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Antifaschistische Black-Metal-Bands
Special
Ist Metal politisch, oder geht es nur um die Musik? Diese unsinnige Diskussion flackert in nerviger Beständigkeit genauso so oft auf, wie sie wieder verglimmt. Die Belege dafür, dass Metal – wie alles andere im öffentlichen Raum – politisch ist, sind zahlreich und offenkundig. Das zeigt allein schon der Umstand, dass mich eine schlichte Aufzählung aller kritischen Kapellen und Köpfe schier auf Jahre an diesen Laptop ketten würde.
Begründungsstrategien, Metal und Politik, Hooks und Haltung hätten nichts miteinander zu tun, haben immer dann Konjunktur, wenn Vertreter der Zunft wieder mal nach rechts schielen oder gar ganz klar braunen Müll promoten. Gerade im Black Metal führt das immer wieder zu abstrusen Spielchen, die von solidarischen Freundschaftsbekundungen über eindeutig zweideutige Anspielungen bis hin zu unverhohlenem Absondern von geistigem, sprich rechtem Schwachsinn reichen. Auch hier spare ich mir die allseits bekannten Beispiele.
Rot-schwarze Anarchie unter dem Banner des Teufels
Stattdessen soll es im Folgenden um eine Bewegung innerhalb des gepflegten Schwarztods gehen, die das Genre mit immer mehr Nachdruck von der anderen Seite des politischen Spektrum her aufmischt. Unter dem Label “Red (and) Anarchist Black Metal“ (RABM) vereinen sich Truppen, die ihren Schwerpunkt auf unterschiedliche Themen des linken Spektrums legen: Antifaschismus, Gleichberechtigung, Anarchie, Kommunismus. Das Ganze gerne auch mal mir eine ordentlichen Prise Satire vermengt.
In anderen (Sub-)Genres gehört dieser spezielle kritische Tonfall ja durchaus zum Inventar, meines Wissens nach ist das für den Black Metal aber eine (weitestgehend) neue Bewegung. Entsprechend beziehen viele Kapellen nicht nur inhaltliche, sondern auch musikalische Einflüsse jenseits des schwarzen Tellerrands mit ein. Folglich könnte der ein oder andere Purist über manche Band ob des geringeren Schwarzholzanteils vielleicht die Nase rümpfen. Daher sind die folgenden Empfehlungen auch mit einem Titel überschrieben, der dem Umstand Rechnung trägt, dass einige Bands dem guten alten Black-Metal-Sound eine kleine Frischzellenkur verpassen. Netter Nebeneffekt: die wahlweise Husky- oder Pandabärengesichter sind damit meist auch passé.
DAWN RAY’D – Black Metal ist Freiheit
Die Vermengung von Black Metal und folkigen Elementen ist ja nichts Neues. WINTERFYLLETH, SAOR oder PANOPTICON mischen ihrem Sound zum Beispiel von Beginn an keltische Kälte klänge unter. Obwohl sich letztere vor allem mit Naturthemen beschäftigen, lassen sich PANOPTICON dem eigenen Bekunden nach auch schon dem antifaschistischen Lager zuordnen. Die wohl derzeit konsequenteste und zugleich umtriebigste Kappelle im linken wie folkigen Arm des Teufels sind wohl DAWN RAY’D.
Musikalisch vermischen ihre “Battlehymns For The Class War“ den Folk nordenglischer Arbeiterlieder mit der räudig-punkigen Attitüde des skandinavischen Schwarztods. Auf ihrem Zweitling “Behold Sedition Plainsongs“ konnte das Trio diesen spartanischen wie wuchtigen Sound aus Schlagzeug, Geige, Gitarre und Gekeife noch stimmiger als auf ihrem Debüt “The Unlawful Assembly“ zusammenbringen. Wütender Weltschmerz vereint sich mit tobendem Zorn. Eigenständig wie eigenwillig preschen DAWN RAY’D an die vorderste Front der schwarzmetallischen Gegenbewegung und stacheln den Hörer zum Aufruhr an.
Die drei Liverpooler belassen es dabei nicht bei rein musikalischen Protestbekundungen. Kein Gott, kein Staat, kein Plattenvertrag. Sie engagieren sich auch politisch, vernetzen sich mit anderen Bands (riefen zum Beispiel das erste linke Black-Metal-Festival mit ins Leben) und unterstützen zahlreiche Hilfsprojekten. Zu jedem Merchartikel gibt es direkt eine “Introduction To Anarchism“ gratis dazu. Anarchisten seien in ihrem Sinne Menschen, die für die Freiheit eines jeden, sein Leben so gestalten zu können, wie er, sie, es es möchte, kämpfen. Kein Wunder irgendwie, dass sich da Black Metal als passende Ausdrucksform anbietet.
UNDERDARK – Klasse statt Masse
Und noch einmal Great Britain. Nicht wenige Gralshüter des wahren Black Metals halten die Post-Fraktion eh für nichts anderes als (im besten Falle schwarz gekleidete) Hipster. Nach gefühlt tausend Veröffentlichungen in einer Woche lichtet sich der Trend so langsam und hinterlässt mit HERETOIR, MØL oder ARCHIVIST Bands, die ihre Fans gefunden haben. Eine Truppe, die es geschafft hat, mit nur einer EP (und einer Split) auf sich aufmerksam zu machen, ist UNDERDARK.
Das liegt zum einen daran, dass sie sich in den letzten zwei Jahren den Allwertesten in jeder noch so kleinen Location wund gespielt haben; und sich zu promoten wissen. Und zum anderen sicherlich an ihrem politischen Sendungsbewusstsein. Ähnlich wie FEMINAZGUL oder GAYLORD äußern sich ihre antifaschistischen Bestrebungen schwerpunktmäßige (aber nicht ausschließlich) im Kampf für Gleichberechtigung und sexuelle Freiheit; und natürlich mit der klaren Parole ”Destroy NSBM“.
Sozialen Medien zufolge zimmern UNDERDARK nach einem Wechsel am Mikro mit ihrer neuen Shouterin Abi ihren ersten Longplayer ein. Zeit wird’s. Nach fünf Jahren Bandgeschichte stehen erst vier Songs auf der Habenseite. Diese bewegen sich aber allesamt auf einem Niveau, nach dem sich die meisten Trendkapellen die Finger lecken würden. Musikalischer Klassenkampf ohne Massenproduktion. Auch wenn ich bis jetzt noch nicht valide herausfinden konnte, wie Abi das krasse Gekeife von Ur-Fronter Max ersetzt, so ist doch klar, dass UNDERDARK die (oder besser: den) Post derart melodiös, aber immer eher kraftvoll und roh als verträumt abgehen lassen, dass auch viele Gralshüter hier ihre blütenschwarze Freude hätten.
NO SUN RISES – Wenn Black Metal die einzige Möglichkeit ist
Wie schon erwähnt, gibt es Genres, die die politische Ausrichtung quasi mit der Muttermilch aufgesogen haben. Dies gilt sicherlich vor allem für die Punk- und Hardcore-Fraktion. In der ranzigen Spielart des Crust flirten Bands wie WOLVHAMMER, MARYTYDÖD oder SVALBARD schon länger mit dem ein oder anderen Black-Metal-Part. In einer derart offenen Beziehung wird es erfahrungsgemäß wild getrieben, und am Ende spielen noch ganz andere Stilelemente unter der Decke mit.
Beim genaueren Blick auf diese Spielchen sollte einem eine deutsche Band ins Auge fallen: NO SUN RISES. Gestartet als Crust/D-Beat-Band lieferten sie im letzten Jahr mit „Ascent/Decay“ einen astreinen Brocken atmosphärischen Black-Metals ab, der sein antifaschistisches Gedankengut gekonnt vertont. Die Post-Rock-Elemente, die an die Stelle frühere Knüppeleien getreten sind, fügen sich stimmig ins Klangbild ein. Sie vermitteln eine Nachdenklichkeit, die perfekt zu den eher (politisch-)philosophischen Texten passt.
“Towards Sundown“ untermalt die ebenso aktuelle wie schlagende Analyse populistischer Fadenscheinigkeiten von Max Horkheimer derart passend, dass sie auch dem letzten (Iced) Flat-Earther die Augen öffnet. Bleibt nur zu hoffen, dass der Fünfer aus dem Münsterland (und Westfalen) diesen Stil weiter kultivieren wird. Dass sich die neu aufbereitete Grundstimmung des Black Metals für Position irgendwo zwischen tiefgründiger Verneinung des Status Quo und liberalem Entfaltungsdrang geradezu anbietet, beweisen derzeit auch andere aufkommende Bands wie MAYAK oder TOADEATER.
STORM OF SEDITION – Wenn die Wut immer wieder kommt
Das Techtelmechtel zwischen Black Metal und Crust kann aber auch in eine andere Richtung ausschlagen. Bands wie VENOM PRISON, WILDSPEAKER oder YOVEL geht es (musikalische gesehen) weniger um die – im übertragenen Sinne – leisen Zwischentöne inmitten des Zorns über die Welt, wie sie ist. Hier muss Dampf abgelassen werden. Das Vorbild dieser Spielart des Blackened Crust, die von teils chaotischem Punk immer wieder in Richtung Grind-Geprügel abgleitet, sind wohl ISKRA.
Da die Kanadier derzeit auf Eis zu liegen scheinen, soll dem geneigten Leser hier ein Nebenprojekt des Drummers ans offene Ohr gelegt werden: STORM OF SEDITION. Ihr letztes Album “Howl of Dynamite“ bildet einen wilden Mix aus den oben genannten Ingredienzien. Großer Vorteil: Das brodelnde Gemisch lässt keine Sekunde Langeweile aufkommen. Atemlos reiht die Rhythmusfraktion Grindgekessel à la NAPALM DEATH an Thrashattacken, die so auch von SLAYER stammen könnten und kombiniert das Chaos von THE DILLINGER ESCAPE PLAN mit der Rohheit skandinavischen Black Metals.
Über diesem Höllensound liefern sich die beiden Schreihälse ein Duell um die kaputtesten Stimmbänder. STORM OF SEDITION haben den Kaffee offen; aber mal so richtig. Hier wird eben nicht mehr darüber sinniert, warum es in der Welt teilweise so falsch läuft. “An expression of our rejection of this world of domination and slavery, our hatred of civilization, and our desire for anarchy.“ Alles in allem vertont das Trio sein amoralisches, antihumanistisches und individualistisches Konzept zu einer einfachen aber eindrücklichen Botschaft: Wir sind angepisst!
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REGNVM ANINALE – Revolution auf die die nette Tour
Schauen wir ein letztes Mal auf das, was herauskommt, wenn sich Black Metal auf antifaschistische Pfade begibt und sich auf dem Weg anflirten lässt. Gerät der gute alte Schwarztot in einen wilder Dreier mit Crust und Hardcore, kommt schnell ein THRÄNENKIND (erwachsen: KING APATHY), – wenn dabei eine Emo-CD läuft – der einmalige Geniestreich von I AM HERESY oder pure ANCST dabei heraus. Da vor allem die letztgenannten Crust-Helden aus Berlin so langsam einem größeren Publikum bekannt sein sollten, lohnt der Blick auf eine schwedische Band, die in ähnlichem musikalischen Fahrwasser unterwegs ist.
REGNVM ANIMALE setzen zwar weniger auf Blastbeats, haben aber mindestens ebenso viel Applaus verdient. Im Vergleich zu den Bastarden aus Black Metal und Crust aus den letzten beiden Abschnitten klingt alles ein Stück weit bejahender, positiver. Es ist nicht so, dass es auf dem zweiten Longplayer “Et Sic In Infinitum“ nicht auch traurige oder verzweifelte Momente gäbe. Da aber jedem Schweden, der ein Instrument halten kann, eingängige Melodie im Minutentakt einzufallen scheinen, wird die Trübsal immer wieder schnell weggeblasen.
“Människan är människans varg“ – Die angeschmissene Übersetzungsfunktion offenbart, die Intention hinter den in schwedisch gehaltenen Texten: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Der Verweis auf ein Zitat des politischen Philosophen Thomas Hobbes spiegelt den Wunsch nach Frieden in einer sich fremd gewordenen Gesellschaft wieder. REGNVM ANIMALE beschreiben sich zwar als Extreme-Metal-Band, Ihr Ruf nach Veränderung klingt aber vergleichsweise versöhnlich. Ihre neue Split mit NORN vermittelt einem nicht nur einen guten Eindruck über ihren Sound, sie macht einen direkt noch mit einer weiteren interessanten Band, die hier auch ins Thema passen würde, bekannt.
UPRISING – alter Schwarzmetall in neuen roten Schläuchen
Allen, die sich ungeduldig fragen, ob es denn nicht auch noch ein paar Bands gibt, die ihre Botschaft in guten alten Black Metal ohne Schnickschnack verpacken, sei zum Schluss noch die Hand gereicht. Soweit ich das richtig überblicke, sehen sich gestandene Schwarzheimer wie SUMMONING oder WOLVES IN THE THRONE ROOM auch in der Tradition antifaschistischen Gedankenguts. Um weiteren lächerlichen Missverständnissen vorzubeugen, seien hier auch noch einmal explizit ULTHA und WOE genannt.
Wem das jetzt alles zu viel Mischmasch war, dem könnten GUTSFOLADT oder VOID RITUAL vielleicht doch noch überzeugen. Meine persönliche Entdeckung im Zuge der Recherchen zu diesem Artikel sind ganz klar UPRISING. Das Ein-Mann-Projekt von WALDGEFLÜSTER-Fronter Jan van Berlekom (alias Wintergeist oder in diesem Falle einfach nur W) überzeugt auf seinem zweiten Album “II“ mit einem frischen Sound, der sich aber nie zu weit vom ursprünglichen Back-Metal wegbewegt.
Die Songs von UPRISING nehmen dabei den anarchistischen Geist in jeder Pore auf. Das ist es, was Black Metal immer schon ausgemacht hat: Traditionen und Machtverhältnisse in Frage stellen. Die teilweise doch arg pubertäre Aufmüpfigkeit wohlstandsverwahrloster Kirchenabfackler ist dabei einer gewissen Ernsthaftigkeit gewichen, der radikale Individualismus anders gedacht. Vielleicht ist das gesteigerte Aufkommen von Black-Metals-Bands mit klarer antifaschistischer Botschaft, manche werden es vielleicht als Trend abstempeln, nur ein Phänomen unserer kurzlebigen Welt. Es ist aber ein Trend, den wir in diesen Zeiten gut gebrauchen können.
PS: Und wen das alles immer noch nicht überzeugt hat, der lasse sich zumindest mal von der Musik hinter dem Covern von SACRED SON überraschen.