Die Retrowelle schwappt erfolgreich durch die Bundesrepublik Deutschland und so überrascht es nicht, dass auch deutsche Bands etwas von dem Kuchen haben wollen. Neu im Sortiment: WUCAN mit ihrem Debüt „Sow The Wind“. Die noch sehr junge Band hat ihre Hausaufgaben gemacht, allerdings eine wichtige Regel vergessen: Weniger ist oftmals mehr.
Der Opener „Father Storm“ macht schnell klar, dass die Dresdner nicht bei den großen Retro-Bands wie BLUES PILLS oder GREAVEYARD einkaufen. Sie spielen erst seit 2014 zusammen und haben trotzdem schon ihren eigenen Sound entwickelt, das muss ihnen erstmal jemand nachmachen. Sängerin Francis Tobolsky singt auf hohem Niveau und ihr charismatisches Flötenspiel ist eine Bereicherung für den erdigen Sound. Sofort möchte man Parallelen zu Ian Anderson und zu seiner Kreativfabrik JETHRO TULL ziehen, wird aber schnell eines Besseren belehrt. Die Flöte improvisiert nur wenig, vielmehr bekommt man den Eindruck, jeder Ton ist bis ins Detail durchdacht. Allein mit dem Song werden sich die Vier sicher viel Gehör verschaffen. Doomig und mit jeder Menge BLACK SABBATH im Blut geht auch „Owl Eyes“ voll auf die Zwölf. Dann deutet sich an, was sich später als oben genannter Fehler entpuppt: zu viel Experimentierfreude! Es ist schön, wenn eine Band improvisiert, wenn sie verrückte Dinge ausprobiert – ob durch Effekte oder exotische Instrumente – aber es ist nervig, wenn sich diese Exzesse als kreative Sackgassen entpuppen. Natürlich kann Drummer Leo Vaessen minutenlang rhythmisch auf die Toms einklopfen („Owl Eyes“, „Looking In The Past“), aber dann muss auch etwas an den anderen Instrumenten passieren – und zwar mehr als kleine Solofetzen oder verrauschte Gitarreneffekte. Die Ideen sind durchaus gut, verfügen über Charakter und Eingängigkeit, schöpfen ihr Potential, am Ende eine Retro-Hit-Nummer zu werden, allerdings nicht aus. Zu oft versteift man sich auf ein Muster und zu selten wird variiert. Der ruhige Track „Face In The Kraut“ bringt WUCAN nochmal Pluspunkte und ist unterm Strich das Vorzeigestück auf „Sow In The Wind“. Eine starke Hookline, ein noch stärkerer Chorus – der einzige mit gefährlichem Ohrwurmfaktor – und ein spannendes Arrangement mit tollem, gefühlvollem Solo. Aber auch hier muss gesagt sein, weniger Effektspielereien hätten dem Song gut getan. „King Korea“, in der Videoauskopplung ein gutes Stück gekürzt, ist dann das Paradebeispiel dafür, dass der Song mit weniger Minuten kompakter und knackiger ist. Das schwere DEEP PURPLE-Riff am Ende beweist nochmal, dass Francis Tobolsky und ihre Männer Gespür für gute Musik haben. Der mit über 15 Minuten lange Abschluss „Wandersmann“ schlägt dann allerdings deutlich über die Stränge. Der deutsche Gesang steht der Band überhaupt nicht. Spielen hier noch WUCAN? Auch musikalisch verliert sich die Band in belanglosen Details und schlägt sich am Ende mit ihren eigenen Waffen.
„Sow The Wind“ ist nicht leicht zu verdauen, darum sollten experimentierfreudige Retro-Rocker ihre Lauscher aufsperren. Ob sich das Album gegen die starke Konkurrenz durchsetzen wird, wage ich zu bezweifeln.
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