Winterstorm - Everfrost

Review

Mitten im Hochsommer beschwören WINTERSTORM den „Everfrost“ herauf. Dabei kann von einer wohltuenden Abkühlung freilich keine Rede sein. Vielmehr verleiten die Oberfranken mit ihren zehn brandneuen Power-Metal-Stücken zu emsigem Kopfgeschüttel der besten Art.

WINTERSTORM sparen sich nerviges Gedudel

Wurden die vier Vorgängeralben noch im Zwei-Jahres-Rhythmus unters Volk gehauen, haben WINTERSTORM nun ihre Schlagzahl verringert. Satte sieben Jahre (und eine Pandemie) sind seit „Cube Of Infinity“ vergangen. Die Zeit hat das Quintett um den für das Songwriting ebenso wie für die Produktion und das Cover-Artwork verantwortlich zeichnenden Gitarristen Michael Liewald gut zu nutzen gewusst und ein bockstarkes Album ohne jeden Durchhänger eingespielt.

In gewohnter Weise reichern WINTERSTORM ihre Power-Metal-Hymnen mit genau der richtigen Portion an Folk-Klängen an, um aus der Masse herauszustechen ohne dabei je in nerviges Gedudel abzugleiten. Nicht nur beim Opener „To The End Of All Known“ fühlt man sich unweigerlich an ORDEN OGAN erinnert, was freilich alles andere als eine schlechte Referenz ist. Im Gegensatz zu den Sauerländern kleistern WINTERSTORM jedoch nicht jeden Refrain mit einer Extraportion an Chorgesängen zu, wodurch die ausdrucksstarke Stimme von Frontmann Alexander Schirmer umso besser zur Geltung kommt.

Endveredelung durch Gastsänger*innen

Aus dem durchgängig starken Songmaterial stechen gleich mehrere Weltklassestücke heraus. „Fate Of The Atlanteans“ legt einen besonders fetten Groove vor, während „Crusade“ sowohl kompositorisch als auch textlich an der Perfektion kratzt:

„Fight for this world, there’s only one
And for freedom, there is none
But don’t you dare to give up“

Auch „The Phoenix Died (Remember)“ weiß zu begeistern und wird durch angenehm songdienlich eingesetzte Gastvocals von Elina Siirala (LEAVES EYES) endverdelt. „Final Journey“ hingegen könnte im Gesamtkontext des Albums nahezu untergehen, wäre da nicht der Growl-Gesang von Robse Martin Dahn (ex-EQUILIBRIUM), der dem Stück einen ganz unerwarteten Spin gibt.

Öko-Metal made in Bayreuth

In den Texten bewegt sich die Band einen guten Schritt von den etablierten Fantasy-Themen weg und setzt sich ganz konkret mit Umweltzerstörung und Ressourcen-Raubbau auseinander. Angesichts der längst nur noch mit einer Extraportion an Ignoranz und Selbstbetrug zu leugnenden Auswirkungen des menschgemachten Klimawandels schlagen WINTERSTORM damit besonders wuchtig in die mit Abstand wichtigste Kerbe unserer Zeit und schwanken dabei immer wieder zwischen apokalyptischem Endzeit-Fatalismus und kämpferischen Weltverbesserungs-Appellen. Dabei überrascht die Band mit einigen besonders cleveren Allegorien wie dem Bild eines endgültig dahingeschiedenen Phönix oder dem unvermeidlichen Untergang von Hochkulturen am Beispiel Atlantis‘.

Wer sich hingegen nicht groß um die thematische Ebene schert, der darf mit „Everfrost“ dennoch seinen Spaß haben. Die Songs gehen schnell ins Ohr, werden aber auch bei wiederholten Hördurchgängen nicht langweilig. Dazu trägt auch die gut ausgewogene Produktion bei, die genau die richtige Balance zwischen den einzelnen Instrumenten, dem Gesang und den geschickt eingestreuten Orchester-Momenten trifft. So nehmen WINTERSTORM endlich mit dem nötigen Nachdruck die Spitze der Power-Metal-Szene ins Visier und machen Lust auf eine leider noch nicht angekündigte fette Headliner-Tour.

Nachtrag:

Kurz vor dem ursprünglich geplanten Releasedatum am 14.07.2023 – und damit nach dem Erscheinen dieses Reviews – wurde die Veröffentlichung von „Everfrost“ aus produktionstechnischen Gründen auf den 22.09.2023 verschoben.

06.07.2023
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