Gewisse Namen in der Musikgeschichte haben so viel Gewicht, dass sie sich gänzlich darauf ausruhen können. Es gibt wirklich niemanden, der den legendären Status einer Band wie YES im entferntesten anzweifeln kann. Dieser Sachverhalt nennt sich im englischsprachigen Raum „too big to fail“ und trifft auf die unterschiedlichsten Künstler zu. Bei dem 23. Studioalbum der Prog-Größen stellt sich nur eine Frage: Verlassen sich die Briten auf ihren Ruf oder liefern sie ein wirklich signifikantes Album ab?
Angenehme Überraschungen von YES
Schon die ersten Sekunden des Albums offenbaren das warme Klangbild sowie die äußert großzügigen und üppigen Arrangements. Gitarrist und Produzent Steve Howe hat sich wirklich nicht lumpen lassen: Eine schlechtere Band hätte einfach etwas reduzierteres veröffentlicht und behauptet, dass man „reifer“ geworden und sich weiterentwickelt hätte. Dass YES jenseits von solchen Ausreden musizieren, machen Songs wie „Cut From The Stars“ und „Luminosity“ auf eine Eindrucksvolle Art und Weise klar. Die Moog-Synthies summen, die Gitarren vollführen regelrechte Walgesänge, die Basslines rocken wild vor sich her und die Vocals klingen zuckersüß, harmonisch und gefällig. Wer „Mirror To The Sky“ auflegt, befindet sich sofort im Retro-Prog Himmel und wird von der voluminösen Produktion regelrecht erschlagen.
Zeitgeist Ade
Weshalb wird der Begriff „Dinosaurier“ für ältere Bands so abfällig gebraucht? Dinosaurier sind höchst interessant, faszinierend und größer als unser Leben. All diese Attribute treffen auch auf „Mirror To The Sky“ zu. Doch wer die Platte am Stück hören möchte, fühlt sich so, als ob er ein derartiges Urviech verschlucken müsste: Wenn die Spielzeit auch nur eine Minute länger gewesen wäre, hätten die Briten den Bogen deutlich überspannt. Die knapp 47 Minuten sind pickepackevoll und laden zum erkunden und immer wieder hören ein. Die Bonus-Disc erhält drei zusätzliche Songs, die den Flow der Scheibe ruiniert hätten, wenn sie in die Tracklist mit aufgenommen worden wären.
YES oder Nein?
Jeder, der ein mildes Alterswerk erwartet hat, bekommt auf „Mirror To The Sky“ das exakte Gegenteil vor den Latz geknallt. Die Songs wirken deutlich fokussierter als auf dem Vorgänger „The Quest“ und lassen alle Muskeln spielen, die diese Geschichtsträchtige Band nur zu bieten hat. Wenn man die halbgaren Produkte anderer Altersgenossen von YES betrachtet, kann man für so eine Qualität nur dankbar sein.
Kommentare
Sag Deine Meinung!