Irgendein Tag vor zehn Jahren sollte mir im wahrsten Sinne des Wortes mehr als einfach nur im Gedächtnis bleiben, denn an diesem Tag fand‘ ich in einem kleinen aber gut sortierten Plattenladen, der heute leider nicht mehr existiert, das Debüt-Album einer Band, die mir bis dahin noch völlig unbekannt war. Die Band hieß WARHEAD und das Album „Good Part For Each“. Vom Cover begeistert kaufte ich die CD blindlings und hörte sie an diesem Tage rauf und runter, genauso wie an dem darauffolgenden Tag und den darauf folgenden. Nicht nur die Musik und die tiefsinnigen, erschreckend lebensnahen Lyrics, sondern auch das Artwork hinterließ einen bleibenden Eindruck, etwas später auch unter meiner Haut: dort ziert seit jeher eine eingesponnene Person als Teil vieler Tattoos meinen Körper und erinnert mich immer wieder stolz an die für mich entscheidende Bedeutung, die hinter diesem Artwork steckt.
WARHEAD, die seit jeher klassischen US-Metal der 80er mit traditionellen Elementen und aggressiven Thrash Metal kombinierten, gibt es aber tatsächlich schon sehr viel länger als diese zehn Jahre, in denen die Band nicht nur bei mir immer wieder – nicht zuletzt mit ihrem grandiosen Longplayer „Captured“ – mächtig Eindruck schinden konnte. Bereits das Demo, das seinerzeit von EMP vertrieben wurde und sich binnen weniger Tage über 500 mal verkaufte, ließ so manchen Metalhead aufhorchen. Noch im selben Jahr, in dem mich das grandiose, auch heute noch fesselnde Debüt begeisterte, folgte mit „Perfect/Infect“ das Zweitwerk, das auch international einiges an Aufmerksamkeit erregen konnte. Wieder nur ein Jahr später, erschien mit „Beyond Recall“ ein Konzeptalbum, das uns allen die Gewissensfrage stellte: haben wir das Recht jemanden zu töten? Denn diese Platte beschäftigt sich mit der Geschichte eines Mannes, der nach einem Raubüberfall zum Tode verurteilt wird. Abseits von Schuldzuweisungen und politischen Diskussionen versuchen WARHEAD diese Situation zu hinterfragen. Die Texte sind dabei immer aus Sicht des Mannes geschrieben, und befassen sich mit seinen Hoffnungen, seiner Verzweiflung, mit seinen Ängsten und einer alles zermürbenden Ungewissheit, bevor die Hauptperson letztendlich hingerichtet wird.
Im Anschluß an diesen dritten Longplayer und mit einem neuen Mann an der Klampfe (Florian „Floh“ Albers), der es Sänger Björn Eilen ermöglichte, sich live ausschließlich auf den Gesang konzentrieren zu können, zog das Quartett um Bandgründer Peter Breitenbach (Drums) auf eine kurze aber knackige Headliner-Tour quer durch Deutschland.
Obwohl WARHEAD bereits 2001 eine Live-CD („Live In München“) veröffentlichte, die als offizieller Bootleg allerdings mehr schlecht als recht und streng limitiert war, folgt nun rechtzeitig zum 15-jährigen Bestehen der Band ein knackiges Live-Album der zuvor erwähnten Tour: „Hour Of Death – Live 2000“, aufgenommen am 28. Mai 2000 im „Alten Schlachthof“ in Lingen.
Zwar befinden sich mit „Let Me Die“, „Warhead“ und „Good Christian“ für meinen Geschmack viel zu wenig Songs vom starken Debüt auf diesem Album und auch nur fünf Titel („C17-X/05“, „Six Billion Reasons To Hate“, „Flashback Of A Poor Man“, „Into The Light“, „Listen!“) vom zweiten Longplayer, aber durchaus genug, um einen guten Einblick in das bis dato gesamte Schaffen der Band zu erhalten. Die schweißtreibende Stimmung des Abends ist dabei extrem gut eingefangen, wobei Björn Eilen mit seinen Ansagen und seinem inbrünstigen Gesang einmal mehr als charismatischer Frontmann punkten kann. Die druckvolle und klare Produktion lässt keinerlei Wünsche offen und lässt über den stellenweise etwas schrägen Gesang bei „The Trial“ hinweghören. Zu meiner Begeisterung klingt auch das Publikum tatsächlich echt, nicht immer laut und deutlich, aber wenigstens wurde hier nicht mit eingespielten Zurufen und Zuschauergesängen gearbeitet, wie man es heutzutage immer häufiger auf sogenannten Live-Alben anderer Gruppen antrifft.
Darüberhinaus und den Tipp der Redaktion mehr als rechtfertigend, berechtigt der Erwerb dieses Live-Albums zum kostenlosen Download von zwölf weiteren Tracks über die WARHEAD-Homepage. Mit dabei ist der allererste Song („Time To Pay“) der Band überhaupt, das komplette und lang vergriffene 6-Track-Demo und fünf Cover-Songs in der aktuellen Band-Besetzung: ein Anreiz und ganz besonderes Schmankerl nicht nur für die langjährige Anhängerschaft!
Hier heißt es zugreifenen, die Anlage aufdrehen und die Matte kreisen lassen bis der Notarzt kommt! „Hour Of Death – Live 2000“ ist ein rundum gelungener Release, der die Wartezeit auf die bereits angekündigte Live-DVD und ein neues Album im nächsten Jahr extrem versüßt.
Es war ein unglaubliches Konzert. Eine Besonderheit lag in der Luft, auch weil Björn kurz darauf nicht mehr Teil von WARHEAD sein würde. Dieser Zustand spiegelt sich auf der Platte allerdings nicht wieder. Die Stimmung passte, die Leute waren gut drauf und WARHEAD gaben einfach alles. Für mich eine der besten Live-Scheiben überhaupt, allerdings nicht nur, weil ich selbst anwesend war.