AC/DC
Das meint die Redaktion zu "Power Up"

Special

Nach dem zwischenzeitlichen Rausschmiss von Brian Johnson und dem darauffolgenden Stelldichein mit GUNS N‘ ROSES-Frontmann Axl Rose rechnete wohl niemand mehr ernsthaft mit einem neuen AC/DC-Album. Doch jetzt ist es da. Dabei liefert „Power Up“ genau den Hard-Rock-Sound, für den AC/DC seit jeher bekannt sind. Und mal ehrlich: Alles andere wäre eine echte Überraschung gewesen.

Ob das zweite Album ohne Malcolm Young eine würdige Fortsetzung der Bandgeschichte ist, überprüfen André Gabriel, Marc Thorbrügge, Jannik Kleemann, Björn Gieseler und Dominik Rothe. Folgender Fragenkatalog liefert den roten Faden dafür:

Welche Erwartungen hattest du an “Power Up”?
Was hältst Du vom Cover?
Wie war Dein erster Eindruck von der Scheibe?
Wo ordnest du “Power Up” in der AC/DC-Diskografie ein?
Welche Songs stechen hervor, positiv, negativ oder stilistisch?
Beschreibe “Power Up” mit einem Wort.
War ein neues AC/DC-Album wirklich nötig?
Welche Bewertung würdest Du “Power Up” geben?

Welche Erwartungen hattest Du an “Power Up”?

André: Dass sie ein fades, ungewürztes AC/DC-Allerlei fabrizieren. Erwartungen erfüllt.

Marc: Keine. Als die ersten News kamen, dass AC/DC ein neues Album aufnehmen, war es mir erschreckend egal.

Jannik: Keine Besonderen. Die jüngste Scheibe von AC/DC, die ich aktiv gehört habe, war die “The Razor’s Edge”, und ich wollte mal wissen, was sich in den letzten 30 Jahren getan hat.

Björn: Keine, da ich noch nie ein neues AC/DC Album herbeigesehnt habe.

Dominik: Erwartet habe ich einen lahmen Aufguss alter Großtaten, der keinerlei Existenzberechtigung besitzt.

Was hältst Du vom Cover?

André: Eine leere Bühne. Yay, genau das, was wir zu Zeiten von Corona sehen wollen.

Marc: Das ist nicht sonderlich kreativ, aber eigentlich ganz okay. Keine Ahnung, ob das der Gedanke dahinter war, aber nur die Instrumente ohne Musiker zu sehen, kann die Botschaft beinhalten, dass die Band zwar sterblich ist, die Musik aber ewig bleibt. Aber falls das die Idee war, hätte man das deutlich besser umsetzen können.

Jannik: Nichts besonderes. Allerdings soll der Leuchteffekt der Box-Version ganz cool sein. Es gab allerdings auch noch kein Cover von AC/DC, bei dem ich gedacht habe: “Wow, das ist wirklich cool!”

Björn: Grandios. Es macht auf den ersten Blick klar, von wem das Album ist und was zu erwarten ist. Dazu mit Details, die auch auf LP-Format wirken. Wer aber interessiert sich denn im Jahr 2020 noch für Cover von Alben?

Dominik: Was soll man dazu sagen? Noch langweiliger wäre es nur, wenn es einfach nichts außer dem Bandlogo zeigen würde.

Wie war Dein erster Eindruck von der Scheibe?

André: Scheibe? Ich habe nur einen Song gehört: ein Cover irgendeiner alten Nummer.

Marc: “Power Up” klingt sehr entspannt und wirkt auch entspannend. Es ist fast so, als würde man AC/DC beim lockeren Jammen und Rumprobieren zuhören. Nur sind es halt die gealterten AC/DC, die nicht mehr viel Power haben und deswegen auf Sparflamme unterwegs sind. Die Band ist inzwischen an dem Punkt angekommen, an dem nicht nur die Musik nach den Maßstäben der Industrie altbacken klingt, sondern auch die Musiker selbst ihre Kraft verloren haben und, auch wenn sie auf Nummer Sicher gehen, bereits an ihre musikalischen Grenzen stoßen.

Jannik: Wo AC/DC drauf steht, ist auch AC/DC drin. Das erste Mal aufhorchen musste ich beim recht gelungenen Refrain zu “The Mists Of Time”. Die Lieder davor liefen mehr oder weniger an mir vorbei, bieten Hard Rock, wie man ihn von den Australiern kennt. Die Produktion knallt mir allerdings etwas zu wenig, sehr erdig, sehr reduziert.

Björn: Sie rauscht durch, keine Stadionhymnen dabei und wenig bleibt hängen.

Dominik: AC/DC haben jegliches Feuer verloren und keinerlei neue Ideen am Start. Klar, Innovationsmonster waren die Aussie-Rocker noch nie. Aber verdammt noch mal hatten sie früher geile Riffs und Grooves am Start, die heute noch zu Recht jedes Stadion in Ekstase versetzen. Davon ist rein gar nichts mehr übrig. “Power Up” löst in seiner mittelmäßigen Belanglosigkeit fast schon körperliche Schmerzen aus. Zugegeben, eine absolute Katastrophe stellt das Album nicht dar. Wenn man wirklich will, kann man sicherlich Spaß mit diesen zwölf Songs haben. Aber selbst dann stellt sich die Frage, warum man nicht einfach zu “Powerage”, “Back In Black” oder irgendeinem anderen, besseren AC/DC-Album greifen sollte. Gemessen am Status dieser Band, liefert “Power Up” einfach in allen Belangen zu wenig.

Wo ordnest Du “Power Up” in der AC/DC-Diskografie ein?

André: Es fällt mir schwer, die Diskografie einer Band, die sich permanent selbst kopiert, hierarchisch zu beurteilen.

Marc: Ganz böse gesagt: AC/DC haben so einige mittelprächtige Alben, da reißt “Power Up” gar nicht so stark aus. Die Hitdichte ist auf diesem Album aber sicher am geringsten.

Jannik: Neben all den anderen Alben, die ich von der Band gehört habe, bei denen mir aber (fast) kein Song besonders im Gedächtnis geblieben ist. Also im Prinzip bei jedem Album ab 1983, “The Razor’s Edge” ausgenommen.

Björn: Das Album ist ein Grower und enthält ein paar starke Stücke. Allerdings ist es kein Stadionrock mehr, um die Massen zu begeistern. Doch für einen kleinen, verrauchten Club mit ein paar Bier ist es gut geeignet. Doch da kann man dann eigentlich auch die alten Werke rauskramen.

Dominik: Unten. Sehr weit unten.

Welche Songs stechen hervor, positiv, negativ oder stilistisch?

André: Positiv? Keiner. Negativ? Alle. Allgemeiner Stil: Power Down.

Marc: Mir hat der Song “Witch’s Spell” sehr gefallen, der über einen ordentlich Schuss Blues, einen einprägsamen Refrain und ein knackiges Solo verfügt. Ähnliches gilt für “No Man’s Land” und “Systems Down”, die aber nicht so richtig zünden. Wenn sich die alten Herren auf “Demon Fire” mal in höhere Geschwindigkeitsbereiche wagen, wird deutlich, dass die Leistungsgrenze inzwischen sehr tief liegt.

Jannik: “The Mists Of Time” gefällt mir, wie bereits erwähnt, sehr gut. Gerade der Refrain ist ein Indiz dafür, dass dieser Song sich live auch gut machen würde. Der Anfang von “Witch’s Spell” erinnert mich total an ein älteres Lied, ich weiß aber nicht welches. Gefällt mir auf jeden Fall auch. Dieser Eindruck von “schon mal gehört” zieht sich durch das ganze Album. Negativ kann ein AC/DC-Song eigentlich wegen ihrem recht eng gesteckten, musikalischen Korsett gar nicht auffallen, ebenso sieht es beim Stil aus. Wenn AC/DC auf einmal einen Song aufnehmen, der wie – sagen wir mal – JUDAS PRIEST klingt, wäre das ein Grund, das Lied aus stilistischen Gründen hervorzuheben. Das wird aber logischerweise nicht passieren.

Björn: “Through The Mists Of Time” und “Witch’s Spell” sind Highlights.

Dominik: Kaum einer. Und da liegt das Problem der Platte. Jedes Riff klingt gleicht, jede Gesangslinien wie schon mal gehört. AC/DC liefern ein belangloses Album voller Rohrkrepierer ab, die allenfalls als Fahrstuhlmusik durchgehen. In diesem Kontext aber würden die Songs von “Power Up” positiv auffallen. Wobei “Through The Mists Of Time” doch irgendwie hängen bleibt, wenn auch nicht positiv. So offensichtlich hat sich die Band wohl selten in Schlager-Gefilde gewagt.

Beschreibe “Power Up” mit einem Wort.

André: Eigenkopie.

Marc: Müßig.

Jannik: Gleichstrom.

Björn: AC/DC.

Dominik: Einschläfernd.

War ein neues AC/DC-Album wirklich nötig?

André: Ich verstehe die Frage nicht.

Marc: Offenbar nicht. AC/DC lassen die Gelegenheit, noch einmal aufzutrumpfen, ungenutzt verstreichen. Dabei wäre es möglich gewesen, mit “Power Up” noch einmal neue Akzente zu setzen, melodischer, düsterer und reifer zu klingen, als von der Band bisher gewohnt. Die Ansätze sind auf dem Album deutlich zu hören, doch AC/DC haben den Titel “Shot in the Dark” zu wörtlich genommen und einfach mal jede Idee rausgefeuert, die gerade noch da war. Mit einem stärkeren Konzept und einer klareren Vision hätte sicher noch ein gutes Alters- und wahrscheinlich auch Abschiedswerk entstehen können. Diese Chance ist nun jedoch verstrichen.

Jannik: Jede Band hat echte Hardcore-Fans, die immer nach neuem Material lechzen. Und für die ist dieses Album sicherlich eine Versöhnung nach den ganzen Besetzungsdramen der letzten Jahre. Außerdem kann das Album auch als eine Art Abschied von Malcom Young gesehen werden. Ich denke jedoch, dass das Album, mal abgesehen von den vorab veröffentlichten Singles, für künftige Shows keine sonderliche Relevanz in der Setlist haben wird.

Björn: Das Album ist nicht schlecht, aber AC/DC hatten vor 30 Jahren auch schon alles gesagt, was sie zu sagen hatten. Bei Fußballern und Musikern ist es schwer, den Punkt zu finden, an dem es Zeit wird, die Karriere zu beenden. Wer wissen will, warum sie es nicht getan haben, muss sich die “Live At River Plate” von 2011 anschauen.

Dominik: Nope, absolut nicht. Dass diese Band sich auf ihrem 17. Album genauso wiederholt wie auf den vergangen neun davor, kommt natürlich nicht überraschend. Dass Angus Young und seinen Mitstreitern ohne Malcolms Führung kaum noch wirklich zündende Songs gelingen, hatte sich schon auf “Rock Or Bust” gezeigt. “Power Up” stellt dahingehend aber einen weiteren Verfall dar. Nicht einmal AIRBOURNE kopieren die alten AC/DC-Hits so uninspiriert wie die Band selbst auf dieser Platte.

Welche Bewertung würdest Du “Power Up” geben?

André: 3/10

Marc: 6/10

Jannik: 6/10

Björn: 6/10

Dominik: 4/10

Quelle: Foto: Josh Cheuse
20.11.2020

"Irgendeiner wartet immer."

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