Wang Wen - Eight Horses

Review

Ich würde mich wundern, wenn WANG WEN (Originalschreibweise: 惘闻) mehr als nur einer Handvoll Leserinnen und Lesern dieser Seiten schon einmal begegnet wären – was (so viel sei schon hier verraten) angesichts des vorliegenden Albums „Eight Horses“ wirklich schade ist. Auch für mich ist „Eight Horses“ die erste Begegnung mit dem chinesischen Fünfer, der immerhin schon seit 1999 aktiv ist und mit „Eight Horses“ sein achtes Studio-Album vorlegt. Ich bin also gewissermaßen Pelagic Records, dem Label des THE OCEAN-Masterminds Robin Staps, zu Dank verpflichtet, dass der Achttracker (überall die Acht – man könnte fast meinen, die Acht sei eine chinesische Glückszahl) ebendort erscheint und (hoffentlich nicht nur) mir die wahrlich großartige Musik WANG WENs näher bringt.

Die Band aus der südchinesischen Provinz Dalian präsentiert beinahe ausschließlich instrumentalen Post Rock und Metal, der mit vielen anderen musikalischen Elementen reichhaltig garniert ist: Es gibt Sludge-Anleihen („Sky Of Dalian“), Jazz (und enormen Sinn für Humor) im Opener „Northern North“, psychedelische Schlagseite, Mariachi(!) und und und… Das Schöne an WANG WEN ist, dass sie – im Gegensatz zu vielem Anderen, das da so unter dem „Post“-Banner kreucht und fleucht – ein enorm eigenständiges und eigenwilliges musikalisches Gesicht besitzen. Der Anteil an Elementen, bei denen man unwillkürlich in „Das habe ich doch schon mal bei ISIS gehört“-, „MOGWAI haben so etwas auch schon gemacht“- und „GY!BE lassen grüßen“-Phrasen verfällt, ist verschwindend gering, wenngleich die Post-Paten natürlich spürbar sind (und auch sein sollen).

Es gibt auf „Eight Horses“ jedoch weitere Elemente zu entdecken, die WANG WEN auch ohne vermeintlichen Exoten-Bonus in die Spitzengruppe der Post-Rock-and-Metal-Champions-League katapultieren: Eins davon ist die unglaubliche Dynamik der Songs, die durch geschickte Kontrastierungen entsteht: Durch Variation der Lautstärke, der Klangdichte, der Instrumentierung schaffen WANG WEN es, wunderbar farbige und detailreiche Bilder zu entwerfen. Bilder, die Melancholie in sich tragen und dennoch von positiven Untertönen durchdrungen werden. Das zweite Element – zugegebenermaßen bereits in der letzten Aufzählung enthalten – ist die Instrumentierung: Neben der „klassischen“ Besetzung – Gitarren, Bass, Schlagzeug – beschäftigen WANG WEN einen hauptamtlichen Bleckbläser, der Trompeten, Posaunen und (wenn ich mich gerade nicht täusche) auch ein French Horn beiträgt; außerdem gibt es wundervolle Streicher, ein Klavier und ein Metallophon zu hören – und ich bin mir sicher, dass ich mindestens fünf weitere Instrumente einfach vergessen habe. Es ist eine echte Leistung, all diese Elemente mit soviel Dramaturgie in ein derart homogenes Album zu gießen – und WANG WEN haben meine höchste Anerkennung für dieses beinah rundum gelungene Unterfangen.

Die einzige Schwäche, die ich persönlich an „Eight Horses“ entdecken kann, sind die glücklicherweise nur spärlich eingesetzten Vocals: Diese wollen sich weder atmosphärisch (obgleich Schreie nicht per se unpassend sind) noch klanglich (irgendwie klingen die Stimmen extrem beschnitten) so recht integrieren und schmälern so das insgesamt wirklich herausragende Gesamtbild. Zweifellos ist das Jammern auf hohem Niveau – aber da der größte Teil der knapp 70 Minuten ohne Weiteres an der Höchstpunktzahl kratzt, fällt so etwas eben doch ins Gewicht. Selbstverständlich ändert das nichts daran, dass „Eight Horses“ ein wundervolles Album ist, das WANG WEN in unseren Breiten hoffentlich einen größeren Hörerkreis beschert. „Eight Horses“ hat nämlich jede Aufmerksamkeit verdient, die es bekommen kann.

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05.10.2014

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