Eine reichlich zwiespältige Angelegenheit ist das neue Album von WARLORD. Die kauzige Epic-Metal-Legende veröffentlichte in den Achtzigern Meilensteine des US-Metal in Gestalt der “Deliver Us”-EP und dem Langspieler “… And The Cannons Of Destruction Have Begun”. Hauptsongwriter und Gitarrist Bill Tsamis wurde in den Neunzigern zum angesehenen Theologie- und Philosophie-Professor und führte mit deiner damaligen Frau unter dem Namen LORDIAN GUARD das Epic-Metal-Erbe weiter. Sein musikalischer Partner Mark Zonder hingegen machte Karriere bei den Prog gern FATES WARNING.
2002 nahmen WARLORD mit HAMMERFALL-Sänger Joacim Cans ein weiteres Album namens “Rising Out Of The Ashes” auf, um danach wieder länger zu verschwinden. Das bisher letzte “richtige” Album “The Holy Empire” ist heuer bereits elf Jahre alt und enthielt wie “Rising …” mehrere neu aufgenommene Stücke aus den Archiven von WARLORD und LORDIAN GUARD. Apropos Neuaufnahmen: “The Hunt For Damien” aus dem Jahre 2015 bestand nur aus solchen, die durch fragwürdige Performance und grottigen Sound das Erbe der Achtziger beinahe beschädigten. Konsistenz in der Diskografie geht natürlich anders. Umso verwunderlicher, dass Zonder nach dem viel zu frühen Tod des Gitarrengenies Tsamis entschieden hat, die Band mit Diego Pires und Eric Juris (CRYSTAL VIPER) weiterzuführen. Einen der ikonischsten und markantesten Gitarristen des US-Metal ersetzen? Come on …
Wie viel von WARLORD ist übrig geblieben?
Falls ihr euch gefragt habt: Neben den Genannten hat Zonder wieder den eigentlich überqualifizierten STEVE-VAI-Bassisten Philip Bynoe sowie ALCATRAZZ-Keyboarder Jimmy Waldo rekrutiert. Der nunmehr fünfte WARLORD-Sänger Giles Lavery, der 2013 schon mal live dabei war, trifft die Töne sauber, könnte das stimmliche Charisma aber deutlich ausbauen. Ein Merkmal, das fast alle Sänger der Band gemeinsam haben.
Musikalisch fällt es schwer, “Free Spirit Soar” objektiv zu beurteilen, weil allein die Entscheidung, die Band weiterzuführen, höchst fragwürdig ist. Die beiden neu aufgenommenen LORDIAN-GUARD-Stücke “Behold A Pale Horse” und “Revelation XIX” atmen rein kompositorisch den markanten Tsamis-Spirit noch deutlich. Bei anderen Stücken ist das schon schwieriger, weil hier laut Promotext größtenteils nicht fertig gestelltes Material von Tsamis durch die gesamte Band beendet wurde – inklusive der Texte.
Somit gibt es natürlich auch weitere Riffs und Parts, die die unverkennbare Handschrift von WARLORD tragen, aber auch Stirnrunzel-Parts wie der Schlager-Metal-Chorus von “Conquerors”. Ernsthaft Leute, früher hätte Bill euch dafür die eigene Klampfe über den Schädel gezogen!
“Free Spirits Soar” muss man als Tribut oder als gänzlich andere Band verstehen
Der Rest des Materials ist größtenteils gutklassig, manches plätschert alibimäßig an einem vorbei, manches lässt Tsamis’ Genialität für kurze Momente aufblitzen. Als letztes Album von WARLORD funktioniert “The Holy Empire” viel besser. Wenn man “Free Spirit Soar” als Tribut Mark Zonders an einen langjährigen Wegbegleiter und Freund verstehen will, ist das Projekt eine akzeptable Geste. Unter dem Namen WARLORD sollte die Mannschaft aber besser nicht weiter machen, sondern sich ein Beispiel an SENTRY nehmen, die es als Selbstverständlichkeit betrachteten, nach dem Tod von Mark Shelton auf den Namen MANILLA ROAD zu verzichten.
Ganz objektive 7 Punkte, weil schrulliger US-Metal mit epischer Schlagseite immer geht und Tsamis sich mit ein paar tollen Riffs verewigt hat. Im Vergleich zum bisherigen Schaffen der Band kann man sich auch ein bis zwei Punkte wegdenken.
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