Relativ fix nach dem Debüt „Kuarahy“ (2020) sind die WHITE STONES nun mit „Dancing Into Oblivion“ um die Ecke gekommen: Corona hat auch für Martin Mendez, wie sollte es anders sein, Zeit freigeschaufelt, die jener dann gleich kreativ gewinnbringend nutzen konnte. Und eigentlich macht auch das neue Werk genau da weiter, wo „Kuarahy“ aufgehört hat.
Die Eigenbezeichnung Progressive Extreme Metal trifft es mittlerweile ein wenig besser als Progressive Death Metal, da Elemente aus letzterem zwar definitiv immer noch vorhanden sind – hauptsächlich in dem manchmal prügelndem Schlagzeug, Vocals und auch hin und wieder Riffs – , aber WHITE STONES immer erst so richtig interessant werden, wenn sie den Death-Metal-Stiefel eben gerade nicht sich anziehen. Daher ist das Festhalten am Death bzw. mittlerweile Extreme-Label sowohl musikalisch als auch in der Beschreibung immer noch ein wenig schleierhaft, soll aber auch hier nicht mehr als eine Anekdote bleiben. Nur sind die Stärken wie auch Schwächen eigentlich großteils die gleichen geblieben.
„Dancing Into Oblivion“ führt die Marschrichtung von „Kuarahy“ fort
Opener „New Age Of Dark“ (klammert man mal das überflüssige Intro „La Menace“ aus) ist treibend, heavy und besitzt einen lässigen Vibe, durchaus auch mit einer gewissen Death-Metal-Schlagseite. Aber eben nicht nur der Death-Metal-Seite: So sind die Riffs doch unverkennbar OPETH, ähm, Martin Mendez natürlich zuzuordnen. Eine gewisse Ähnlichkeit ist hier erneut einfach nicht von der Hand zu weisen, aber der Kontext in dem hier gearbeitet wird ist auch zu verschieden von OPETH, um wirklich Parallelen oder die „Kopie!“-Karte ziehen zu können. Solider Einstieg jedenfalls.
Nachfolger „Chain Of Command“ macht da mit seinen prominent raushörbaren lateinamerikanischen Einflüssen als Exotikverpackung schon wesentlich mehr Spaß und liefert auch noch hörenswerte Solopassagen. Auch „Iron Titans“ ist ein starkes Stück Musik, eben weil es als Longtrack sich leisten kann, ein wenig anders zu sein und sich Zeit zu nehmen. Der Track zeigt sich anfänglich ruhiger, zerbrechlicher und steigert sich dann ehe die Dampfwalze kommt. Später lockern wieder tolle Solos und progressivere Passagen das Ganze famos auf. Aber genauso gilt auch hier wieder: Die Death-Metal-Breitseite ist solide, aber längst nicht so spannend wie die exotischeren Passagen, die ruhig noch mehr und besser ausgespielt hätten werden können, aufs gesamte Album bezogen.
Ist das Beibehalten der Death-Metal-Einflüsse wirklich noch notwendig?
„Woven Dream“ ist ein instrumental gehaltenes, ruhigeres Zwischenspiel, ehe es in den Longtrack „To Lie Or To Die“ geht, der ebenfalls abwechslungsreich und mit vielen verschiedenen Stimmungen durchzogen daher kommt. „Freedom In Captivity“ lässt noch mal ein wenig die Muskeln spielen, ehe das kurze, aber feine Outro „Acacia“ entlässt. Bei einem Instrumental und einem Zwischenspiel plus Outro bleiben einem eigentlich nur noch fünf Songs auf dem Album, womit auch die Langwertigkeit von „Dancing Into Oblivion“ so ein wenig zu wünschen übrig lässt.
Die Probleme sind eigentlich immer noch die gleichen wie beim Debüt „Kuarahy“: Für Death Metal zu schwach auf der Brust, für einen gelungenen experimentellen Ausflug in den Prog-Kosmos zu wenig wagemutig geraten. Das komplette Fallenlassen jeglichen Death Metals, was bei OPETH noch von vielen kritisiert wurde, sollte auch Mendez bei WHITE STONES durchziehen. Die Alibi-Death-Metal-Einflüsse sind jetzt schon nur noch dabei, um irgendwie das Label und die Abgrenzung zu „normalem“ Prog bzw. Rock haben zu können, was aber eigentlich komplett überflüssig ist, liegen doch die Stärken gerade nicht in den Death-Metal-Einflüssen hier, sondern genau in den Mendez’schen Exotik-Schmankerln.
Zwischen den Stühlen sitzt es sich für WHITE STONES eigentlich eher schlechter denn besser
Denn die Ideen und Ausführungen, die hier in „Freedom In Captivity“ oder auch „To Lie Or To Die“ in Ansätzen vertreten sind haben das Potential zu ganz großem Ohrenkino, werden aber gefühlt noch zu sehr durch die Death-Metal-Anbiederung ausgebremst und nicht zu ihrer Stärke ausgespielt. Vielleicht ist es dann mit dem dritten Album von WHITE STONES so weit, dass sie endlich die richtige Balance gefunden haben und sich auf das Schreiben starker Stücke konzentrieren können. „Dancing Into Oblivion“ ist durchaus ein Reinhören wert, gar brillant in manchen Songs, aber immer noch im Gesamtpaket zu unentschlossen, zwischen den Stühlen sitzend und zerfahren, dann mal wieder zu einfach und primitiv, um durchgängig gut unterhalten oder fordern zu können.
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