25 Jahre - 25 Alben - 25 Songs
Heute: Philipp Gravenhorst

Special

25 Jahre metal.de. Das sind 25 Jahre, die jeder Redakteur unterschiedlich wahrgenommen hat und in denen unterschiedliche Alben wichtig waren. In dieser Serie geht es darum, sich für jedes Jahr auf ein Album festzulegen, welches für den Redakteur persönlich am wichtigsten war. Mit der Nennung eines Songs, der stellvertretend für das Album steht, ergibt sich dann eine Playlist. Am Ende des Jahres folgt die ultimative „25 Jahre metal.de Playlist“.

Philipp Gravenhorst, Redakteur

Philipps Playlist:

Die Gesamtplaylist aller Redakteure, die im Laufe des Jahres noch anwachsen wird:

 

Diese Ausgabe wird aber erst im Jahr 2008 anfangen. Denn Philipp ist erst 22 und obwohl er bei Redaktionstreffen immer mit Altklugheit und dem Spruch „Das war aber noch vor eurer Zeit.“ über die Gentrifizierung des Jazz durch Swingmusik doziert, hat er kaum Ahnung von Musik aus den 90er- und 00er-Jahren. Und bevor er „Asshole“ von Gene Simmons als das Album des Jahres 2004 nennt, darf er dieses Mal nur über seine Zeit reden.

2008: Iron Maiden – Somewhere Back In Time – The Best Of: 1980 – 1989

Über Best-Of-Zusammenstellungen wird oft verächtlich geredet, dabei habe ich eine Schwäche für sie. Wenn man sie bespricht, muss man sich meistens das Album nicht anhören und für mich hat dieses Format einen sentimentalen Wert: Gerade zu Beginn meines Lebens als Musikhörers habe ich mir viele Kompilationen gekauft. Alle Hits auf einer CD für wenig Geld. Ein äußerst gelungenes Exemplar dieser Form ist „Somewhere Back In Time“, mein zweiter MAIDEN-Einkauf. Es sind nur Songs aus den Achtzigern enthalten, die in der Form eines idealen Sets angelegt sind. Neben den Studioversionen werden einige Lücken durch „Live After Death“ aufgefüllt. Der ideale Einstieg in den Kosmos von IRON MAIDEN, die selten eine gute Alben-Band waren.

Song: Children Of The Damned

2009: KISS – Sonic Boom

Auch dieses Album ist eher aus sentimentalen als künstlerischen Gründen hier drin. Nachdem ich in meiner Kindheit vor allem die Siebzigerplatten von KISS gehört habe, bin ich davon ausgegangen, dass die Band aufgelöst war. Umso erfreuter war ich, dass ich sie 2008 in Oberhausen sehen konnte und im Jahr danach dieses Album erschienen ist. Ich fand es cool, als Gene Simmons in einem dazugehörigen Interview meinte, dass sie das vor allem für junge Fans rausgebracht haben. Aus einer kritischen Perspektive kann ich nicht die Bemerkung vermeiden, dass dieses Album vor allem das ist, von dem die Band denkt, dass die Fans es wollen. Dennoch war dieser Release für mich damals ein großes Ereignis.

Song: Never Enough

Weitere Alben:
Steel Panther – Feel The Steel

2010: Iron Maiden – The Final Frontier

Als ich in das zarte Alter von 11 Jahren kam, dürstete es mich nach härterer Musik als KISS. In meiner obsessiven Beschäftigung mit der Band stieß ich auf IRON MAIDEN, die bekanntlich 1980 auf Europatournee mit den maskierten Göttern waren. Ein paar Monate danach sah ich „The Final Frontier“ im Technikmarkt und so wurde diese Scheibe mein erstes IRON-MAIDEN-Album. Damals war ich enttäuscht von der Platte. Die Songs waren zu lang und hatten viele ruhige Momente. Das soll nicht heißen, dass „The Final Frontier“ keine Höhepunkte hat. Dazu zählen die Halbballade ‚Coming Home‘, das ungewöhnlich flotte ‚The Alchemist‘ und das Schlussepos ‚When The Wild Wind Blows‘. Doch diese Scheibe ist nicht die beste Auswahl für einen kleinen Jungen, der es härter als KISS haben will. Ich bin dran geblieben und wurde, siehe oben, belohnt.

Song: Coming Home

Weitere Alben:

ACCEPT – Blood Of The Nations
KVELERTAK – Kvelertak

2011: Graveyard – Hisingen Blues

Es war wohl Schicksal, dass ich ausgerechnet während eines Siebziger-Revivals in die Metalszene kam. Damals musste ich mich noch an den harten Sound gewöhnen und sehnte mich nach der Wärme einer analogen Produktion. Die schwedischen GRAVEYARD konnten mir das bieten. Songs wie ‚Ain’t Fit To Live Here‘ oder der Titeltrack transportierten eine mitreißende Nervösität, die ich vorher noch nie erlebt habe. Die ruhigen Songs fand ich damals langatmig, aber dennoch hat diese Scheibe meinen Blick auf die Siebziger Jahre erweitert.

Song: Ain’t Fit To Live Here

Auch noch:

ELM STREET – Barbed Wire Metal

2012: Overkill – The Electric Age

Thrash Metal wurde schnell zu einem meiner Lieblingsgenres. Das lag an Klassikern wie „Kill ‚Em All„, aber andererseits auch an starken Neuerscheinungen, mit denen ich über die Promosampler von Zeitschriften in Kontakt kam. Ein Song, der mich gefangen nahm, war ‚Electric Rattlesnake‘. Dieses Riff, das in allen Geschwindigkeiten gut funktioniert. Bobby Blitz mit seinem giftigen Gekreische. Ron Lipknicki haut mit seinen Drumsticks so krass auf die Felle, als ob es ein Fleischklopfer wäre. All diese Dinge bestärkten mich in der Erkenntnis, zu der ich langsam kam: Thrash Metal is the place to be.

Song: Electric Rattlesnake

Auch noch:

ACCEPT – Stalingrad
KREATOR – Phantom Antichrist

2013: Free Fall – Power & Volume

Die 2010er-Jahre klingen für mich wie die Siebziger – Das war auch 2013 nicht anders. Dieses Album dürfte das erste Debüt sein, das ich mir im Jahr des Erscheinens gekauft habe. Es hatte so viele Dinge, die ich am Siebziger-Rock geliebt habe. Knackige Songs, ein warmer Sound und die schroffe Energie. Es ist schade, dass die Band ziemlich schnell in die Versenkung verschwand. Ich lege diese Scheibe immernoch gerne auf.

Song: Power & Volume

Auch noch:

BASEMENT APES – Basement Apes
BLACK TRIP – Goin‘ Under

2014: Slash feat. Myles Kennedy & The Conspirators – World On Fire

In diesem Jahr hatte ich meine große GUNS N‘ ROSES-Phase. Nachdem ich mir einige Jahre zuvor schon „Appetite For Destruction“ geholt habe, bekam ich nun „Use Your Illusion II“ in die Finger, das ich rauf und runter gehört habe. Ja, ich höre die Scheibe ganz gerne. Umso erfreuter war ich auch, dass SLASH FEATURING MYLES KENNEDY & THE CONSPIRATORS sich mit „World On Fire“ noch stärker dem klassischen Sound der ehemals gefährlichsten Band der Welt annäherten. Trotz einiger verschmerzbarer Schwächen war ich sehr froh über die Veröffentlichung, weil sie die Vitalität meiner damaligen Helden bewies. Zumindest von einem von ihnen.

Song: World On Fire

Auch noch:

BEHEMOTH – The Satanist
MIDNIGHT – No Mercy For Mayhem

2015: Biters – Electric Blood

Ziemlich unverhofft stolperte ich über den Opener ‚Restless Hearts‘, dem ich bei der ersten Begegnung hoffnungslos verfallen war. Manchen Leser:innen meiner Reviews dürfte es wohl ein Grinsen ins Gesicht zaubern, wenn ihnen die plumpe Eingängigkeit des Refrains auffällt. Doch ich empfand das Gesamtpaket als äußerst stimmig. Die Bubblegumsongs und 70er-Attitüde überzogen mit einer warmen Produktion. Und natürlich die Sehnsucht nach der besten Ära von KISS. Leider schliff die Band ihren Sound auf „The Future Ain’t What It Used To Be„, weswegen die Band nach „Electric Blood“ überwiegend schlaff und gleichtönig klang.

Song: 1975

Auch noch:

ENFORCER – From Beyond
NIGHT DEMON – Curse Of The Damned

2016: Black Foxxes – I’m Not Well

Es gibt Alben, die man beim ersten Kontakt nicht einordnen kann. „I’m Not Well“ gehörte dazu, zu allem Überfluss sollte ich die Scheibe auch noch rezensieren. In der Review lässt es sich daher auch herauslesen, dass ich diese Scheibe nicht in meinen musikalischen Horizont einordnen konnte, sie mich dennoch ziemlich faszinierte. Da war der eingängige Titeltrack als attention-catcher, in dem sich genau die Unsicherheit wiederspiegelte, die ich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung spürte. Gleichzeitig offenbarte die Scheibe auch in ihren vielen stillen Stellen eine Wucht, die mir damals neu war. Meine floskelhafte Prognose, dass sich die Band verbessert, hat sich bewahrheitet. Mit ihrem selbstbetitelten Album vom letzen Jahr haben sie nochmal eine überragende Scheibe vorgelegt.

Song: Husk

Weitere Alben:
MANTAR – Ode To The Flame
TAX THE HEAT – Fed To The Lions

2017: Night Demon – Darkness Remains

Auch wenn ich der Ansicht bin, dass Gene Simmons oft unrecht hat, höre ich ihm immernoch zu. Auch wenn er den Tod des Rocks herbeifantasiert. Angesichts der Vitalität der Szene ist das lächerlich. Allerdings kann ich nur beipflichten in die Enttäuschung über das Fehlen neuer großer (klassischer) Metalbands. NIGHT DEMON habe ich als ersten Hoffnungsträger für diese Rolle wahrgenommen. Sie haben frische, knackige Songs und liefern auf der Bühne Feuerwerke sondergleichen ab. Der Headlinerauftritt auf dem Hell Over Hammaburg 2019 bewies diese Qualitäten der Kalifornier. Und Jarvis hat mich in einem Interview an die Erkenntnis gebracht, dass es besser ist, eine Band auf dem Höhepunkt ihres Schaffens als auf dem Gipfel ihrer Popularität zu erleben.

Song: Hallowed Ground

DOOL – Here Now, There Then
GRAVE PLEASURES – Motherblood

2018: CHAPEL OF DISEASE – …And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye

Als „…And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye“ erschien, war ich relativ allergisch auf Extreme Metal. Doch CHAPEL OF DISEASE gelang mit dieser Scheibe eine mühelose Verknüpfung von Gegensätzen. Ihr Death-Metal-Sound hatte Classic-Rock-Melodien. Die waren zwar eingängig, dennoch eingebettet in stets komplexe und lange Songs. Somit entstand etwas, was ich als ganz eigen empfand und mich einen Schritt in Richtung Extreme Metal brachte. Dafür hätte es aber wohl dieses Album nicht gebraucht.

Song: Song Of The Gods

MANTAR – The Modern Art Of Setting Things Ablaze
VISIGOTH – The Conquerer’s Oath

2019: Misþyrming – Algleymi

In letzten Sommer vor Corona habe ich viel Extreme Metal gehört. Zum Metal gehörte für mich immer ein gewisser Akt der Distinktion. Nach einem eher frustrierenden Festivalwochenende hatte ich das Bedürfnis, mich von den traditionellen Spielarten des Metals eher zu krasseren zu bewegen. Da waren vor allem Doom und Black Metal die Objekte meiner Begierde. Und da „Algleymi“ gerade positiv besprochen wurde, habe ich mir einfach diese Scheibe geholt. Ich halte diese Scheibe immernoch für extrem gelungen. Die Isländer verbinden Wut und Melodiösität in aufregenden, aber nachvollziehbaren Kompositionen. Daher freut es mich auch heute noch ein bisschen, dass wir die Scheibe damals zum Album des Jahres gekürt haben.

Song: Með svipur á lofti

Weitere Alben:
Eremit – Carrier Of Weight
Imha Tarikat – Kara Ihlas

2020: Bonded – Rest In Violence

Thrash Metal gehört inzwischen zu den Genres, die ich am unliebsten bespreche. Viele Platten klingen so gesichtslos, dass ich am liebsten mit den Schultern zucken möchte. Im Kontrast dazu stehen BONDED. Auf „Rest In Violence“ klingen sie härter als viele ihrer Kollegen und kommen ohne Vintage-Filter aus. Dabei gelingen ihnen verführerisch eingängige Songs wie ‚Suit Murderer‘ und ‚Je Suis Charlie‘, mit denen sie anerkennnen, dass Metal auch politisch sein kann. Um es kurz zu machen: Sie machen alles richtig, was SODOM gerade falsch machen.

Song: Suit Murderer

Weitere Alben:
ANCST – Summits Of Despodency
STALLION – Slaves Of Time

Bisher erschienen:

Björn Gieseler

Michael Klaas

Dominik Rothe

Jeanette Grönecke-Preuss

Jan Ole Möller

Oliver Di Iorio

Christian Plath

Alexander Santel

Tobias Kreutzer

Johannes Werner

Arne Glaser

Sven Lattemann

Jannik Kleemann

Markus Endres

Steffen Gruß

Eckart Maronde

Marc Thorbrügge

Stefan Wolfsbrunn

Colin Büttner

Dagmar Geiger

Quelle: Philipp Gravenhorst
20.12.2021
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