Watchtower - Concepts Of Math: Book One (EP)

Review

Die Tech-Prog-Urväter WATCHTOWER betreten den Ring

WATCHTOWER gehören zu den Pionieren des Prog Metal, konnten aber nie wirklich große Erfolge feiern. Das lag vielleicht auch an ihrem sehr spärlichen Œuvre, denn die Band hat gerade mal zwei Full-Length-Alben veröffentlicht. Eine Trennung und Wiedervereinigung später arbeitete das Quartett unentwegt an einem Nachfolger zu „Control And Resistance“ von 1989. Lange Zeit wurden Fans hingehalten, unter anderem mit Live-Auftritten und der Veröffentlichung von „Demonstrations In Chaos“, das unter anderem Songs von „Control And Resistance“ enthält, die von Ur-Sänger Jason McMaster eingesungen worden sind. Unterdessen rotierte das Besetzungskarusell am Mikrofon um Alan Tecchio, der auf „Control And Resistance“ zu hören ist und nach langem Hin und Her nun wieder seine Stimme für WATCHTOWER erhebt.

Prog-Bands kamen und gingen, doch wenn der Urvater des technischen Prog Metal den Ring betritt, dann horcht die Szene doch mal genauer hin. Jetzt kommt nämlich mit „Concepts Of Math: Book One“ eine neue EP, deren Songs allerdings gar nicht mal mehr so frisch sind. Denn „The Size Of Matter“ erfuhr bereits 2010 eine digitale Veröffentlichung, 2015 klapperten „M-Theory Overture“, „Arguments Against Design“ und „Thechnology Inaction“ hinterher. Die Songs wurden nun aber gebündelt und es steht zur Vermutung, dass es natürlich noch ein zweites, vielleicht sogar ein drittes „Buch“ geben wird. Weiter darf gemunkelt werden, dass es sich hierbei um das fast schon zum Mythos gewordene, dritte Album „Mathematics“ handeln könnte, das ja in einer Art Produktionslimbo gesteckt hat und nun in Teilen veröffentlicht wird.

Der Albtraum von Otto-Normal-Metaller

Lange Rede, kurzer Sinn. Was kann diese EP nun? Zu hören gibt es Prog Metal! Großen sogar. Aber auch sehr kalten und technischen. Denn wenn es etwas gibt, wofür WATCHTOWER schon damals berüchtigt waren, dann war es der technische Charakter ihrer Musik. Krumme Rhythmen, wilde Riffs, das virtuose Spiel mit Harmonien und Dissonanzen und das zum Teil sehr verschachtelte Songwriting, das alles gibt es auch auf „Concepts Of Math: Book One“ in Bestform zu hören.

Die „M-Theory Overture“ leitet in diesen Frickelreigen ein und hält sich nicht lange mit Förmlichkeiten auf. Sofort trümmert einem Ron Jarzombek seine wilden Riffs um die Ohren. Rick Colaluca am Schlagzeug und Doug Keyser am Bass halten gut mit. So wechseln die Herren allein in dieser Ouvertüre die Harmonien, Takte und Rhythmen wie andere Leute (hoffentlich) ihre Unterwäsche. Der Albtraum von jedem, der mit drei Akkorden schon ausreichend ausgelastet ist. Geil!

Nicht minder vertrackt geht es weiter. Der Unterschied ist, dass nun auch Sänger Alan Tecchio mit seinen hysterischen Vocals mit einsteigt. Hat schon was Thrashiges, zusammen mit der Aggressivität der Musik. Schön ist auch, wie die Intensität der Songs einfach nicht nachlässt, trotz der Tatsache, dass sie sich nun um den Gesang herum orientieren muss. Oft genug nehmen sich die Musiker für die Vocals ja zurück, aber nicht hier. Das funktioniert großartig, sicher auch dank der Produktion, die ausreichend transparent ist, ohne der Musik ihre Aggressivität zu nehmen.

Fast perfekter Ersatz für „Mathematics“

Eigentlich gibt es nur eine kleine Sache, die man bemängeln könnte. Und das sind die Texte, die mit ihren Matheklischees gerne mal etwas in Richtung Cringe-City abbiegen. Wie Tecchio etwa gegen Ende des Rausschmeißers „Mathematica Calculis“ singt, ist schon sehr cheesy und tut ein wenig weh beim Hören. Andererseits schließt der Song den musikalischen Kreis hin zur Ouvertüre ganz gut, sodass man hier wirklich nur von einem Wermutstropfen sprechen kann.

Denn ansonsten machen WATCHTOWER hier alles richtig. Die US-Amerikaner lassen die Konkurrenz alt aussehen. Hier donnert dem Hörer ein Sound entgegen, der sicher nicht für Otto-Normal-Metaller geschaffen ist. Aber „Concepts Of Math: Book One“ ist die perfekte Alternative für jeden Tech-Aficionado, der es sich mal wieder richtig hart geben will.

12.10.2016

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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