Witt - Supergestört & Superversaut (Single)
Review
Ach Jochen… wärst Du uns doch nur als gutartiger Goldener Reiter auf der Neuen Deutschen Welle in der Lamettazeit der späten Achziger in Erinnerung geblieben – die Welt wäre um eine Illusion reicher. Stattdessen kam mit der „Flut“ 1998 Dein Selbstvertrauen aus der Versenkung, 700.000 Käufer schienen Dein duster ästhetisiertes Siebtes Zeichen der (Kultur-) Apokalypse bereitwillig aufzunehmen, oh Witt, Du Noah der NDW, der Du ihren Odem (und vor allem Dich) ins neue Millennium rettetest. Doch Obacht: Ist nun mit „Supergestört & Superversaut“ und dem für kommenden Mai angedrohten Großwerk „Eisenherz“ die Zeit der Abkehr vom Zeigefinger-Prophetentum eingeläutet? Ich jedenfalls erkenne in der Art Deiner hiesigen Präsentation von albernen Platitüden eher eine klare persönliche Reverenz an die fiktive Titelfigur Deines goldenen Wellenreiters, der dazumal den Weg ins Sanatorium zum beklemmend-süffisanten Inhalt seines Casio-Knüllers machte. Warum sonst als im geriatrischen Endstadium und in Erwartung der Zwangsjacke grummelst Du heute herrrrisch-rrrrammsteinisch Phrasen wie „er scheisst in Mamortoiletten / andere müssen ihren Kot verstecken“ oder beissend peinliche Duden-Such-Reime wie „auf Naxos steht die Villa leer / wie soll man alles schaffen? / ich saug noch zwei Milliarden raus / aus all den dummen Affen.“? Die drei musikalischen Recycling-Anläufe des Album-Originals unterscheiden sich kaum in der kompos(i)torischen Qualität, selbst OOMPH! misslingt trotz der gewohnt sauberfetten Produktionsleistung eine zumutbare Industrial-Mutation, sie stampft mit Volldampf in Richtung monotone Klischee-Halde hintunter. Am ehesten vertretbar sind da noch die zwei WARP ACHT-Versionen, eine von ihnen („Warp Acht“) aber wohl allein aus dem Grund, dass dieser Trance/Dub-Remix bis auf die Titelvokabeln auf Deine unsäglich dümmliche Groschenlyrik verzichtet. Ansonsten verbreiten Deine Komplizen nämlich auch hier Fahrstuhl-Ödnis, wie sie schon seit den Achzigern nicht mehr in die Beine fährt. Die andere Variante („Warp Acht Mix“), die mit ihrer bemühten Gleichgewichtung von Techno und Gitarrenbrät noch am zweckmäßigsten das lauthals klappernde Songgerippe des Album-Originals zu maskieren versucht, kann Deinen Song aber leider dennoch nicht mehr retten. Scheinbar hast Du also mit der vorliegenden Armseligkeit in vier Episoden zu Deiner erquicklichen Unreife zurückgefunden, die ich nach dem „Bayreuth“-Doublefeature schon zugunsten des Cassandra-Unkentums aufgegeben wähnte. Niemand wird mir nämlich ernsthaft unterbreiten wollen, dass bei einem Mann, der sich seit 22 Jahren „im Geschäft“ wähnt, das Verfassen von Poesie dieser Güte länger dauern dürfte als die Fahrt in die Nervenklinik.