Aphelion bezeichnet den Punkt, an welchem ein Himmelskörper in seiner Umlaufbahn am weitesten von der Sonne entfernt ist. Das Cover mit der antiken Himmelskarte, von der die Himmelsrichtungen getilgt wurden, zeichnet ein wunderbares Bild dessen, was uns auf „Suspended At Aphelion“ – dem neuesten Werk aus Tom Phillips Tonschmiede – erwartet. Einerseits fühlen wir uns anfänglich verloren ob der Fülle, die all die Songmosaikteilchen mit sich bringen. Andererseits eröffnet uns das Cover bereits das Potential, welches in den Klängen schimmert und bereitet uns auf die Reise ins Ungewisse vor, die WHILE HEAVEN WEPT für ihre Hörer bereit halten.
Vorab hieß es, dass „Suspended At Aphelion“ ein knapp vierzig Minuten langer Mammutsong wird. Leider ist dieser im Endprodukt in elf Einzelteile zerlegt worden, die nicht alle nahtlos in einander übergehen oder übergehen wollen und daher weniger konsequent wirken, als ich es mir gewünscht hätte. Besonders in Anbetracht dessen, dass hier Musikalien aus drei Jahrzehnten verarbeitet werden. „Indifference Turned Paralysis“ wird im Infosheet mit dem Entstehungsjahr 1988 angegeben. Sprich, entweder arbeiten die Musiker seit jeher an dem Konzept – oder es handelt sich einfach um eine Passage, die sie auf einem Tonträger wissen wollten, wobei ich persönlich Letzteres denke.
Für meine Ohren ist „Suspended At Aphelion“ viel mehr im Fahrwasser des 2009er Meisterwerks „Vast Oceans Lachrymose“ unterwegs, als auf den Spuren von „Fear Of Infinity“, dem direkten Vorgänger. Die lang angelegten Melodiebögen, die mir Songs wie „The Furthest Shore“ oder „Vessels“ schmackhaft gemacht haben, sind wieder weitaus häufiger vertreten. Auch das filigrane Schlagzeugspiel von Trevor Schrotz verdient ehrenhafte Erwähnung – ebenso wie der grandiose Gesang von Rain Irving.
Was die einzelnen Teile angeht, aus denen sich „Suspended At Aphelion“ zusammensetzt, will ich hier nur einzelne, besonders auffällige Passagen ausarbeiten:
Bei „Icarus and I“ bricht harscher Metal über die schwelgerischen Harmonien der US-Amerikaner herein. Plötzlich tut sich ein schwarzes Loch auf und bereichert das Klanguniversum der Nordamerikaner um Black-Metal-Elemente. Keifen und Krächzen sowie dissonante Sekundschritte auf der Gitarre verdunkeln die leuchtenden Sterne des weinenden Himmels.
Das anschließende „Ardor“ führt „Icarus And I“ nahtlos weiter und gipfelt im ersten dramatisch epischen Endpunkt, bevor mit „Heartburst“ die erste Zäsur, der erste Ruhepunkt erreicht wird. Dieser markiert die Ruhe vor dem Sturm. Das nachfolgende, peitschende „Indifference Turned Paralysis“ zieht seiner Geschwindigkeit wegen in den Bann. Diese wirkt eingebettet zwischen zwei langsamen, von Keyboard getragenen Songs, wie die von der Band gewollte Reise ins Ungewisse.
Auch die letzten vier Teile des Albums spannen einen wunderbaren Bogen: Angefangen bei „Searching The Stars“, über das grandios tragische „Reminiscence Of Strangers“ bis hin zum Outro „Retrospectus“ werden wir als Hörer mal mit zerbrechlich filigranen, mal mit epischen Melodien verwöhnt.
Die Diskussion ob WHILE HEAVEN WEPT nun kitschig sind oder nicht wurde schon zu oft geführt. Dennoch möchte ich hinzufügen, dass es die Band vermag, grandiose Melodiebögen mit progressiven Songstrukturen zu kombinieren und diese mit Details auszustaffieren, wie kaum eine andere Gruppe. Sei es der erwähnte Keifgesang, die Flamenco-Akkorde und Blast-Beats in „Indifference Turned Paralysis“ oder einfach die gesamt Abwechslung des Albums. Eben diese Detailfülle und die liebevolle Herangehensweise sind es, die die Band zu etwas Besonderem machen.
Dennoch gibt es ein paar Kritikpunkte: Das „midiesk“ klingende Keyboard wird der Band schlicht nicht gerecht – und dem Perfektionismus, mit dem Hauptsongwriter Tom Phillips arbeitet, erst recht nicht. Auch die Streicher, die zwar nicht aus der Konserve kommen, wirken durch die Produktion dennoch mitunter leicht künstlich. Diese Klänge können, je nach Toleranzschwelle, schnell dazu führen, dass wir, gerade noch im All schwebend, uns ganz schnell wieder auf unserem Heimatplaneten befinden und auf der Sitzgelegenheit unserer Wahl das abrupte Ende unserer Reise verfluchen.
„Suspended At Aphelion“ wächst und wächst. Nach ein paar Durchläufen fühlen wir uns auch gar nicht mehr so weit von der Sonne entfernt, sondern lassen uns von der musikalischen Wärme der Band erfüllen. Der Band ist es gelungen, die einzelnen Versatzstücke zu einem perfekt funktionierenden Ganzen zu addieren. Grundsätzlich wäre jedoch die Konsequenz „Suspended At Aphelion“ tatsächlich als einen einzigen überlangen, epischen Song zu präsentieren, die bessere Wahl gewesen. So habe ich die Möglichkeit schnell zu den Passagen zu springen, die ich gerade hören will und das Gesamtkonzept wirkt einfach etwas beliebiger. Insgesamt funktioniert das Klangmaterial trotzdem ausgezeichnet und ich ziehe meinen Hut vor WHILE HEAVEN WEPTs Reise, weg von der Sonne.
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