White Ward - False Light

Review

Natürlich sind wir in Gedanken mehr als 100 Tage nach Putins völkerrechtswidrigem Einmarsch bei ukrainischen Bands und allen anderen, die unter diesem sinnlosen Krieg leiden. Und auch wenn das Album nicht direkt Bezug auf den Krieg nimmt, laut Eigenaussage vielmehr vom impressionistischen Roman „Intermezzo“ vom ukrainischen Autor Mykhailo Kotsubinsky inspiriert wurde, fällt es doch schwer, nicht durch diese Linse auf Musik, Album, Texte und Cover zu blicken. Eine weitere Bedeutung des Titels „False Light“ sei laut WHITE WARD auch der Umstand, dass eine Situation oder ein Zustand sich vielleicht von weit weg aus schöner darstellen kann, bei näherer Betrachtung aber nicht das erwartete Paradies verspricht. Darauf spielt auch das Cover an.

„False Light“ steht in natürlicher Weiterentwicklung zu den Vorgängern

Während WHITE WARD bereits auf ihrem Zweitwerk „Love Exchange Failure“ 2019 das heute sehr weit im Metal herum gekommene Saxophon erstmals vielen Hörern im Black Metal zugänglich machten, es da aber noch nicht so überstrapaziert war, schickt mittlerweile Trompeter Jerome Burns sich an, die Rolle von Hauptblechbläser Dima Dudko zu übernehmen. Aber natürlich gibt es auch immer noch das Saxophon auf „False Light“, welches sich erneut wunderbar in den nachdenklichen, melancholischen Sound der Post-Black-Metaller einfindet. Auch die vorausgegangene EP „Debemur Morti“ hat schon klar gemacht, dass längere Instrumentalpassagen ohne Metalanteil in Zukunft vielleicht verstärkt eingesetzt werden könnten. Und das ist auf „False Light“ sicherlich auch punktuell die Wahrheit.

Opener und bereits schon ausgekoppelte Single „Leviathan“ ist prinzipiell das perfekte Anteasern des Albums, beinhaltet es doch alle Trademarks die auf „False Light“ geboten werden: Die immer noch vorhandenen Jazz-Vibes, rabiate Black-Metal-Abschnitte, aber auch melodische Gitarrenleads, bis hin zu dem Einsatz von cleanen Gesangs- wie Instrumentalpassagen, aber auch Samples und Elektronika haben ihren Weg mittlerweile wie selbstverständlich in den Sound von WHITE WARD gefunden. „False Light“ stellt in Konsequenz einfach die natürliche Weiterentwicklung der Vorgängerwerke dar. Die Grundausrichtung, die auch schon auf „Love Exchange Failure“, ja eigentlich bereits ab „Futility Report“ vorhanden war, wird lediglich passend ergänzt und bearbeitet.

WHITE WARD auf dem vorläufigen Höhepunkt

Nachfolger „Salt Paradise“ schraubt den Härtegrad bereits um einiges nach unten, bleibt aber vielleicht auch gerade deshalb ein unheimlich interessantes Stück mit cleanem Gesang und Gitarren in Richtung Americana/Country im Stile von KING DUDE und ähnlichen Vertretern, langsamem Aufbau und trägt die melancholische Grundstimmung wunderbar weiter. Im Grunde haben wir es mit fünf „vollen“ Metal-Songs zu tun und kleinen „Brückentracks“, wobei es unfair wäre Stücke wie eben erwähntes „Salt Paradise“ oder auch „Echoes In Eternity“ und „Downfall“ nur darauf zu reduzieren, da sie auch alleinstehend wunderbar wirken.

„Phoenix“ hat nach mysteriös stimmungsvollem Bass- und Synthieeinstieg wieder rasenden, melodischen Black Metal zu bieten, unterstützt von Farbtupfern der Bläser. Vor allem der melodisch-harmonische Touch steht „False Light“ ausserordentlich gut zu Gesicht. Natürlich war dies stets ein Aspekt der Band, aber in der stilistischen Bandbreite wie er nun ausgespielt wird, wo es von NWOBHM-beeinflussten Leads bis hin zu Melo-Death-Riffing geht, gab es das bei WHITE WARD bislang noch nicht. Das zusammen mit noch effektiverem und interessanterem Songwriting als auf den Vorgängern lässt auch bei einem Stück wie dem vierzehnminütigen Titeltrack nur schwerlich Langeweile aufkommen. Wir haben es auf „False Light“ einfach mit WHITE WARD auf mittlerweile wahnsinnig hohem Niveau zu tun, die bei ihrer Rezeptur nur noch an den Details feilen, um wie Sportler oder Rennfahrer die letzten Zehntelsekunden heraus zu kitzeln. „False Light“ ist erneut großes Ohrenkino der Ukrainer und sollte auf dem Zettel aller Fans und (Post-)Black-Metal-Hörer ganz weit oben stehen.

12.06.2022
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