Wreche - All My Dreams Came True

Review

Manche klangliche Konzepte sind gewagt, gehen aber dank gekonnter Federführung auf. Manch andere zerschellen an den eigenen Ambitionen. WRECHE fällt, um es vorweg zu nehmen, in letztere Kategorie, ist aber ein Sonderfall, da es hier nicht an technischen Fertigkeiten scheitert, sondern an der musikalischen Konzeption. Die ist einfach nur grässlich und masturbativ. Aber eins nach dem anderen: Es handelt sich hier um ein US-amerikanisches Black-Metal-Projekt, das Gitarren und Bass konsequent aus seinem Sound verbannt hat und stattdessen auf die Macht von Klavier und gelegentlichen Synthesizern nebst Black-Metal-typisch rasendem Schlagzeug setzt.

Die Kombination ist natürlich nicht neu und entsprechend ist zumindest rein instrumental weniger von einem Wagnis zu sprechen, da es durchaus mehr oder weniger prominente Acts gibt, die zeigen, dass Musik ohne Klampfe durchaus Zunder für Kuttenträger und Konsorten bieten kann. An anderer Stelle überzeugten MY OWN PRIVATE ALASKA mit ebenjenem Verzicht auf ihre eigene, schräge Art und Weise, während beispielsweise VAN DER GRAAF GENERATOR schon in den späten Sechzigern bzw. frühen bis mittleren Siebzigern monumentale Schwere allein durch Orgel und Klavier erzeugt haben (zugegeben gelegentlich unter Mithilfe von Session-Gitarristen wie Robert Fripp sowie dem Saxofon von David Jackson auf ihren frühen Werken, versteht sich).

Bei WRECHE wird geklimpert bis zum Umfallen

Im Grunde hätte John Steven Morgan, der WRECHE nach dem Weggang von Schlagzeuger Barret Baumgart alleinig weiterführt und mit „All My Dreams Came True“ das Nachfolgewerk des selbstbetitelten Debüts vorlegt, mit dieser Art von Restriktion hier ein vorzügliches Symphonic-Black-Metal-Statement ablegen können. Immerhin bewiesen LES CHANTS DU HASARD im Vorfeld dieser Veröffentlichung, dass man nicht auf typische, schwarzmetallische 08/15-Raserei angewiesen ist, um dessen finstere Stimmung einzufangen. Aber das Problem mit „All My Dreams Came True“ ist, dass es Nuancen und Feingefühl hier direkt aus dem Fenster segeln für ein Werk, dessen Erschaffer hörbar viel zu sehr von sich selbst überzeugt ist. Und das liegt wie eingangs angedeutet ausnahmsweise nicht an mangelndem Talent oder einer miesen Produktion der Marke Fisher Price-Kassettenrecorder.

Nein, das liegt an diesem nervtötenden Geklimper, das sich nach erschreckend kurzer Zeit komplett abgenutzt hat. Es wiederholen sich innerhalb der Songs die gleichen Motive viel zu oft, was entweder auf uninspiriertes Sampling oder eine uninspirierte Spieltechnik schließen lässt. Und da steckt auch keine Dynamik drin, ergo entsteht praktisch zu keinem Zeitpunkt irgendeine Form von Dramatik, auf welche diese romantisierenden Linien zweifellos zusteuern sollen. Da hilft auch dieses trocken eingespielte/einprogrammierte Schlagzeug nicht, bei dessen lahmen Blastbeats mir die Füße einschlafen. Aber knackige Strukturen sind bei den Songs hier ohnehin kaum auszumachen. Man erkennt das Ende eines Tracks und den Beginn des nächsten nur daran, dass ein anderes Klaviermotiv bis zum Erbrechen herunter geklimpert/gesamplet wird.

Hier werden nur die Träume von hartgesottenen Masturbationsfetischisten wahr

Die Vocals klingen durchaus authentisch gequält, gerade wenn sie durch diverse Effekte gejagt werden. Aber ähnlich wie das Schlagzeug ist der Gesang so stumpfsinnig und monoton, dass er nach einiger Zeit nur noch als irgendein stimmliches Kratzen im Hintergrund wahrgenommen wird. Da kommen keine vordergründigen Growls oder derartiges, es ist immer das gleiche, abwechslungsarme Gekreische. Die instrumentale Abwechslung, die WRECHE bietet, sind die gelegentlich auftauchenden Synthesizer, die ein bisschen von diesem masturbativen Selbstbefriedigungsreigen ablenken. Doch wenn selbst diese so stumpf und texturlos einfach nur über das Geschehen gelegt werden wie in „Severed“ oder „The Darkling Thrush“ (und das in Ermangelung verzerrter Gitarren umso prägnanter auffällt), reißen sie den Karren auch nicht aus dem Dreck. Wobei der Fairness halber gesagt werden muss, dass Morgan zwangsläufig einige melodische Zufallstreffer landet wie im Mittelteil von „Scherzo“.

Aber selbst diese Lichtblicke reizt Morgan weit über deren Halbwertszeit aus. Ein Teil von mir möchte WRECHE so gerne unterstellen, dass das Album wie Babys erstes Geklimper auf dem Klavier klingt. Aber das Album ist dafür eben nicht stümperhaft genug eingestolpert, jedenfalls nicht in Sachen Produktion. Und das ist das Eine, was man „All My Dreams Came True“ lassen muss. Aber möchte man stattdessen das akustische Äquivalent von einem frisch in die Pubertät gekommenen Jüngling hören, der eine Stunde lang hörbar seinen Schalterarm betätigt? Möchte man wirklich eine Stunde (!!!) lang hören, wie ein Klavier durchgefummelt, dabei aber weniger befriedigt als schlichtweg ohne jegliches Feingefühl beackert wird, ohne Rücksicht auf Verluste? Wenn die Antwort „Ja“ lautet, möchte ich besser nicht wissen, wie sich ein solcher Zuspruch seitens eines potentiellen Hörers anfühlt …

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28.04.2021

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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1 Kommentar zu Wreche - All My Dreams Came True

  1. nili68 sagt:

    Gerade das zweite Stück „Scherzo“ finde ich ziemlich gelungen und „nervtötend“ im positiven Sinne.
    Man muss das nicht mögen, aber mir drängt sich der Verdacht auf, dass der Reviewer seinen persönlichen Vorlieben/Abneigungen, die natürlich Bestandteil jeden Reviews sind, hier etwas zu viel Raum gibt, schon durch die Art, wie das Review verfasst ist. So als ob es nur diese Meinung geben kann. Nunja..