Watain - The Agony & Ecstasy of Watain

Review

WATAIN brechen das siebte Siegel. Ob die Veröffentlichung von „The Agony & Ecstasy of Watain“ aber tatsächlich den Untergang einläutet wird sich noch zeigen. Biblische Mythologie hin oder her, die Schweden jedenfalls würden es vermutlich mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nehmen und zur endzeitlichen Stimmung würde es ja auch irgendwie passen. Erstmal muss sich die Platte aber auf musikalischer Ebene beweisen.

WATAIN zwischen Qual und Ekstase

Die letzten beiden WATAIN-Alben standen in gewisser Weise im direkten Gegensatz zueinander. „The Wild Hunt“ gilt als das bis dato experimentierfreudigste wie auch zugänglichste Werk der Band, musste deswegen aber auch einiges an Kritik von Schwarzwurzel-Hardlinern einstecken. Wie zur Antwort gab es dann mit „Trident Wolf Eclipse“ einen rohen, gewalttätigen Black-Metal-Hassbatzen voll in die Fresse. Ausgerechnet dieser brutale Wutausbruch wirkte bei aller Direktheit aber auch ein wenig wie ein Kompromiss für all jene, die vorher geunkt hatten.

Wie Erik Danielsson im Interview berichtet, haben WATAIN diesmal auf jegliche Erwartungshaltung gepfiffen, ob nun selbst gesetzt oder von außen kommend, und der Muse freien Lauf gelassen. In der Konsequenz verschmelzen auf „The Agony & Ecstasy of Watain“ die verschiedenen stilistischen Aspekte der Band, denn für infernalisches Gekloppe ist genauso Platz wie für große Melodien und immer wieder wird schwarze Raserei von schaurigen wie virtuosen Soli durchzogen, die tief im klassischen Heavy Metal verwurzelt sind. Daher kann man das Album gleichermaßen als Blick in die Vergangenheit als auch in die Zukunft verstehen.

So macht „Ecstasies in Night Infinite” direkt ordentlich Höllenfeuer unterm Hintern und legt mit ruppigen Thrash-Riffs, Highspeed-Blastbeats und wahnwitzigen Leads einen Blitzstart hin. Die erste Single „The Howling“ wiederum atmet zwischen wildem Vorwärtstrieb und Erhabenheit den Geist der „Sworn To The Dark“-Ära, während mit „Serimosa“ das bis dato wohl eingängiste WATAIN-Stück überhaupt ins Haus steht. Die Grundmelodie setzt sich sofort im Gehör fest und es herrschen starke TRIBULATION-Vibes, die statt mit der gotischen Düsternis der Landsleute allerdings mit einer WATAIN-typisch morbiden Atmosphäre unterfüttert sind.

Inseln im Meer der Finsternis

„Black Cunt“, „Leper’s Grace“ und “Before The Cataclysm” zollen schließlich der schwarzmetallischen Trinität aus bedrohlich walzend, rasend und episch Tribut, bevor sich mit „We Remain“ erneut eine Insel aus den schwarzen Tiefen erhebt. Von unheilvoll waberndem Doom unterfüttert ist das Highlight des Songs sicherlich der außerweltliche Gesang von Farida Lemouchi (Ex-THE DEVIL’S BLOOD, MOLASSES), während Erik Danielsson mir rauer Stimme den finsteren Geschichtenerzähler gibt.

Nachdem die nun entstandene Gänsehaut über das von flirrendem Tremolo und Vollgas gezeichneten „Funeral Winter“ wieder abgeklungen ist, beenden WATAIN das Album mit „Septentrion“ hymnisch und auf einer überraschend positiven Note. Denn wo einerseits der Tod als das große, unausweichliche Ziel angepriesen wird, muss auch das Leben gefeiert und in vollen Zügen ausgekostet werden.

WATAIN in Hochform

Mit „The Agony & Ecstasy of Watain” schafft es die Band tatsächlich, ihre Stärken zu bündeln und die verschiedenen Facetten ihrer Musik homogen auf einem Album unterzubringen, ohne dabei irgendwelche faulen Kompromisse einzugehen. Dazu hat Tore Stjerna WATAIN in seinem Necromobus Studio einen wunderbar differenzierten Sound verpasst, der sämtliche Details zum Vorschein bringt, ohne dabei weichgespült zu wirken und bei aller Giftigkeit auch der unzweifelhaften Musikalität der Protagonisten Raum gewährt. Immerhin ist hier keine Rumpelcombo am Werk und WATAIN hatten auch nie den Bedarf, dies zu suggerieren, sowohl die Gitarrenarbeit als auch das Drumming sind nämlich mitunter irrwitzig.

Ob es sich hier nun um das beste WATAIN-Album handelt ist natürlich streitbar; einige wird es versöhnlich stimmen, andere werden sicher wieder betonen, dass dies hier eben nicht „Rabid Death’s Curse“ oder „Casus Luciferi“ ist. Ungeachtet dessen können WATAIN glaubhaft und ehrlich den Eindruck vermitteln, ganz ohne Zwänge und Einschränkungen an die Aufnahmen herangegangen zu sein. Dabei ist ein Album entstanden, welches die musikalische Essenz ihres Schaffens perfekt einfängt und jede Bandphase zumindest tangiert, ohne Altbekanntes neu aufzuwärmen.

 

 

22.04.2022

"Musik hat heute keinen Tiefgang mehr." - H.P. Baxxter

Exit mobile version