Waldgeflüster - Meine Fesseln

Review

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Bevor hier auch nur ein kritisches Wort fällt, soll auf die Wirkung von „Der Nebel“, dem ersten Lied von „Meine Fesseln“, eingegangen werden. Es ist selten, dass ein Musikstück auf so eindringliche Weise nach den Emotionen des Hörers greift. Die Melodien flimmern ingleichen schön und traurig und das Zusammenspiel von Klargesang und verzerrter Stimme funktioniert insbesondere im Refrain tadellos. Emotionsträchtig und von tiefer Melancholie – so steht „Der Nebel“ stellvertretend für alles Musikalische, das der Feder und den Instrumenten von WALDGEFLÜSTER entspringt.

Bei einer Black-Metal-Band (hier ein Ein-Mann-Projekt des Musikers Winterherz), die sich als naturverbunden deklariert und WALDGEFLÜSTER nennt, liegt die Art der Musik eigentlich nahe. Überraschungen bleiben dann auch tatsächlich aus. „Meine Fesseln“ klingt, wie man es sich vorstellt: verzerrte Gitarren wechseln sich mit folkigem Akustikgezupfe ab, lyrisch wird dem gehuldigt, das wächst, gedeiht, sich im Wind wiegt und wabert. Poesie statt Blasphemie, Melodie statt Brutalität, Melancholie statt Hasstiraden. Die Addition von Klargesang kann dem Black Metal das „Post“ präfigieren. Aber genug der Kategorisierung.

Wie klingt „Meine Fesseln“? Intensiv. Wie schon bei den zwei Vorgängeralben „Herbstklagen“ (2009) und „Femundsmarka“ (2011) überschreiten die Songs fast durchgehend die Sieben-Minuten-Grenze, einige Male geht es auch über zehn Minuten hinaus. Atmosphärisch. Jedes Lied beginnt mit cleaner oder Akustikgitarre und ruhige Interludien brechen das musikalische Schwarz immer wieder auf – der fließende Übergang von Verzerrung auf Akustikgitarre am Ende von „Karhunkierros“ ist besonders gelungen. Ausgefeilt. Auch nach mehrmaligem Hören blühen noch Details auf, die in der Komplexität der Songstrukturen zuvor untergegangen sind (wie die Ride in „Wie Eine Weide Im Wind“). Das erschwert den Zugang zum Album, bietet aber ein facettenreiches Hörerlebnis. Man achte nur auf die psychedelische Anmut in „Trauerweide Teil I“. Melodisch. Primitiven Black Metal der alten Schule spielen gewiss andere Bands. WALDGEFLÜSTER kann man in einer Reihe mit DORNENREICH und WOLVES IN THE THRONE ROOM erwähnen. Das verbietet ja keinen harschen Black-Metal-Sound, doch die Symbiose von krächzender und cleaner Stimme, von flirrenden und sanften Tönen sowie das vorherrschend mittlere Tempo, das nur ab und an durch schnelleres Schlagzeugspiel (der Fokus liegt eh auf den Gitarren) angezogen wird, verleiht dem Gesamtsound einen filigranen, durchdachten, eufonischen Charakter. Während sich andere Formationen dem Nihilismus verschwören, schimmert hier auch immer ein wenig Licht durchs Dickicht. Abwechslungsreich. Bei den extremen Vocals dominiert das Krächzen. Zwischendurch wird die Stimme aber auch heiser und lässt den entsprechenden Part depressiver erscheinen; in „Wenn Die Morgensonn“ verbirgt sich instrumental gesehen sogar eine Menge von FORGOTTEN TOMB. Ganz sachte schielt Winterherz auch mal in Richtung Death Metal („Karhunkierros“), doch die zweite stimmliche Konstante heißt Klargesang. Hier wird es zum ersten Mal kritisch, denn sobald die Verzerrung von den Stimmbändern genommen wird, klingt es mitunter grenzwertig. Beim sagenhaften Refrain von „Wenn Die Morgensonn“ funktioniert das, oftmals erhält der betroffene Song aber eine plötzliche Punkattitüde oder moderne Note und das steht dem Ganzen einfach nicht. Von Ohr zu Ohr mag das unterschiedlich aufgenommen werden, für mich gibt es in Sachen Klargesang aber deutlich positivere Gegenbeispiele (wie ein Alan Averill von PRIMORDIAL). Es sind leider diese, zugegebenermaßen subjektiv erfahrbaren, Nuancen, die einem Song oder Album den Zauber rauben können – WALDGEFLÜSTER entfesselt zweifelsohne musikalische Magie, legt ihr durch ein Geseier wie im vorletzten Track aber auch wieder Fesseln an.

Das Debüt „Herbstklagen“ ist sehr viel roher und hat zu den ebenso vorhandenen ruhigen Zwischenspielen deutlich mehr Knüppelpassagen. Das Zweitwerk „Femundsmarka“ setzt durch eingeschobene reine Instrumentalstücke noch mehr auf Atmosphäre. So macht es durchaus Sinn, dass „Meine Fesseln“ als „das musikalische und emotionale Bindeglied zwischen den zwei letzten Alben“ bezeichnet wird. War das Konzept bei den Vorgängern schon durch die Titel erkennbar, wird der inhaltliche Zusammenhang beim dritten Langspieler weniger schnell deutlich. Die Naturverbundenheit liegt auf der Hand, darüber hinaus müsste der konzeptionelle rote Faden aber direkt in den Zeilen gesucht werden. Und während man sich bei vielen Bands damit zufrieden gibt, sich vom ersten bis zum letzten Song anschreien zu lassen, um zwischendurch mal ein gepflegtes „Satan“ zu vernehmen, macht ein Blick in die Texte von WALDGEFLÜSTER auch Sinn – der poetische Anspruch ist eindrucksvoll und sorgt dann auch für den letzten Punkt.

Es gibt mindestens einen Song, der emotional ergreifend ist, mindestens einen weiteren, der einen Refrain beherbergt, den man sich immer und immer wieder anhören möchte. Für mich sind das die Extras, die ein Album in den Achterbereich oder noch höher hieven. Die volle Wertung erreicht „Meine Fesseln“ aufgrund des erwähnten Klargesang-Problems nicht, außerdem könnten die Songs insgesamt ein wenig mehr Geschwindigkeit vertragen. Trotz einiger Durchläufe bleibt die Lust, das Werk weiter zu entdecken, aber unbeugsam … wie eine Weide im Wind.

06.01.2014

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2 Kommentare zu Waldgeflüster - Meine Fesseln

  1. Kazanian sagt:

    Konstanze 😉
    Gutes Review – werd wohl mal reinhören…

  2. André Gabriel sagt:

    hehe da kann man noch so oft drüberschauen, die konstanze hat sich hartnäckig gehalten, danke dir