Zapruder - Fall In Line
Review
Bands wie ZAPRUDER bringen einen Rezensenten an den Rand der Verzweiflung. Es fängt schon beim Genre an, als „Post Metal /Mathcore“ kursiert die aktuelle Scheibe „Fall In Line“ bei uns innerhalb der Redaktion – irgendeinen Namen muss man dem Kind schließlich geben. Die Franzosen präsentieren auf ihrem ersten Full-lenght-Album aber deutlich mehr, und es ist schon beinahe einfacher zu sagen, welcher Stil nicht in ihrem Wimmelbild zu finden ist. Scheuklappenfreies Kreativverständnis ist also Voraussetzung, genau wie die Liebe zu verqueren Songbauten und hysterischem Gekreische.
Eine mögliche Herangehensweise für „Fall In Line“ wäre, den Drang, alles erklären zu müssen, einfach zu unterdrücken. Treiben lassen, zuhören und am besten nicht versuchen zu verstehen, wie eine Platte mit einem nervösen Opener wie „We Are Orphans“ erst alles in Stücke reißen kann und dann ein beruhigendes Instrumental wie „Delusion Junction“ im Mittelteil aufweisen darf. Dazu muss man vorausschicken, dass ZAPRUDER alles Vorgetragene auch beherrschen und die Brüche authentisch klingen. „Cyclops“ trägt den Namen zurecht, der Song drückt sich mit Gewalt einen schmalen Pfad zum Hörer durch, nur um sich dann mit breiten, walzenden Riffs stetig immer mehr Raum freizuschaufeln. Hand in Hand mit massiven Riffs, schlängelt sich eine bedrohliche Lead-Gitarre langsam auf den Hörer zu. In diesem Fall hilft nur noch: Hinlegen, totstellen und am besten überrollen lassen.
In jedem Stück findet sich eine Stelle, die dem Hörer die Kinnlade herunterklappen lässt. Der schneidige Bass von François in „Modern Idiot“, der funkige Break im selben Song oder die breitbeinige Abfahrt, ebenfalls im selben Song. „Moloch“ startet mit hypnotischem Schlagzeug, fällt plötzlich förmlich in sich zusammen, der Hörer darf den Song dann noch beim Todeskampf lauschen, findet sich in einer dramatischen Szene wieder und muss bis zum letzten Feedback mit angehaltem Atem auf das Beste hoffen. Ein Saxophon trägt den Song dann im folgenden „Delusion Junction” schleppend und anrührend zu Grabe.
„Doppelgänger” folgt dem gleichen Weg, wilder Anfang und auslaufendes Ende, sodass der Überraschungseffekt etwas abgenutzt ist. Umso überraschender ist allerdings die akustische Ballade „Loquèle“, denn hier erwartet uns ein weicher, klargesungener Akustiksong. ZAPRUDER betten den Hörer plötzlich auf Wolken und erzeugen mit einem Fingerschnips ergreifende Atmosphäre, untermalt von dezenten Streichern. Das krönende „Je Ferai de Ma Peau Une Terre Où Creuser“ wandelt in knappen acht Minuten durch postrockige Gefilde, überlagert von Black Metal-ähnlichen Vocals und umzäunt von massiven Riffwänden, resultierend in einem Tarantino-ähnlichen Western-Outro. Man merkt: Je länger man ZAPRUDER folgt, umso weniger versteht man „Fall In Line“ also.
Definitiv wird nicht versucht, „auf Teufel komm raus“ Kunst vorzutäuschen. Nicht alles klappt auf „Fall In Line“, aber hörenswert ist die Platte allemal. Nach einem kompletten Durchlauf von „Fall In Line“ blickt man verblüfft zurück und wundert sich, was ZAPRUDER da eben großartiges veranstaltet haben.