Watain - The Wild Hunt

Review

Galerie mit 30 Bildern: Watain - Rock Hard Festival 2019

Zunächst: So weit, so gut, so bekannt

WATAIN aus Schweden haben mit ihren letzten beiden Alben „Sworn To The Dark“ (2007) und „Lawless Darkness“ (2010) sicherlich die Black-Metal-Gemeinde polarisiert – während der Bekanntheitsgrad der Band immer weiter zunahm, nahm auch die Zahl derer zu, die der Band Ausverkauf oder gar vertonte Langeweile vorwarfen. So liegt die Frage nahe, wie das mit „The Wild Hunt“ aussieht, dem neuen, fünften Album WATAINs – und um das schon einmal vorwegzunehmen, dieses Album wird garantiert nicht dazu beitragen, die Ansichten zu entpolarisieren.

Zunächst einmal fängt alles auf altbekannte Weise an: Ein dreieinhalbminütiges Intro namens „Night Vision“ eröffnet „The Wild Hunt“, bevor WATAIN mit „De Profundis“ in die Vollen gehen: Ein Song, wie er auch auf „Lawless Darkness“ hätte stehen können, ein bisschen chaotischer zwar, aber dass diese Band auf der Stelle stehen bleibt, damit hat ja nach den letzten Alben so wirklich keiner mit gerechnet. „Black Flames March“ führt im Anschluss den Kurs fort, typisches „Lawless Darkness“-Material in etwas chaotischerer Form aufzunehmen, nimmt das Tempo aber ein bisschen zurück und fällt vor allem damit auf, dass er mit sehr, sehr eingängigem Riffing um die Ecke kommt. „All That May Bleed“, der bereits als erste Single-Auskopplung von „The Wild Hunt“ bekannte Song, sowie das anschließende „The Child Must Die“ sind ebenfalls Stücke, die als „Typisch WATAIN“ verbucht werden können.

Aber dann, aber dann …

Bis hierhin ist beim ersten Hördurchgang alles soweit bekannt – glaubt man. Doch dann, beim zweiten, dritten, vierten Durchlauf von „The Wild Hunt“ kommen erst die Nuancen so richtig zur Geltung, erst dann merkt man: Huch, das haben sie aber so auch noch nicht gemacht. Und genau das ist es, was man als den Kurs bezeichnen kann, den WATAIN anno 2013 einschlagen: Ja, natürlich erfindet sich diese Band nicht komplett neu, aber natürlich hat sie sich auch ein bisschen weiterentwickelt. Das merkt man, wie bereits erwähnt, an den Nuancen, aber auch den Strukturen, die dafür sorgen, dass die neuen Stücke dynamischer denn je im Hause WATAIN wirken, und nicht zuletzt am Feeling, an der Atmosphäre des Albums, denn der Band ist es auf „The Wild Hunt“ besser denn je gelungen, eingängiges Riffing mit dunklen Emotionen zu verbinden. Ja, „The Wild Hunt“ ist das eingängigste WATAIN-Album bisher, aber es ist auch das finsterste, bedrückendste.

Dass sich die Band trotz aller Ähnlichkeit des Materials zu dem der vergangenen Alben weiterentwickelt  hat, könnte dann schließlich kaum deutlicher werden als im sechsten Track auf „The Wild Hunt“. Dieser heißt „They Rode On“, bildet die exakte Mitte des Albums und hat eine Laufzeit von fast neun Minuten – auch wenn sich Sänger und Bassist Erik Danielsson im Interview mit mir ein bisschen gegen diese Bezeichnung gewehrt hat, will er doch das ganze Album für sich als besonders herausstellen, man könnte „They Rode On“ als das Herzstück von „The Wild Hunt“ bezeichnen. Und das besondere an diesem Song ist, dass WATAIN hier radikal mit den Erwartungen ihrer Hörer brechen und ein Stück geschrieben haben, dass überwiegend mit Akustikgitarren auskommt, auf Screams gänzlich verzichtet und stattdessen Eriks warme, angenehme Singstimme zu Vorschein kommen lässt, aber kaum als Ballade durchgehen kann. Ganz im Gegenteil: Mit seiner finsteren Atmosphäre, seinem einsamen, verlassenen Feeling fügt sich „They Rode On“ nahezu perfekt in den Kontext des Albums ein.

Von nun sollte jedem Hörer klar sein, dass auf „The Wild Hunt“ alles passieren kann – und das nutzen WATAIN bis zum Schluss aus. Abschließende 15-Minüter wie noch auf „Lawless Darkness“ sucht man vergebens, stattdessen folgen noch fünf Stücke, die unterschiedlicher nicht sein könnten. „Sleepless Evil“ kann mit seinem wilden Riffing und seinen disharmonischen, dazwischen geschobenen Leads an alte „Rabid Death’s Curse“-Zeiten anschließen, der Titeltrack des Albums beginnt schleppend-doomig und darf ein weiteres Mal mit klarem Gesang und – im weiteren Verlauf – mit Akustikgitarren überraschen, „Outlaw“ präsentiert sich als wohl abwechslungsreichster Song auf „The Wild Hunt“ (inklusive klassischem Heavy-Metal-Solo) und über „Ignem Veni Mittere“ geht es dann hin zum abschließenden „Holocaust Dawn“, welches noch einmal an die erste Hälfte des Albums anschließen und als für die letzten WATAIN-Alben typischeres Material durchgehen kann.

WATAIN-Fans der letzten Jahre dürfen gespannt sein

„The Wild Hunt“ ist also ein Album, das wahrscheinlich mehr noch als seine beiden Vorgänger polarisieren wird – WATAIN sind darauf stellenweise ruhiger und experimenteller geworden, aber, und das muss man ihnen lassen, sie sind sich selbst und ihrer Entwicklung der letzten Jahre konsequent treu geblieben und haben in Sachen dunkler, beklemmender Atmosphäre nochmal einen draufgelegt. Insofern ist dieses Album also ein wahrer Glücksgriff, wird es doch wohl jeden Fan, den die Band seit (sagen wir mal) 2007 dazugewonnen hat, zumindest überraschen, wahrscheinlich auch glücklich machen. Wer den letzten Alben hingegen nichts abgewinnen konnte, der darf trotzdem auch gerne noch einen Versuch wagen: Zumindest die „vertonte Langeweile“, die WATAIN in der Vergangenheit gerne vorgeworfen wurde, lässt sich bei dem Maß an Abwechslung, die „The Wild Hunt bereithält, wohl eher nicht mehr anbringen. Die Erwartungen darf man gerne herunterschrauben – ohne Erwartungen funktioniert dieses Album wohl am besten. Oder man bleibt bei dem, was man erwartet und lässt sich darauf ein, dass WATAIN damit spielen werden – dann aber im Nachhinein bitte nicht beschweren.

Oder kurz und bündig: „The Wild Hunt“ ist ein Album, das garantiert weiter polarisieren wird, das neue Pfade betritt, ohne die alten gänzlich zu verlassen, und das an gewissen Stellen meinetwegen auch „softer“ ist als seine Vorgänger (ohne, wie erwähnt, sein Feeling zu verlieren), aber eins muss man WATAIN lassen: Alles, was sie machen, machen sie auf irgendwo glaubwürdige Art und Weise. Alleine dafür verdienen sie meiner Ansicht nach Respekt.

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01.08.2013

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2 Kommentare zu Watain - The Wild Hunt

  1. Bluttaufe sagt:

    Seit Ewigkeiten von der Band gehört, erst 2013 oder 2014 mein erstes Album von WATAIN gekauft. Und ehrlich gesagt möchte ich nicht wissen wie deren komplette Alben vorher oder nachher geklungen haben (einzelne Titel sind bekannt). „Wild Hunt“ ist nämlich ein Rohrkrepierer allererster Güte. Hier klingt nichts düster oder böse. Der Sound ist für Black Metal Verhältnisse viel zu warm und harmlos abgemischt.
    Wenn man die Balladen als beste Songs der Platte benennen kann, dann sollte es einer (Black) Metal zu Denken geben. Na ja, „Outlaw“ fetzt auch noch. Der Rest klingt als wären die Riffs einfach wahllos aneinander gereiht worden – irgendein Süppchen wird das schon ergeben. Selbst das Abkupfern bei DISSECTION oder SATYRICON geht gehörig in die Hose.
    Für mich ist „Wild Hunt“ ein Schuss in den Ofen. Keine Ahnung warum sich die Reviews so überschlagen. An der Musik kann es nicht liegen, denn die plätschert harmlos vor sich hin.

    3/10
    1. SaGi sagt:

      Ich bin geneigt dir Recht zu geben, wobei ich 3/10 etwas tief finde.
      Du solltest dir trotzdem noch mal die Casus Luciferi geben, denn mit der Platte haben sie abgeliefert.
      Es war vielleicht etwas unglücklich mit der umstrittenen Wild Hunt einzusteigen.