Nach ZATOKREVs großartigem Vorgänger-Album „The Bat, The Wheel And The Long Road To Nowhere“ hätte ich vieles für möglich gehalten – aber dass ich der Band aus Basel einmal attestieren würde, wie saustark ihre Musik gerade in den „ruhigeren“ Momenten ist, überrascht mich doch enorm. Um eventuellen Befürchtungen vorzugreifen, weise ich gleich darauf hin, dass ZATOKREV auch mit „Silk Spiders Underwater…“ eine doomfarbige Sludge-Wand in die Welt gestellt haben, die meines Wissens ihresgleichen sucht – dennoch ist der Acht-Tracker gerade in den Momenten, in denen die mächtigen Gitarren nicht alles zermalmen, in meinen Ohren am stärksten…
…doch fangen wir langsam an – so wie es der Vierer mit „Runaway Soul“ tut: Ein beinahe siebenminütiger Monolith, der allerdings „nur“ ein Intro zu sein scheint – bluesige Harmonien, verstärkt durch tolle Licks in den Lead-Gitarren, ein Sample aus HBOs „True Detective“ und den geschrienen Songtitel… „Runaway Soul“ bereitet den nichts oder vielleicht nur wenig ahnenden Hörer allerdings schon langsam, aber sicher, darauf vor, was „Silk Spiders Underwater…“ zu bieten hat: Stiliistisch einen extrem gelungenen Mix aus Sludge, Stoner Rock und Doom Metal, fein gewürzt mit Blues-Einflüssen; harmonisch demonstieren ZATOKREV noch stärker als auf „The Bat, The Wheel And The Long Road To Nowhere“, wie meisterhaft sie mit Orgeltönen, Vorhalten und Pentatonik umgehen können, um solche Monster wie „Bleeding Island“ oder das hypnotisch-schwüle „The Phantom“ zu erschaffen.
Doch erst dann – nach den einführenden Klängen und den beiden sehr dichten Songs – legen ZATOKREV mit „Loom“ erstmals ihre fragile Facette frei; und berühren auf diese Weise noch tiefer und umfassender als mit bloßer Aggression. Die lediglich angezerrten Rhythmus-Gitarren vereinen sich mit dem wunderbar melodischen Bass und den gebrochenen Akkorden der Lead-Gitarren zu einem atmosphärisch dichten Gebräu, das seine Verzweiflung und die unheimlichen Schwingungen (hier würde wohl das angelsächsische Attribut „eerie“ am Besten passen…) aus den frei gelassenen Klangräumen erschafft. Man nehme dazu noch den klaren Gesang, souverän (weil sparsam) eingesetzte synthetische Elemente sowie die Steigerung in der zweiten Hälfte (dieser Moment, in dem die Gitarren richtig verzerrt werden!) – und hat mit „Loom“ das erste echte Highlight von „Silk Spiders Underwater…“
…doch das Zweite folgt sogleich: „Brick In The Sky“ besticht durch einen mit „Loom“ vergleichbar ruhigen Ansatz – und klingt doch ganz anders als sein direkter Vorgänger. Der Neunminüter beginnt mit einem vermeintlich einfachen Motiv, das im Verlauf des Songs weiter ausgearbeitet, ausgebaut, verziert wird… Wer bei diesen clean gespielten Gitarren-Flächen (die mich an NEUROSIS‘ „The Eye Of Every Storm“ erinnern), diesem verzweifelten Gesang und diesen Streichern keine Gänsehaut bekommt, hört diese Musik wirklich nur mit den Ohren, nicht mit Gefühl…
Dass ich „Loom“ und „Brick In The Sky“ an dieser Stelle als die beiden Glanzpunkte des Albums herausstelle, heißt indes nicht, dass die anderen sechs Songs nicht gelungen wären! Mit dem fast zehnminütigen „Discoloration“ kehren ZATOKREV wieder ihre aggressive, schwere Seite nach außen, bestechen einmal mehr durch gekonntes Einflechten von Blues-Einflüssen; mit „Swallow The Teeth“ findet sich kurz vor Ende ein enorm zackiger Song, der sogar reichlich Blastbeats enthält und damit der Dynamik ZATOKREVs eine weitere Dimension verleiht. Abgeschlossen wird „Silk Spiders Underwater…“ mit dem Zwölf-Minuten-Monster „They Stay In Mirrors“, das im Ansatz an „Loom“ und „Brick In The Sky“ anknüpft, die atmosphärische Dichte der beiden zentral stehenden Songs aber nicht ganz erreichen kann. Das ändert nichts daran, dass die weiblichen Chöre und die harmonischen Auflösungen derart meisterhaft sind, dass andere Bands von solchen Ideen nur träumen können.
Zusammenfassend lässt sich über „Silk Spiders Underwater…“ also nicht weniger sagen als, dass es die Ausnahme-Stellung ZATOKREVs im gesamten Post-Metal-Sludge-Doom-Genre untermauert und die vier Musiker als visionäre Künstler porträtiert, die einmal mehr einen neuen klanglichen Ausdruck gefunden haben, ohne ihren ureigenen Stil in den Hintergrund zu stellen. Kurzum: „Silk Spiders Underwater…“ ist ganz große Kunst.
Die Schweizer waren stets eine Band, welche durch die Bank sehr gute bis geniale Alben auf die verstörte Meute losließen. Es fängt an wie immer: Zerstörerisch, düster, beklemmend, kalt, bizarr. Man fühlt sich bei dieser Musik wie in einem Alptraum. Wobei die Post-Hardcore Einflüsse vom 2. Album „Bury The Ashes“ kaum noch zum Tragen kommen und auf „Silk Spiders Underwater“ vermehrt psychedelische Einflüsse verarbeitet wurden. So kann man „Brick In The Sky“, den 5. Song fast schon entspannend nennen. Und auch „Discoloration“ erinnert mehr an hippiesken Doom als an eine apokalyptische Zerstörungswalze. Man möchte fast schon meinen, sie hätten eine positive Ausstrahlung. Ist aber nur die Ruhe vor dem Sturm. Irgendwie ist man auch nicht mehr so sperrig wie einst.
So genial die Musik der Schweizer auch ist, so beschissen waren stets ihre Albumcover. Damit kann man wirklich keinen Blumentopf gewinnen. Lieber so als andersrum.