Abigor
Ist ABIGORs Rückkehr ein zeitlos-modernes Meisterstück oder ein kalter, emotionsloser MAYHEM-Abklatsch mit altbackenen DEATH-Einflüssen? (Alboin vs. Philip)
Special
Als Erwiderung auf mein Review zu ABIGORs neuem Album „Fractal Possession“, das ich mit satten zehn Punkten bedacht habe, erreichte mich tatsächlich heute, am heiligen Samstagvormittag, ein Konterreview meines Kollegen Philip, welches sich wie folgt liest:
„Meine Güte – Herr Alboin, da haben sie aber ganz schön auf die Kacke gehauen! Zehn Punkte? Haben sie mir vielleicht ein anderes Album zukommen lassen, als das, welches mich hier gerade… na sagen wir beschäftigt? ABIGOR? Geil, wo denn? Na da! Was denn, dieser moderne, pseudo-avantgardistische MAYHEM-Aufguss? Ja, das sind sie und bevor ich nun zu weit vorgreife, fange ich doch mal von vorne an.
ABIGOR waren lange weg, Drogen, keine Lust mehr, ihr wisst schon. Im letzten Jahr verdichteten sich die Zeichen auf eine Reunion und ich war schon ein wenig freudig erregt deswegen. Gut, es war klar, dass ABIGOR sicherlich nicht an der Stelle weiter machen würden, an der sie aufgehört haben, aber dieses Werk sprengt dann doch ein wenig den Rahmen meiner musikalischen Toleranz, um nicht zu sagen: den Rahmen meines musikalischen Interesses.
Beginnen wir doch mit dem langweiligen Intro, crazy Industrialsounds, ein bisel KRAFTWERK und dazu ein paar Funksprüche- originell sieht anders aus! Daraufhin soll man ja, zumindest laut Herrn Dammasch, in Deckung gehen. So verharre ich nun in Lauerstellung, doch der Sturm, den ich mir dann erhoffe, erweist sich als leider wenig effektiv und fällt eher kläglich aus. Wo da die perfekte Produktion ist, frage ich mich zuerst. Die Drums klingen so dermaßen unecht, da sind aktuelle BEHEMOTH Produktionen ja ein Meisterwerk an Authentizität. Allein die Snare nervt mich ohne Ende, es klingt einfach zu plastisch und stumpf. Da wir gerade bei meinen Nerven sind: die angesprochenen Leadklampfen!! Ja, kreischend ist richtig, aber dabei so dermaßen nervtötend, meine Güte, erinnert mich ein wenig an den guten C-64 Sound, aber nicht an einen neuen Brutalitätsrekord.
Aber lassen wir doch mal die äußere Hülle weg und kümmern uns um die Musik an sich, nicht, dass es dabei in irgendeiner Art und Weiser besser werden würde. Avantgardistisch, progressiv, modern- aber nicht wirklich beeindruckend. Ok, das musikalische Können der Herren PK und TT sei unbestritten, aber das kannten und schätzten wir auch schon vor diesem Album! Die Songs an sich sind sehr vertrackt, vielleicht bietet sich die „Grand Declaration of War“ tatsächlich als guter Vergleich an, mich nervte besagtes Album damals ähnlich. Ich will damit keineswegs sagen, dass ich generell gegen modernen Black Metal bin, Gott bewahre, mir geht aber dieses verspielte, künstliche Zeugs arg an die Nieren. Songs wie „3D Blasphemy“ deren Anfangsriffs man in abgeänderter Form schon vor Jahren bei DEATH gehört hat, diese andauernden Breaks, die langweiligen Soli, nee, das ist einfach nichts für mich. Auch der so hochgelobte Gesang kann mich keinesfalls überzeugen, denn dieses gepresste Kreischen und Keifen wird einem mittlerweile von jeder „ich-bin-modern-Kombo“ geboten, da möchte ich zu den Vergleichen meines Kollegen erst gar nichts sagen!
Doch generell ist der Gesang vielleicht durchaus repräsentativ für dieses Album, denn so wie beim Gesang habe ich beim ganzen Album das Gefühl, man hätte es schon einmal gehört. Ich sehe da keine Innovation, ich sehe keine Explosion, keine Ahnung, wo Alboin diese Dinge herholt.
Was für mich bleibt, ist ein, handwerklich betrachtet, gutes Album, welches mich musikalisch zu keiner Sekunde überzeugen kann und noch dazu mit dürftigem und dünnem Sound glänzt!
5 Punkte
Philip“
Dieser an Majestätsbeleidigung haarscharf vorbeischrammende Text provozierte, dass wir uns zum mittäglichen Clash im ICQ verabredeten. Zwischen Grippeauskurieren und Universitätsarbeit fand folgendes Streitgespräch statt:
alboin (01:02 PM) :
Deine Bewertung wäre also eine fünf. Fünf Punkte. Offenbar hörst Du auch nur mit einem Ohr hin, oder beide sind ein wenig verstopft. Wo bitte willst Du sowas schon gehört haben?
Philip (01:06 PM) :
Wie bereits geschrieben, erinnert mich dieses Album, gerade nach mehreren Durchgängen, an die „Grand Declaration of War“, allein der Schlagzeugsound. Hinzu kommt diverses Riffing, welche der „Sounds of Perseverance“ mehr als nah steht! Gegenfrage, warum stellt ausgerechnet dieses Album, welches mit dieser schwachen Produktion und teilweise bekanntem Riffing daher kommt, so eine Neuerung dar? Ich sehe da Können, keine Frage, aber ich sehe keine Innovation, eher schon fast das Setzen auf den Weg, den die Norweger bereits erschlossen haben!
alboin (01:10 PM) :
Der Unterschied im Drumsound besteht alleine darin, dass MAYHEM seit „Grand Declaration“ mit Vorliebe das ganze Drumkit getriggert haben, und dass man das auch brachial hört – keine Dynamik mehr. ABIGORs Drumsound war aber schon immer so, wenn Du Dir mal die alten Platten anhörst. Ich glaube, der Mann spielt eben so präzise, deshalb mag das etwas steril wirken. Ist es aber nicht, gerade diese Perfektion ist es, die ich… na ja… regelrecht geil finde. Und was DEATH angeht, so war ich nie ein Freund oder Kenner der Band und kann dazu eigentlich nichts sagen. Ich hab‘ aber nichts dagegen, meinetwegen können auch gerne DEATH-Einflüsse auf dem Album zu hören sein. Dann ist meinetwegen die Neuerung, dass ABIGOR hier alten und modernen Black Metal mit technischem Death Metal verbinden. Trotzdem ist das ganze Arrangement unheimlich eigenständig, und die Produktion musst Du Dir mal auf einer anständigen Anlage anhören, dann merkst Du auch, dass sie mitnichten schwach ist. Die neue MAYHEM ist dagegen eine schwache Produktion.
Philip (01:14 PM) :
Hehe, ich war auch nie Freund von DEATH. daher musste ich mir den Vergleich auch erstmal absegnen lassen. Zu den Drums: Der Sound war eben nicht immer gleich, ich habe nämlich, nach dem Schreiben des Reviews, „Supreme Immortal Art“ gehört. Ich gebe zu, dass ABIGOR schon immer einen eigenwilligen Sound hatten, aber wenn man die Drums vergleicht, so fällt einfach auf, dass der alten Sound wesentlich organischer klingt. Aber das soll keineswegs der Punkt sein, denn ich will keineswegs diese „früher waren sie besser“ Diskussion, denn ich finde es weitaus besser und mutiger, bei einem Neustart auch etwas Neues zu machen, als einfach alten (Erfolgs-)pfaden zu folgen. Nur kann mich dieser modernen Weg nicht begeistern, da mir ein wenig die Wärme fehlt, dieses Sterile gefällt mir bei neueren SATYRICON durchaus, aber ich habe bei ABIGOR einfach das Gefühl, sie wollten auf Teufel komm raus etwas beweisen. Kurz gesagt: Mir ist das Album zu kalt und seelenlos. Zur Produktion der neuen MAYHEM kann ich dir nichts sagen, ich habe sie noch nicht gehört und über die Qualität meiner Anlage reden wir ein anderes Mal, aber das ändert nichts an der Sache, dass ich den Sound der Snare grausam finde, wie gesagt, da klingen BEHEMOTH noch organischer!
alboin (01:22 PM) :
Zufällig ist hier gestern die neue BEHEMOTH eingetrudelt und da muss ich Dir vehement widersprechen, die klingt kein Stück organisch. Allerdings hast Du schon recht, organisch ist „Fractal Possession“ auch nicht, ich glaube, das habe ich aber auch nie behauptet. Es gibt einfach Platten, die sind technisch so perfekt und wirken fast schon mathematisch berechnet, dass sie so einen Sound einfach brauchen. Sicher sind Rumpelproduktion mit 75% Reverb charmanter, aber DARKTHRONE-Sound kann jeder kopieren und durch die Botanik holzen auch. Was eben so geil an der der neuen ABIGOR ist, ist, dass sie gerade das nicht machen. Allerdings sind sie auch bei weitem nicht so unnachvollziehbar wie früher und jetzt wieder MAYHEM, oder auf Gedeih und Verderb durchgeschossen wie DHG. Wenn ich nach Jahren meine Band wieder aktiviere, dann WILL ich doch auch was Neues machen, sonst hat das Ganze keinen Zweck. Ich bin ja gerade deswegen so beeindruckt, weil man genau damit sicher nicht gerechnet hat. Um Deiner Abneigung aber mal auf den Grund zu gehen: magst Du denn die neue DHG oder generell modernen Black Metal? Von SATYRICON abgesehen? Denn: wenn nicht weiß ich, dass „Fractal Possession“ genauso geil ist wie ich es finde. 😉
Philip (01:38 PM) :
Tse, versau du mir ruhig meinen „witzigen“ Vergleich. Ich weiß selber, dass BEHEMOTH kein Stück organisch sind, dass sollte ja auch mein überspitzter Kommentar verdeutlichen! Ja, „fast schon mathematisch berechnet“- das trifft es schon ganz gut und genau das ist es, was mir wohl den Spaß an diesem Album nimmt, denn ich hab es lieber gern spontaner. Man merkt einfach, dass hier viel gegrübelt wurde, viel Überlegung hinter dem Album steckt-warum nicht einfach im Proberaum stehen, ein paar Bier trinken und losprügeln?
Und ich bitte dich, wir wissen beide, dass es noch weitaus mehr gibt als diesen sterilen Sound und 0815- DARKTHRONE-Gerumpel, oder? Ja, ich mag die neue DHG, allerdings gebe ich gerne zu, dass mir vieles, was diesen neuen „Touch“ hat, nicht zusagt. Eben auf Grund besagter Kälte. Ich brauche keinen DARKTHRONE-Klon, aber diese Produktion klingt wie geschaffen von einem seelenlosen Stahlbolzen, gibt mir einfach überhaupt nichts. Ich habe ja auch gesagt, dass ich sie durchaus verstehen kann, dass sie etwas Neues probieren wollen und ich habe auch nicht erwartet, dass sie wie die „Supreme Immortal Art“ klingen, sie klangen ja eigentlich immer anders, aber diese Richtung gefällt mir einfach nicht, da kann ich machen, was ich will, es wird sich wohl nie ändern! Eigentlich sollte dies dein Part sein, schließlich bin ich noch jung und sollte eigentlich aufgeschlossen sein, du hingegen bist alt und müsstest über den Verfall der (Black-)Metal-Kultur meckern!. Aber es ist ein schmutziger Job und irgendjemand muss ihn ja machen!
alboin (01:43 PM) :
Ja, ich bin alt, wie man ja auch anhand meines Profilfotos erkennen kann. 😀 Allerdings scheint es so zu sein, dass Alter mit Toleranz nicht viel zu tun hat, und auch nicht mit Aufgeschlossenheit. Ich bin vielen Platten gar nicht aufgeschlossen gegenüber, und es gibt auch für mich Grenzen, hinter denen Musik wirklich nur noch berechnet ist. ABIGOR bewegen sich aber kurz davor, glücklicherweise. Hör mal genau hin, der Gesang ist wirklich emotional und ganz ganz viele Riffs sind echt herzzerreißend düster. Wichtig ist doch immer, dass noch Emotionen zu hören sind, und wenn man die Platte mal von der Seite der emotionalen alten ABIGOR angeht, dann ist davon ganz viel da, aber eben hundertmal perfekter umgesetzt. Satanische Moderne, oder sowas. Wenn man das Album von der Seite MAYHEMs aus angeht, dann kann man das freilich anders sehen.
alboin (01:46 PM) :
Und was den Verfall der Black-Metal-Szene angeht, so wird da ja wohl eindeutig NICHT durch Bands wie ABIGOR vorangetrieben, sondern durch einen riesigen Wust von jungen Kapellen, die ihre Instrumente nicht beherrschen, einen Dreck visionär sind, sich in dem Black Metal zugesprochenen Traditionen suhlen und Musik und Stimmungen kopieren, die schon lange überholt sind. Der Tod jeder Musikform ist ja eben gerade, wenn Eines wie das Andere klingt, und ich glaube das haben ABIGOR erkannt. Noch ein Album wie die, die sie schon aufgenommen haben, und sie hätten die Reunion gleich bleiben lassen können.
Philip (01:52 PM) :
Hm, das lässt nichts Gutes erahnen. Also werde ich in fünf Jahren nur noch die „Goatlord“ hören und mich grinsend, mit fettigem Haar und dicker Bierplautze sämtlichen Neuerungen verwehren! Warum eigentlich nicht, so wurde es mir schon oft prophezeit! Lass uns bitte nicht über die Black-Metal-Szene reden, haha, ich gebe dir völlig Recht, ich musste sie nur anführen, um mein Bild zu vervollständigen, für 180 Euro im Semester soll ja auch mal was bei rumkommen!
Du hast Recht, was die Emotionen angeht, bis auf einen Punkt: Ich finde keine in „Fractal Possession“. Das ist es ja, was mit der Kälte meine, ich spüre nichts, wenn ich dieses Album höre.
Aber in deinen anderen Punkten gehe ich mit dir konform, keine Frage, wir denken da recht ähnlich, ich sagte ja bereits, dass ich von ABIGOR nie erwartet habe, dass sie etwas aufnehmen, was sie schon einmal aufgenommen haben! Wir unterscheiden uns also eigentlich „nur“ in einem Punkt: Du magst das Album, ich nicht!
alboin (01:53 PM) :
Gut, dann stehen wir damit im Grunde wieder am Anfang, nur dass wir geklärt haben, warum ich das Album mag und Du nicht, sehe ich das richtig?
alboin (01:53 PM) :
Ich glaube übrigens, dass ich gerade auch Emotionen aus dieser totalen Kälte und Perfektion ziehe, genauso wie aus richtig verhalltem Black Metal allerdings auch.
Philip (01:55 PM) :
Ja, eigentlich schon, ich glaube nicht, dass wir auf einen grünen Zweig kommen, zumindest nicht, so lange kein Bier involviert ist! Siehst du, dies ist auch wieder etwas, was bei mir einfach nicht geht. Ich kann aus dieser Kälte keine Emotionen ziehen. Das ist bei mir wie bei Death Metal: ich finde manche Sachen davon geil, aber die Musik berührt mich emotional fast nie!
alboin (01:58 PM) :
Geht mir bei Death Metal genauso, da spricht mich dann nur schiere Brutalität an, und das ist eigentlich nicht mein Ding. Aber „Fractal Possession“ ist eben beides, brutal und kalt, und trotzdem eine Black-Metal-Platte. Ich würde daher vorschlagen, wir treffen uns noch einmal wieder, trinken jeder eine Kiste Bier, hören dann erst „Orkblut“, dann „Sounds Of Perseverance“ und dann „Fractal Possession“ und werden dann die Blutsbrüderschaft des Metal vollziehen. Einverstanden?
Philip (01:59 PM) :
Gerne, so lange wir auf die DEATH Scheibe verzichten!
alboin (01:59 PM) :
Meinetwegen. PROST!
Philip (02:00 PM) :
Hehe, um diese Uhrzeit! Aber wenn der Chef es sagt: Prost !
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