Weena Morloch - Kadaverkomplex

Review

„ACHTUNG! – Kein Verleih oder Verkauf an Kinder oder Jugendliche!“ – dieser vielleicht ernst gemeinte aber wohl eher verkaufsfördernde Aufkleber schmückt das zweite Weena Morloch Album des Akustik-Schnitzel-Jagd-Spielers Alexander Kaschte, dessen bekannteres musikalisches Ventil Samsas Traum ist. Nihilismus, Revolution, Wut und Wahn mischen sich auf „Kadaverkomplex“ und führen allerdings nicht, wie Parolen „Terror über alles“ oder „Verachtet Menschen“ vermuten lassen, zu einem musikalischen Äquivalent in Form einer Fortsetzung des krachigen Death-Industrial Debüts „Kunst-X=?“. Verstummt sind die maschinellen Geräuschlandschaften keinesfalls, sie bilden vielmehr stückfüllende Inseln des Krachs in einer von Rhythmik geprägten Platte. Auf fast surrealistisch anmutende Art mischen sich spielerische, treibende Beats und kratzige Klang-Collagen, um eine „verführerische“ Wirkung zu entfalten. Kontrapunktiert wird die Sorgenlosigkeit der Stücke von der schonungslosen Realität diverser Samples, in denen der Marburger Ulrike Meinhof bzw. die RAF („Stammheim (Kampf)“) oder den 11. September („Terror über alles“) aufgreift. Der visuelle Einblick in den Seelenzustand des Alexander Kaschte, welchen das Cover und die themengleiche Bookletgestaltung andeuten, wird mit Stücken wie „Kugel im Gesicht (9mm)“ musikalisch und textlich weiter ausgeführt, wobei Zeilen wie „Erschiesst was Euch kaputt macht, erschiesst was Euch zerbircht / Die Lösung aller Fragen ist die Kugel im Gesicht …“ nach dem Amoklauf von Erfurt für viele ein Schlag ins Gesicht sein werden. Womit wir wieder beim besagten Aufkleber wären: doch ein Stück Verantwortung oder nur wirtschaftliches Kalkül?

10.07.2002
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