Running Wild
Adrian über Coolness, Mike Ness und (Salz-)Wasser

Special

Die „Corporate Identitiy“ ist wichtig. Das wussten nicht nur die RAMONES, das wissen auch RUNNING WILD bzw. Rock’n’Rolf und gehen schon Jahrzehnte Seite an Seite mit dem alten Kumpel und Maskottchen Adrian durch die Gezeiten. Nicht nur anlässlich der aktuellen Wiederveröffentlichungen der Klassiker von RUNNING WILD hat metal.de den guten Adrian ins virtuelle Black Hand Inn gezerrt und befragt. Seemansgarn? Schiff ahoi und ab dafür!

Adrian – das Maskottchen von RUNNING WILD

metal.de: Adrian, du bist, um mit tv.tropes.org zu sprechen, ein untoter Werwolf-Pirat, der auch noch ein Sohn Satans ist …

Adrian: Die Rule Of Cool lautet: „When cool things are combined, the combination is cooler than the sum of its parts.“ Im fahlen Mondlicht bin ich eine Allzweckwaffe.

metal.de: Touché. Betrachtest du RUNNING WILD, betrachtest du Rock’n’Rolf als cool?

Adrian: Klar ist Rolf cool. Eigener Style, eigenes Ding. Nackenmatte und Kostüme hin oder her, meinst du echt, dass beispielsweise Mike Ness …

metal.de: Frontmann bei SOCIAL DISTORTION …

Rock’n’Rolf ist der Chef!

Adrian: Genau. Also, ob Mike Ness, der ja nun unbestritten für viele DAS Role Model im Rock’n’Roll ist, ob der am Ende des Tages lässiger ist, wenn er im Wife Beater vor dem Walmart ’nen Parkplatz sucht, weil die Milch alle ist? Und Rolfs späte Neigung zu Verschwörungstheorien … komm schon, es gibt Leute, die glauben, wir wären auf dem Mond gelandet …

metal.de: Wobei der Name „Rock’n’Rolf“, also, na ja.

Adrian: Na ja WAS?

metal.de: Na ja, wenn man den zum ersten Mal hört, dann … ähm … dann muss man unter Umständen schon mal zuerst etwas grinsen … so als Außenstehender.

Adrian: Als Außenstehender.

metal.de: Na ja, was ich meine, ist, dass …

Adrian: Aber wenn man sich „Abbath“ nennt, dann ist das in Ordnung, oder was? Oder „Corpsegrinder“? Oder „Dirkschneider“?

metal.de: Okay, eine gewisse Überzeichnung ist vielleicht sogar …

Adrian: Oh Mann, ich weiß, was jetzt kommt: Das ist schon alles in Ordung, wenn man Heavy Metal als Comic-Musik versteht. Mein lieber Freund, könnt ihr das EVENTUELL mal lassen, alles immer nur so indirekt geil zu finden? Wenn du mir gleich noch mit irgendsonem Post-Moderne-Mist kommst, gehst du über die Planke. Alles immer ironisieren, alles …

Eine frühe Version von Adrian – noch ziemlich blank und ziemlich black …

metal.de: Aber ich habe doch nur … ich wollte auf jeden Fall mit Sicherheit nicht …

Adrian: !!!

metal.de: Ähm … äh – dann ist die Augenklappe, die du seit „Under Jolly Roger“ trägst, auch nicht mit einem Augenzwinkern zu betrachten?

Adrian: Da ist jedenfalls mehr Snake Plissken in mir, als du so zu denken scheinst, muchacho. Mit Kurt Russell würde ich schon gern mal einen Heben.

RUNNING WILD: 30 Jahre No-Bullshit-Heavy-Metal

metal.de: Bevor das hier jetzt irgendwie schiefläuft: Eins meiner ersten Konzerte war damals von RUNNING WILD und ich würde im Leben nicht …

Adrian: Rolf hat über 30 Jahre sein Ding durchgezogen. Gut 30 Jahre No-Bullshit-Heavy-Metal. So alt bist du nichtmal.

metal.de: Vielleicht. Böse Zungen – und dazu zählt nicht meine! – behaupten, dass RUNNING WILD im Prinzip nur einen einzigen Song hätten. Sogar J.B.O. haben sich mal darüber lustig gemacht.

Adrian: J.B.O. … (Pause) Du machst mich weich. Rock’n’Rolf gehört zu den ganz großen Ausrufezeichen der Szene, gerade musikalisch. Dieses Gitarrenspiel, diese Riffs, diese Leads vor allem erkennst du sofort. In Sachen Eigenständigkeit ist das ganz weit vorne, was der Captain da fabriziert. Fregatte unter Schlauchbooten. Und dafür schulden wir alle ihm Respekt.

Pflichtprogramm: Running Wilds „The First Years Of Piracy“

metal.de: Meine Rede. Lass uns gern etwas konkreter über die Musik sprechen. Welches ist dein Lieblingsalbum von RUNNING WILD?

Adrian: Hut ab vor den frühen Jahren! Die meinerseits noch eher kahlen Anfangszeiten, die straighten, die krachenden und enthusiastischen haben mir, wenn ich mal ganz ehrlich sein soll, mit RUNNING WILD am besten gefallen. Die zugegeben etwas aufpolierten „First Years Of Piracy“ sollte jeder auswendig kennen – auch wenn da dieser latent böse Vibe schon einigermaßen raus war. Solche Leute wie Fenriz reden ja ständig vom echten Metal-Spirit und der ist ja nicht immer so ganz leicht zu identifizieren, aber bei den ersten RUNNING-WILD-Schoten, da ist er. Da zieht der dick wie Pulverdampf durch die Katakomben, anarchisch und entfesselt. Trotz Ketten. (Und Leder! Und Nieten! – M. P.) Argh, ihr junges Gemüse, ihr Landratten! Ihr wollt die Coolness? Hier ist sie. Aufregende Jahre waren das, Pionierzeiten. Es geht eben NICHT nur darum, ob du die Gitarre richtigrum halten kannst. Es geht darum, ob du für das brennst, was du machst. Sterben musst du ja nicht gleich müssen für den Metal. Aber alles geben.

metal.de: Später, in den goldenen Spätachtzigern und noch den frühen Neunzigern …

Adrian: Ach, golden … Alles von „Death Or Glory“ bis „Black Hand Inn“ kann objektiv natürlich alles. Aber als dann einigermaßen Geld reinkam, da wurde der Geist dann irgendwie auch immer professioneller, wenn du verstehst, was ich meine. Und noch später, als dann richtig Geld weg war, da war der dann ganz auf Montage.

metal.de: Gibt es also, vielleicht aus dieser späteren, der 00er-Zeit, ein RUNNING-WILD-Album, das dir überhaupt nicht gefällt? Knochen kreuzen bei der Antwort ist verboten …

Adrian: „Witzig“. Hm. In der Rückschau finde ich trotz meiner Antwort eben, dass die 2000er-Alben vor der Reunion …

metal.de: „Victory“, The Brotherhood“ und „Rogues En Vogue“.

Adrian: … dass die schon etwas zu kritisch gesehen wurden. Mindestens „Victory“ ist ein ganz geiles Ding. Meine Frau arbeitet Teilzeit in der Geisterbahn auf dem Dom und nebenan am Schießstand läuft das Ding immer noch oft.

metal.de: Und zumindest „The Brotherhood“ soll immerhin ganz respektable Verkaufszahlen vorzuweisen haben.

Adrian: Davon mal ganz ab. Aber …

Voivod für Grundschüler? Der „Shadowmaker“ …

metal.de: Na komm schon!

Adrian: Ich hasse diesen schnarchigen „Shadowmaker“! Wie jeder halbwegs geschmackssichere Metalhead. [Wobei Adrian im Hintergrundgespräch anmerkt, dass er Rolfs noch rockigerer TOXIC-TASTE-Party-Platte von 2009 nach drei Absinth durchaus einiges abgewinnen kann. – M. P.]

metal.de: Weil du nicht auf dem Cover bist.

Der Maßstab kommt aus Hamburg!

Adrian: Jungchen, GANZ vorsichtig! Ich bin nicht auf dem Cover, weil ich es nicht wollte! Ich habe viel mitgemacht, auch aus Loyalität. Meuterei gibt es mit mir nicht. Ich habe schon so einiges ertragen müssen in Sachen Outfit – vom Tuch über Dreispitz bis zur Krone. Ich habe mich längst nicht nur für eine vollkommen überflüssige Best Of vergolden lassen, ich habe mir für „Rivalry“ eine alberne Spielmannszug-Käppi aufsetzen lassen. Aber da hat insgesamt der Inhalt gestimmt. „Shadowmaker“ wirft nun echt keinen Schatten. Aber zum Glück hat sich Rolf seitdem ja wieder einigermaßen gefangen. Und: Was neben RUNNING WILD unter dem Banner des „Pirate Metal“ geführt wird, ist dagegen immer noch unterste Kajüte.

metal.de: Unbedingt. Aber noch einmal zurück zu „Shadowmaker“: Wie hat der Chef das denn aufgenommen? Dass sogar ein Teil seiner Crew mosert?

Adrian: Das hat nicht so hohe Wellen geschlagen. Wir hatten uns vorher ja ohnehin eine ganze Zeit kaum gesehen. Und letztlich hatte er cover-technisch wohl auch mehr Bock auf dieses VOIVOD-für-Grundschüler-Ding. Nebenbei: Korgüll The Exterminator ist ein ganz abgefahrener Zeitgenosse, den solltet ihr euch auch mal vornehmen.

metal.de: Mit VOIVOD wart ihr zum Beipiel ’86 gemeinsam unterwegs.

Adrian: Und mit CELTIC FROST, wir waren ja alle bei Noise Records. Das war auch kurz bevor ich dann zum Piraten wurde. Aber das ist eine persönliche Geschichte zwischen Rolf und mir, die hier nicht hingehört.

metal.de: Na, komm schon!

Adrian: Ich empfehle jedenfalls die „Jack-Holborn“-Box, ZDF-Weihnachtsserie von ’82: „Schatzinsel“ in der Familienpackung mit dem jungen Patrick Bach und ganz atemberaubenden Naturaufnahmen. Und Action. [Ganz toll … – M. P.]

metal.de: Gibt es ein Cover, das dein persönlicher Favorit ist?

Adrian: Das … ähm … gestalterisch reduzierte von „Resilient“ ist es jedenfalls nicht, da muss ich auch etwas selbstkritisch zugeben, dass nicht immer alles Gold ist, was glänzt. Die mächtige Jolle auf „Under Jolly Roger“ finde ich dagegen bis heute gelungen. Das Gemälde ist zwar technisch gesehen auch nicht unantastbar, aber insgesamt düster genug, um auch nach Jahrzehnten nicht abzusaufen. Und stilbildend.

Adrians Favorit: Uuuunder Jolly Roger

metal.de: Hast du ein Lebensmotto?

Adrian: „Wild and free“ ist irgendwer seit „Blazon Stone“ auf praktisch jedem Album von RUNNING WILD. Oder irgendwer will das dringend sein. Das kommt meiner Einstellung, meinem Wesen trotz aller Treue zu Rolf schon recht nah.

metal.de: Zum Schluss noch einmal was anderes, wo du gerade schon VOIVOD bzw. Korgüll The Exterminator ansprachst: Wie sieht dein Verhältnis zu den Kollegen aus? Gibt es Kontakt in der Szene? Freundschaften?

Adrian: Klar gibt es Freundschaften. Korgüll ist schon ein bisschen zu weit draußen. Aber Snaggletooth von MOTÖRHEAD ist auch so ein alter Haudegen wie ich und trotzdem cool geblieben. Mit dem kann kann man immer gut einen draufmachen. Mast- und Schotbruch auf der anderen Seite, Lemmy!

20.03.2018
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