Year Of No Light - Tocsin

Review

Vor der Veröffentlichung von „Tocsin“ haben sich YEAR OF NO LIGHT extensiv mit Splits als auch Projekten cineastischer Bandbreite auseinandergesetzt und die geneigte Hörerschaft satte vier Jahre auf den Nachfolger zu „Ausserwelt“ warten lassen. Aber weiß der Himmel, wer, wenn nicht sie, könnten sich der instrumentalen Übersetzung eines Werkes von C. T. Dreyer (in diesem Fall „Vampyr“) oder Jean Rouch’s Ethnofiktion „Les Maîtres Fous“ annehmen, wo ihr bisheriges eigenes Schaffen doch selbst schon das Paradebeispiel eines Breitwand-Erlebnisses stellt? Na gut, vielleicht noch CULT OF LUNA…

… aber die haben ihre Adaption von Lang’s „Metropolis“ erst gerade eben mit „Vertikal“ über/auf die Bühne gebracht und ebenfalls fünf Jahre dran gewerkelt. Hommagen brauchen nun mal Zeit und wenn am Ende dann ein Ergebnis wie „Tocsin“ steht, sei eben diese verziehen. Wobei, dies sei  vorweggenommen, YEAR OF NO LIGHT leider nicht vollständig an die Glanztat „Ausserwelt anknüpfen können. Die ersten drei der insgesamt fünf Songs verlaufen noch wie am Schnürchen gemäß dem Standard, den man seit einigen Jahren von den Franzosen erwarten kann. Der zu Beginn stehende Titeltrack ist ein typisches Drone-Doom-Biest nach Gusto YEAR OF NO LIGHT mit einem sich emporschraubenden Aufbau aus Tribal-Rhythmen, synkopischen Drums, und einem Ausklang, der sich selbst dissonanten Leads in synthie-erregenden Höhen zu verlierenden droht – es aber nicht tut, weil er mit zugänglichen Melodien bereits nach zwei Durchläufen hängenbleibt. Das anschließende kurze, mit wirbelnden KYLESAesken Drum-Patterns und reichlich Double Stops gesegnete „Géhenne“ ist ein Gegenbeweis zur Hypothese, Drone Doom sei nicht tanzbar, und ist der letzte Ausbruch von Ekstase vor den nun folgenden 40 Minuten Trägheit und Düsternis,…

… verteilt auf drei monolithische Kompositionen. Die stärkste, „Désolation“, stellen YEAR OF NO LIGHT an den Anfang und sie tun gut daran. Denn dem famos komponierten, anfänglich in behäbigem Trauermarschtempo vorgetragenen Requiem mit trostlosen Posaunen aus Kummer und Sorge können die abschließenden Tracks das Wasser nicht reichen. Irgendwann während des Doomsters „Stella Rectrix“ verlieren YEAR OF NO LIGHT ihre Linie und den Drang, die weitläufigen Instrumental-Gefilde fokussiert und mit klarem Ziel zu durchstreifen. Man mag es fast ziellos nennen, wenn die brummenden Crescendos eines sich langsam aufbauenden elektrischen Sturms mit pumpendem Bass und surrenden Synths in „Stella Rectrix“ und dem abschließenden „Alamüt“ nicht ihre unausweichlich gewaltsame Eruption finden. In diesen letzten zwei Songs lassen YEAR OF NO LIGHT „Tocsin“ wie die bloße Ankündigung eines Jahrhundertsturms ohne den ganz gewaltigen Knall auslaufen. „Désolation“, auch wenn es sich im Verlauf vom Trauerstück zu einem brodelnden aber dank elegischer Melodien nicht überkochendem Magma-Kessel verwandelt, steht am Ende als stärkster Song eines Albums, das die Erwartungen nicht ganz erfüllen kann – und trotzdem jeden zufriedenstellen dürfte, der auch schon vorher etwas mit den Franzosen anfangen konnte.

05.12.2013
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