Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
Es war wahrscheinlich nur Zufall, dass das Album „Control And Resistance“ der amerikanischen Prog-Thrasher WATCHTOWER nur drei Tage vor dem Fall der Mauer herauskam und schon im Artwork, aber auch den Texten durchaus Querbezüge zur politischen Situation damals erlaubte. Nicht ganz unschuldig können vielleicht daran allerdings auch die Aufnahmen im Berlin des Jahres 1989 gewesen sein. Rein musikalisch sollte das Zweitwerk die Band allerdings erst später in den Klassiker-Status heben, zumal nach der Auflösung der Band fünf Jahre später aufgrund von ausbleibendem Erfolg und Touringangeboten es bis zur Wiedervereinigung erst das Jahr 2000 werden musste. Ganze sechzehn Jahre später kam dann „nur“ eine EP namens „Concepts Of Math: Book One„, die bis heute sehnlichst auf die Nachfolger warten lässt.
„Control And Resistance“ ist wesentlich näher am Prog als am Thrash, zeigt aber immer noch „Kante“
Im Gegensatz zu ihren meisten Zeitgenossen im Thrash sind WATCHTOWER sehr komplex unterwegs gewesen damals, wesentlich näher an Bands wie MEKONG DELTA, KING CRIMSON oder QUEENSRYCHE als an den METALLICA’s, SLAYER’s und sonstigen Vertretern ihrer Zunft jener Zeit. Vor allem das prägnante Bassspiel von Doug Keyser vermag sich gut in Szene zu setzen, aber auch Saitenflitzer Ron Jarzombek, der bis heute unzählige technische Nebenprojekte betreibt, war seiner Zeit damals sicherlich meilenweit voraus. Klar ist die Produktion heute veraltet, am meisten stören hier eigentlich aber nur die sehr pappigen Drums. Aber irgendwo gehört das auch dazu und macht als Zeitdokument die Eigenschaft des Albums ein Stück weit aus.
Trotz aller Virtuosität wird hier aber noch genug „Kante“ sich bewahrt, um auch für angesprochene SLAYER-Fans zumindest teilweise interessant zu bleiben.
WATCHTOWER sind anders – vor allem im Jahre 1989
Auch der Gesang von Alan Tecchio ist in den hohen Lagen oft sehr nahe am Power Metal und wahrscheinlich Geschmackssache bis zum heutigen Tage, bietet aber auch starke Momente mit Falsetto, insgesamt ein wenig an KING DIAMOND, aber auch einen Sean Killian von VIO-LENCE erinnernd.
Die Songs sind auf den ersten Hör oftmals ohne Anfang oder Ende, bieten trotzdem aber eingängige Parts feil bei wiederholtem Hören – das Ende von “Mayday in Kiev” sei exemplarisch als sich langsam entwickelnder Ohrwurm genannt. Das Highlight auf diesem Album ist sicherlich Gitarren-Geheimwaffe Ron Jarzombek, der mit seinen ungewöhnlichen Harmonien und Riffs sicherlich „anders“ als die meisten kontemporären Metalbands jener Zeit an die Komposition heran gegangen ist.
Das mag lange und abwechslungsreiche Songs wie den Titelsong, „The Fall Of Reason“ oder „Life Cycles“ bis heute ziemlich verwinkelt machen, lässt aber immer noch die Kinnladen ob der Instrumentatlkunst runterklappen. Wer damals dachte, CORONER seien komplex für eine Thrash-Metal-Band, sollte hier sehr bald in Sachen Technik eines (noch) besseren belehrt werden.
Beschwerlicher Weg in den Klassikerstatus
Und auch über die Thrash- und Progszene zeigt „Control And Resistance“ heraus. Selbst ein Chuck Schuldiner soll von diesem Werk auf „Human“ sehr inspiriert worden sein. Auch viele aktuelle Tech-Death-Bands beziehen sich bis heute in ihrer Inspiration und als Vorbild auf WATCHTOWER und ihr Zweitwerk.
„Control And Resistance“ ist entstanden unter widrigen Umständen, hat der Band keinen (finanziellen) Erfolg beschert und ist wahrscheinlich zu komplex, um wirklich je bei den Massen anzukommen, damals wie heute. All diese widrigen Umstände haben dieses Album nicht davon abgehalten, lange nach seiner Veröffentlichung den Klassikerstatus, wenn auch nur in Liebhaberkreisen, nach sich zu ziehen – verdientermaßen.
Die Geburtsstunde des Tech-Death. Hatte nicht nur Einfluss auf Death, sondern das Drumming auf der Scheibe ist praktisch die Blaupause für Atheists „Unquestionable Presence“. Definitiv ein Meilensteinchen!