Yes - Drama

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Man möchte angesichts der Dur-lastigen Musik von YES und speziell ihrem neuzeitlichen Geschwurbel von einer heilen Welt ja nicht meinen, dass die Band praktisch von Beginn an durch zahllose Wechsel im Lineup und bandinterner Streitereien gezeichnet worden ist. Doch bei den britischen Prog-Titanen rotierte das Besetzungskarussell unermüdlich, wobei in ihrer klassischen Phase die jeweils aufeinander folgenden Alben „Fragile“ und „Close To The Edge“ sowie „Going For The One“ und „Tormato“ in den gleichen Besetzungen eingespielt worden sind. Das waren im letztgenannten Doppel Jon Anderson, Steve Howe, Chris Squire, Rick Wakeman und Alan White.

„Drama“, Baby!

Nach „Tormato“ ereignete sich einer der größeren Einschnitte hinsichtlich des Lineups: Anderson und Wakeman verließen die Band nach den gescheiterten „Paris Sessions“, in denen wiederum ein Teil des Materials vom hier zu besprechenden Nachfolgealbums „Drama“ von 1980 entstanden ist. Was für ein passender Name für eine ihrerzeit derart kontroverse Platte, die heute als das letzte große Prog-Werk der Band gilt. Die Songs, welche die Band konkret für dieses Album aus den Sessions mitgenommen hat, waren „Does It Really Happen“ und „Tempus Fugit“, wobei die Band einen weiteren Track aus den Sessions zusätzlich live darbieten sollte. Andere Stücke erschienen entweder auf Bootlegs oder weit später.

Doch hatte die Band zu dem Zeitpunkt natürlich ein großes, logistisches Problem: Wie ersetzt man auf die Schnelle Jon Anderson und Rick Wakeman, vor allem angesichts einer anstehenden US-Tour, möglichst ohne die Fans, die bereits ihre Tickets gekauft haben, zu vergraulen? Da spielte der Zufall den übrig gebliebenen Mitgliedern in die Karten, als die BUGGLES („Video Killed The Radio Star“), wie YES ebenfalls durch Brian Lane gemanagt, zur gleichen Zeit im gleichen Studio arbeiteten. Die BUGGLES, bestehend aus Trevor Horn und Geoff Downes, hatten ihrerseits ihre Bewunderung für YES ausgesprochen hin zum Punkt, wo sie der Band auf Anraten Lanes ihren Song „We Can Fly From Here“ anboten.

YES packten die Gelegenheit (und die BUGGLES) beim Schopf

Daraufhin wurden die BUGGLES von Chris Squire zu Proben des Songs eingeladen, wobei deren Frage nach Anderson und Wakeman vorerst unbeantwortet im Raum stehen würde. Der Track „We Can Fly From Here“ landete bekanntermaßen erst viel später als Teil einer Suite auf einer regulären Studioveröffentlichung, wurde aber im Zuge der damaligen Tour bereits live dargeboten. Schließlich musste Downes und Horn die Situation um Anderson und Wakeman erklärt werden und man bot ihnen an, Teil der damals aktuellen YES-Besetzung zu werden. Nachdem auch die Plattenfirma Atlantic Records grünes Licht gab, standen den Aufnahmen zu „Drama“ praktisch nichts mehr im Wege.

Eröffnet wird das Album durch „Machine Messiah“, dessen einleitende Riffs zeitgenössische Kritiker eine gewisse Verwandschaft zum Heavy Metal attestierten. Überhaupt merkt man dem Song an, dass er im Zuge der beiden vorangegangenen Platten deutlich direkter und rockiger geraten ist. Dennoch sticht der Track durch seine Vielschichtigkeit und seine Stimmungsvielfalt hervor. Besagte Eröffnungsriffs lassen fast auf ein düsteres Stück schließen, während der Song dann jedoch deutlich peppiger daherkommt. Auch wob Downes ein kleines, klassisches Orgel-Intermezzo passend in den Song ein.

Songs zwischen klassischem Bandrepertoire und neuer Direktheit

„Does It Really Happen“ ist ein wahrer Earcatcher. Der Track ist polyrhythmisch arrangiert, aber dabei so dermaßen leichtfüßig unterwegs und eingängig, dass besagte Polyrhythmik kaum auffällt. Dazu rockt das Ding auch ordentlich. „Into The Lens“, der einzige als Single veröffentlichte Song, ist eigentlich ein Track, den die BUGGLES für ihr eigenes Werk vorgesehen hatten. Das merkt man dem Song auch leicht an. Dennoch empfand Squire den Track als gefällig und überarbeitete ihn für „Drama“, sodass die hiesige Version aufwändig arrangiert daherkommt.

„Tempus Fugit“ beschließt das Album als nervöser Rocker, dessen Riffs zudem Erinnerungen an die zeitgenössischen RUSH wach werden lässt. Wobei man sich gerade um die Zeit natürlich fragen darf, wer hier wen beeinflusst hat. Wiederum in der Tradition direkterer, knapperer Songs stehend fährt der Track ohne Umschweife ins Gebein. Bleiben noch „Man In A White Car“, das ein bisschen zu kurz ist für sein eigenes Wohl, und „Run Through The Light“, das ein bisschen den zeitgenössischen Pop der frühen bis mittleren Achtziger einzufangen versucht.

Sind YES zu sehr auf Risiko gegangen?

Als Produkt seiner Zeit und der schwierigen Umstände, in denen sich die Band damals befand, merkt man „Drama“ seine Stellung natürlich an. Obwohl der Konsens dem Material heuer – speziell im Lichte dessen, was folgen sollte – generell positiver gegenüber gestimmt ist als zur Zeit der Veröffentlichung, bleibt das Album ein klassisches Beispiel dafür, wie der Ausstieg von beliebten Bandmitgliedern die Meinung über ein Werk beeinflussen können, möglicherweise ungeachtet der eigentlichen Qualität. Natürlich reicht ein Trevor Horn stimmlich nicht an einen Jon Anderson heran, doch zumindest was die Studioleistung angeht schlägt er sich auf „Drama“ gut genug, um die Songs mit seiner Stimme zu tragen.

Es kam an Ende jedoch, wie es kommen musste: Viele Fans fühlten sich durch den Lineup-Wechsel vor vollendete Tatsachen gestellt. Verständlich, da man dessen Bekanntmachung vermutlich aus promotionstechnischen Gründen so lange wie möglich hinauszögern wollte. Und so verliehen besagte Fans ihrem Frust auch Ausdruck. Am Ende der folgenden Tour zerfiel die Band. Was dem folgte waren zahlreiche Nebenprojekte der Bandmitglieder, unter anderem die AOR-Supergroup ASIA mit Howe und Downes, bevor sich YES unter Leitung von einem Trevor Rabin und unter Rückkehr von Jon Anderson drei Jahre später neu formieren sollte, um einen ganz anderen, musikalischen Pfad einzuschlagen.

Aber das ist eine andere Geschichte…

25.09.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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