann Kane Roberts übernahm den Sechssaiter, der spätere WINGER-Chef Kip Winger den Tieftöner.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

„Constrictor“ ist ein sehr gradliniges Rock-Album, das sämtliche Experimente der Vorjahre beendet und auf Nummer Sicher geht. Zwar konnte man bereits erkennen, dass ALICE COOPER sich auch in dieser neuen Musikwelt zurechtfinden wird, doch noch fehlte es an Hits. Unterm Strich bleibt „Constrictor“ zu flach, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

Welche Anspieltipps gibst du?

„Teenage Frankenstein“, „The Great American Success Story“, „He’s Back (The Man Behind The Mask)“

Ist das Album sammlungswürdig?

Kann man sich holen, muss man aber nicht.

Marc Thorbrügge

Raise Your Fist And Yell (1987)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Im Jahr 1987 gab es zum ersten Mal seit über zehn Jahren wieder so etwas wie Stabilität bei ALICE COOPER. Die „The Nightmare Returns“-Tour lief erfolgreich, das Comeback war geglückt. Außerdem blieben Kane Roberts und Kip Winger an Bord, was für kreativen Schwung sorgte. Auf diesem Fundament gewann Alice endgültig seine Selbstsicherheit zurück und schaffte es, sein Schocker-Image vom glitzernden Staub der 1970er zu befreien. Die ALICE COOPER-Horrorshow war in den 1980ern angekommen und befand sich auf dem besten Weg zur Zeitlosigkeit.

Welchen Stil hat das Album?

„Raise Your Fist And Yell“ ist eines der härtesten Alben von ALICE COOPER. Dies ist vor allem zwei Beteiligten zu verdanken: Muskelgitarrist Kane Roberts haut ein starkes Solo nach dem anderen raus, während FIFTH ANGEL-Schlagzeuger Ken Mary den Songs den nötigen Punch gibt. Insgesamt lässt dieses Album jedoch komplett den cooperschen Hang zur Theatralik vermissen und kann nicht an frühere Epen anknüpfen. Stilistisch steht er hier TWISTED SISTER – mit denen er 1985 den Song „Be Chrool To Your Scuel“ aufnahm – näher als sich selbst.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Im Gegensatz zu „Constrictor“ ist „Raise Your Fist And Yell“ deutlich stärker, was vor allem an der besseren Einbindung der Instrumentalfraktion liegt. ALICE COOPER ist auf diesem Album mehr Band als Einzelkämpfer, was das Album lebendiger und vielschichtiger klingen lässt. Allerdings entsteht rückblickend der Eindruck, dass in dieser Konstellation damit auch alles gesagt war. Wer auf Glam Metal steht, dürfte in „Raise Your Fist And Yell“ dennoch ein Highlight der Diskografie sehen.

Welche Anspieltipps gibst du?

„Freedom“, „Prince of Darkness“, „Roses On White Lace“

Ist das Album sammlungswürdig?

In zweiter Reihe, ja. Wer Platz sparen will, holt sich statt „Constrictor“ und „Raise Your Fist And Yell“ die Mini-Compilation „Prince of Darkness“.

Marc Thorbrügge

Trash (1989)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

1989 – Alice Cooper hatte gerade eine Vier vor sein Alter gesetzt und erlebte mit dem Album seinen zweiten Frühling. In den Videos zu “Poison” und “House Of Fire” rekelten sich leichtbekleidete Damen und seine Backing-Band setzte sich ausnahmslos aus Vorzeige-Hard-Rockern mit Löwenmähne zusammen.

Welchen Stil hat das Album?

Eine glasklare Produktion trifft auf gefälliges Songwriting und unwiderstehliche Melodien. Für POISON- und BON-JOVI-Anhänger zu heavy, aber für Freunde von ironisch angehauchtem Hard Rock genau richtig.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Die Produktion klingt auch für heutige Verhältnisse nicht nach einem klassischen 80s-Album. “Trash” stellt einen sehr wichtigen Meilenstein in COOPERS Karriere und für viele Kinder der MTV-Generation einen Türöffner zum Hard Rock dar.

Welche Anspieltipps gibst du?

“Poison”: Ikonisches Auftakt-Riff, das auf keiner Metal-Party fehlen darf.
“House Of Fire”: Unvergesslicher Chorus mit toller Melodie.
“Bed Of Nails”: Fiese Porno-Nummer mit lustigem Text.
“Only My Heart Talkin´”: Eigentlich eine Standard-Ballade, die aber mit Gast-Sänger STEVEN TYLER zum innigen Duett eskaliert.

Ist das Album sammlungswürdig?

Auf jeden Fall.

Oliver Di Iorio

Hey Stoopid (1991)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Nachdem ALICE COOPER in den 80ern ordentlich zu kämpfen hatte, gelang ihm mit „Trash“ und dem darauf enthaltenen „Poison“ einer der größten Album- wie Singlehits seiner Karriere. „Hey Stoopid “ soll zwei Jahre später an diesen Wahnsinnserfolg anschließen. Dafür trommelt der Schockrocker jede Menge Prominenz um sich. Am Songwriting sind unter anderem Starproduzent Desmond Child, MÖTLEY CRÜE-Vordenker Nikki Sixx sowie dessen Gitarrenkomparse Mick Mars beteiligt. An der Gitarrenfront wiederum spielen Joe Satriani, Steve Vai und Vinnie Moore zahlreiche grandiose Soli ein. Anfang der 90er steht es für ALICE COOPER so gut wie selten im Verlauf seiner langjährigen Karriere.

Welchen Stil hat das Album?

Wie schon der Vorgänger orientiert sich das Songmaterial auf „Hey Stoopid “ stark am Hair Metal der 80er, ohne jemals in die Peinlichkeit einer Band wie POISON abzudriften. Songtitel wie „Dirty Dreams“, „Die For You“ oder „Love’s A Loaded Gu “ sprechen aber eine deutliche Sprache. Die Gitarrenmelodie in letzterem erinnert zudem frappierend an den SCORPIONS-Hit „Rhythm Of Love“. Mit dem dazugehörigen Album „Savage Amusement “ begaben sich die Hannoveraner einst in ganz ähnliche Gefilde wie ALICE COOPER auf „Hey Stoopid „. Die Platte kommt aalglatt und poliert daher. Aber das im besten Sinne.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

„Hey Stoopid “ ist zweifellos eines der besten Alben im gesamten Schaffen von ALICE COOPER. Trumpfte „Trash “ zuvor in erster Linie mit zwei, drei großen Hits auf, die von ein wenig Durchschnittsware umringt waren, ist auf „Hey Stoopid“ jeder Track ein Volltreffer. Die Refrains fräsen sich augenblicklich und für immer in die Gehörgänge. Die Riffarbeit ist von vorne bis hinten ausschließlich cool. Und dass die Gitarrensoli durchweg geschmackvoll sind, sollte bei der Liste an Gästen niemanden wundern. „Hey Stoopid “ ist ein Hardrock-Meisterwerk.

Welche Anspieltipps gibst du?

Obwohl hier ausschließlich grandioses Material versammelt ist, gibt es doch ein paar Tracks, die hervorstechen. „Feed My Frankenstein“ dürfte wohl der bekannteste Song der Platte sein und das zurecht. Angefangen vom aberwitzigen Text über den coolen Groove bis hin zum Soloduell zwischen Vai und Satriani begeistert hier alles. Ein absoluter Ohrwurm wieder ist das vorpreschende „Snakebite“. Doch auch „Hurricane Years“, „Love’s A Loaded Gun“ und „Littley By Little“ sind perfekt zum Auschecken der Platte geeignet.

Ist das Album sammlungswürdig?

Der Form halber hier noch ein klares: Ja!

Dominik Rothe

The Last Temptation (1994)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Als die Arbeiten an „The Last Temptation“ beginnen, ist der Hair Metal, der den Sound der beiden Vorgänger maßgeblich beeinflusste, längst nicht mehr angesagt. Grunge ist der Hype der Stunde. ALICE COPPER tut also das einzig richtige und geht musikalisch andere Wege. Von neu kann dabei aber nicht unbedingt die Rede sein. Weiterhin bewegt sich der Meister auf ein ihm lange bekanntes Terrain, stellt die Platte doch ein Konzeptalbum im Stil von „Welcome To My Nightmare“ dar. Die Handlung erzählt vom jungen Steven, der in die Fänge eines zwielichtigen Showmans mit übernatürlichen Fähigkeiten gerät.

Welchen Stil hat das Album?

ALICE COOPER bewegt sich auf „The Last Temptation“ weit in die Vergangenheit. Das Album erinnert mit seinen groovigen Rockstücken häufig an Classic Rock der 60er und 70er, wie man ihn von BRUCE SPRINGSTEEN oder CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL kennt. Nur inszeniert ALICE COOPER ihn mit deutlich mehr Schmackes und schielt, ganz dem Zeitgeist entsprechend, ab und zu in Richtung Grunge. Gleich zwei Songwriting-Gastbeiträge von SOUNDGARDEN-Frontmann Chris Cornell in „Unholy War“ und „Stolen Prayer“ unterstreichen dies.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

„The Last Temptation“ ist wohl kein unumstößlicher Klassiker im Schaffen von ALICE COOPER, aber trotzdem ein spannendes Album, das bis zum Schluss mit zahlreichen kreativen Ideen aufwartet. Ein bisschen zurück zu den Wurzeln, ein bisschen aktuelles Zeitgeschehen und kaum noch etwas von dem, was den Sänger Ende der 80er wieder ins Rampenlicht zurückholte. Somit handelt es sich bei „The Last Temptation“ auf jeden Fall um eine mutige Platte, die zudem mit überwiegend starkem Songmaterial daherkommt. Nur so ein Stinker wie „It’s Me“ hätte nun wirklich nicht sein müssen.

Welche Anspieltipps gibst du?

„Lost In America“ ist nicht umsonst der populärste Song und die erfolgreichste Single der Platte. Der Ohrwurm-Refrain fräst sich einfach in die Gehörgänge. „You’re My Temptation“ fesselt dank eines zwingenden Grooves. Und klar, die gelungenen Gastbeiträge von Chris Cornell darf man an dieser Stelle auch nicht vergessen.

Ist das Album sammlungswürdig?

Definitiv. Es sei denn, man ist nur auf offensichtliche Hits aus. So einfach macht es ALICE COOPER auf „The Last Temptation“ nämlich nicht.

Dominik Rothe

Brutal Planet (2000)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Es war sechs Jahre lang albumtechnisch still um Alice. Der Vorgänger „The Last Temptation“ von 1994 heimste zwar gute Kritiken ein und ihm wurde attestiert, dass es eine wirklich ausgereifte Konzeptgeschichte zu bieten hatte. Aber nach den zwei Chart-Alben „Trash“ und „Hey Stoopid“ ging das Album in der Fangemeinde insgesamt eher unter. Demzufolge war es nicht verwunderlich, dass Cooper sich mit „Brutal Planet“ wieder einmal neu erfinden sollte.

Welchen Stil hat das Album?

„Brutal Planet“ ist textlich wie musikalisch sicherlich sein härtestes Album. Die Musik tendiert schon in Richtung Industrial Metal, ist kalt, düster, mechanisch. Lyrisch geht es um Vorurteile, Missbrauch, Krieg, Amokläufe und Psychopathen. Harte, stampfende Riffs werden nur selten von ruhigeren Tönen abgelöst.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Ich bin etwas befangen, nach „Trash“ war „Brutal Planet“ mein 2. Album des Schockrockers und ich war begeistert. Als junger Bub mit gerade mal 10 oder 11 Jahren hörte ich das Album in Dauerschleife und spielte dazu am PC „Duke Nukem: Manhattan Project“, was seltsam gut zueinander passte. In der 7. Klasse übersetzte ich aus Langeweile „Pick Up The Bones“ auf Deutsch und hing es in meinem Zimmer auf. Meine Mutter war so semi erfreut. Mittlerweile rotiert die Scheibe nicht mehr so häufig, aber wenn ich sie mal wieder auflege, finde ich sie immer noch unglaublich gut. Der Stil steht Alice.

Welche Anspieltipps gibst du?

„Brutal Planet“, „Gimme“, „Pick Up The Bones“, „Cold Machines“

Ist das Album sammlungswürdig?

Für alle, die mal eine wirklich brutale Seite von Alice Cooper sehen wollen, ja.

Jannik Kleemann

Dragontown (2001)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Das Album entstand in direkter Nachfolge zu seinem Vorgänger, sowohl textlich wie auch musikalisch.

Welchen Stil hat das Album?

Den gleichen Stil wie auch „Brutal Planet“. Harte Industrial-Metal-Riffs treffen auf Alices unvergleichliche Stimme. Mit „Triggerman“ ist einer der härtesten Songs, die Cooper je geschrieben haben muss, auf dem Album. Es ist ein bisschen wie ein Abstieg in Alice Coopers ganz persönliche Hölle.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Gut, auch wenn der Vorgänger mehr Hits hatte. Doch auch hier überzeugt mit der brutal-düstere Stil und die Thematik der Lieder bis heute. Ich las mal, dass die Alben ursprünglich als Trilogie angelegt waren und hoffe immer noch auf den, bis heute nicht erschienenen Abschluss, aber leider war „Dragontown“ ein großer Flop, weswegen es dazu wohl nicht kommen wird.

Welche Anspieltipps gibst du?

„Triggerman“, „Sex, Death And Money“, „Sister Sara“

Ist das Album sammlungswürdig?

Wenn ihr diesen Stil auschecken wollt, greift zuerst zu „Brutal Planet“. Wenn euch der Stil gefällt, kauft „Dragontown“ gleich hinterher.

Jannik Kleemann

The Eyes Of Alice Cooper (2003)

Zu welchem Zeitpunkt in Alice Karriere entstand das Album?

Mit „Brutal Planet“ und „Dragontown“ hat ALICE COOPER sein Comeback gegeben und gerade letztgenannte Platte ist gefloppt. Mit „The Eyes Of Alice Cooper“ ist also wieder mal eine Neuausrichtung verbunden.

Welchen Stil hat das Album?

Und es ist mal wieder Wurzelkunde angesagt: Klassischer Hard Rock mit einer zeitgemäßen Produktion, die klassische Quintett-Besetzung dominiert das Klangbild.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Es lässt sich darüber streiten, ob das Alterswerk erst mit 55 Jahren beginnt. Musikalisch passt diese Kategorie aber am besten zu „The Eyes Of Alice Cooper“. Er spielt den Stil, der mit ihm verbunden ist. Songs wie ‚Between High & Old School‘ und ‚Bye, Bye Baby‘ zielen auf die billige Hook. Die Ballade „Be With You A While“ verdeutlicht die Sicht, die man als alternder Mensch hat. Der Song ‚Detroit City‘ mit seinen ganzen Anspielungen auf die 1970er-Jahre verdeutlicht am besten die nostalgische Ausrichtung. Natürlich ist die Kategorie „Spätwerk“ kein Argument, um ein Album nicht zu mögen, zumal auch Herr Furnier im hohen Alter noch einige Perlen veröffentlicht hat. Diese Platte ist aber über weite Strecken zu flach.

Welche Anspieltipps?

Der Opener „What Do You Want From Me“ zieht schnörkellos nach vorne ab, ‚Be With You A While‘ hat trotz allzu konvetionellen Songwriting eine beeindruckende Sanftheit. „This House Is Haunted“ bricht mit seiner Horror-Stimmung aus der Sommerrockparade aus.

Für wen ist das Album sammlungswürdig?

Für alle, die auf der Suche nach ein paar Ohrwürmern sind.

Philipp Gravenhorst

Dirty Diamonds (2005)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

In den 2000ern war ALICE COOPER in der bequemen Situation, dass er eigentlich niemandem mehr etwas beweisen musste und sein Frühwerk, wie insgesamt die Rockmusik der 1970er, wieder steigendes Interesse erfuhr. Gute Bedingungen also, um musikalisch aktiv zu bleiben, ohne sich in irgendwelche Experimente zu stürzen.

Welchen Stil hat das Album?

„Dirty Diamonds“ ist schnörkelloser Hard Rock, dem man allerdings die jahrzehntelange Erfahrung von ALICE COOPER anhört. Selbst die flachsten Rocker klingen ausgefeilt und unterhaltsam. Die orchestrale coopersche Schwere der 1970er lässt sich nicht ausmachen, dafür ein kleiner Schuss Blues. Sprich: „Dirty Diamonds“ klingt eher nach Club als Konzertsaal.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Solide. Kaum ein anderes ALICE COOPER-Album ist so unkompliziert und leicht verdaulich wie „Dirty Diamonds“. Dadurch büßt es zwar an Relevanz ein, nimmt aber gerade durch seine entspannte Atmosphäre eine besondere Stellung in der Diskografie ein. Jeder kann mit diesem Album eine gute Zeit haben, vorausgesetzt der absolut sinnlose Pop-Rock-Rausschmeißer „Stand“ mit dem Gast-Rapper XZIBIT wird geskipt.

Welche Anspieltipps gibst du?

„Woman of Mass Distraction“, „You Make Me Wanna“, „Your Own Worst Enemy“

Ist das Album sammlungswürdig?

Fürs Regal weniger, aber als relaxter musikalischer Begleiter im Handschuhfach eine sehr gute Wahl.

Marc Thorbrügge

Along Came A Spider (2008)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Alles Neu macht das Jahr 2008. ALICE COOPER wechselte damals seine komplette Begleitband aus und auch der langjährige Gitarrist Ryan Roxie war nicht mehr mit dabei. Mit KISS-Schlagzeuger Eric Singer ließ sich allerdings ein alter Bekannter hinter der Rührschüssel blicken, Slash und Ozzy gastierten jeweils für einen Song. Noch immer war der Status von ALICE COOPER ungebrochen, doch nach dem konventionellen „Dirty Diamonds“ wurde es Zeit für ein Experiment.

Welchen Stil hat das Album?

„Along Came A Spider“ klingt so wie ein ALICE COOPER-Album aus den 1970ern, das aber 35 Jahre später mit den Mitteln der 2000er aufgenommen wurde. Kaum ein anderes Album aus der Diskografie schafft den stilistischen Spagat zwischen klassisch und modern so souverän wie „Along Came A Spider“. Zeitgemäßer Rock trifft auf den cooperschen Hang zur bühnenreifen Theatralik – und abgrundtiefen Horror: Das Konzeptalbum erzählt die Geschichte eines Serienkillers. Jeder Song steht für einen Brief, den der Mörder an die Polizei schreibt.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Das Experiment ist geglückt. ALICE COOPER hat auf „Along Came A Spider“ geschafft, was nur wenigen anderen Rock-Veteranen gelingt: Er hat seinen Sound modernisiert und ist sich selbst dabei treu geblieben. Die Geschichte, die mit den Songs erzählt wird, ist sogar richtig gut. Also, bevor ihr die nächste Folge von Irgendwas-auf-Netflix startet, widmet Mr. Cooper doch einfach mal für 45 Minuten euer Ohr.

Welche Anspieltipps gibst du?

„Vengeance Is Mine“, „Catch Me If You Can“, „The One That Got Away“, „Salvation“

Ist das Album sammlungswürdig?

Kurz und knapp: Ja.

Marc Thorbrügge

Welcome 2 My Nightmare (2011)

Zu welchem Zeitpunkt in Alice Karriere entstand das Album?

Eigentlich wollte ALICE COOPER an den Vorgänger „Along Came A Spider“ anknüpfen. Doch Bob Ezrin, der zum ersten Mal seit „Dada“ wieder an den Reglern sitzt, hat eine Fortsetzung zu „Welcome To My Nightmare“ vorgeschlagen, wovon auch COOPER begeister war. Es haben sogar Mitglieder aus der ALICE COOPER GROUP an den Aufnahmen mitgewirkt.

Welchen Stil hat das Album?

Das Storytelling nimmt wieder eine große Rolle ein. Soundeffekte treten häufiger auf und es gibt eine Ausreißer: Der Opener „I Am Made Of You“ ist ein krasser Stilbruch und erinnert mit dem Autotune und den spärlichen Drum-Einsatz eher an zeitgenössischen Rap. Die Musical-Nummer ‚Last Man On Earth‘. ‚Disco Bloodbath Fever‘ startet als geistloser Party-Hit, ehe er sich in einen Uptempo-Rocker auflöst. Sonst gibt es auch viel vom Hard Rock, den COOPER in den vorangegangenen zehn Jahren für sich wiederentdeckt hat.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Es wäre vermessen „Welcome 2 My Nightmare“ mit „Welcome To My Nightmare“ zu vergleichen. Dafür sind die Zeiten zu verschieden. Wenn man aber die direkten Vorgänger herannimmt, stellt dieses Album eine Satz nach vorne da. Das Storytelling wird durch die Musik kompetent begleitet, was nicht zuletzt auch an der ständigen Einflechtung von Zitaten und Motiven liegt.  Die Stücke sind jetzt nicht alle spannend, aber richtige Langweiler sind auch nicht dabei. Die Scheibe ist definitiv ein Highlight in COOPERS Spätwerk.

Welche Anspieltipps?

Die Singleauskopplung „I’ll Bite Your Face Off“ ist ein netter Rocker, der den unprätentiösen Charakter des Albums repräsentiert. „Disco Bloodbath Fever“ punktet durch seinen Unterhaltungswert und „The Underture“ ist auch nochmal hervorzuheben, da dort verschiedene Motive gekonnt miteinander verbunden werden. Sonst ist über dieses Album zu sagen, dass alle Song ein ziemlich ähnlich hohes Niveau haben. Auch schön.

Für wen ist das Album sammlungswürdig?

Für Freunde der Programmmusik und damit auch seiner früheren Klassiker. Natürlich auf für diejenigen, die von seinen anderen Alben im 21. Jahrhundert angetan sind.

Philipp Gravenhorst

Alice Cooper – „Paranormal“ Artwork

Paranormal (2017)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Wie schon im Review zu „Detroit Stories“ erwähnt, befindet sich ALICE COOPER in seinem x-ten Frühling und bringt mehr gute Platten heraus, als so mancher andere Altrocker. Dafür gebührt ihm ohne jeden Zweifel der Respekt eines jeden Musikfans. Zumal seine Stimme nach wie vor kraftvoll klingt und man ihr das Alter überhaupt nicht anmerkt. Starke Leistung allemal.

Welchen Stil hat das Album?

Hard Rock, Garage Rock

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Gelungenes Album, das schon ein wenig in Richtung der Großtaten der Siebziger (allerdings leichter verdaulich) geht.

Welche Anspieltipps gibst du?

Paranormal, Holy Water, Rats, Sound Of A

Ist das Album sammlungswürdig?

Joah, sicher.

Colin Büttner

Alice Cooper – Detroit Stories

Detroit Stories (2021)

Zu welchem Zeitpunkt in Alice Karriere entstand das Album?

Seit gut 20 Jahren ist ALICE COOPER in der Lage, dass er niemanden mehr seine Relevanz beweisen muss, was aber auch bedeutet, dass er auf eine bestimmte musikalische Ausrichtung festgelegt ist.

Welchen Stil hat das Album?

Die Songs sind etwas geerdeter, als man es früher von ihm kannte. Aber natürlich limitiert er sich nicht: „1000$ High Heels Shoes“ ist deutlich an die Black Music der Siebziger angelehnt. „Drunk And In Love“ ist klassischer Blues.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

„Detroit Stories“ ist wieder eines dieser Jam-Alben und das, obwohl wieder Bob Ezrin an den Reglern sitzt. Der Altmeister des Schock rockt unbekümmert los. Dass der Albumtitel (mal wieder) eine Best-Of vermuten lässt oder seine Refrains schon seit mindestens 20 Jahren für Musikvielhörer nicht mehr so zwingend sind, stört ihn nicht weiter. Dadurch entsteht eine so aufrichtige Spielfreude, dass sie über den manchmal fehlenden Biss und einige abgenutze Ideen hinweg tröstet.

Welche Anspieltipps?

„Go Man Go“ mit seinem flotteren Tempo zwingt den Fuß zum mitwippen. „Detroit City 2021“ geht straight nach vorn. Mit „Hanging On By A Thread (Don’t Give Up)“ ist ihm wieder eine tolle Ballade gelungen.

Ist das Album sammlungswürdig?

Es ist natürlich nicht essenziell, macht aber durchaus Spaß.

Philipp Gravenhorst

05.03.2021
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